Barbatio
Barbatio († 359 in Sirmium) war ein römischer Militär und Heermeister (magister militum) der Spätantike. Er diente unter Kaiser Constantius II. (337–361).
Leben
Aufstieg
Barbatio war zunächst – zwischen 351 und 354 – comes domesticorum (Kommandant der Leibwache) unter dem Caesar (Unterkaiser) Constantius Gallus an dessen Hof in Antiochia (heute Antakya) im Osten des Reiches.[1] In dieser Zeit machte er Bekanntschaft mit dem berühmten Redner Libanios, dem seine Fürsprache die Übersiedelung von Konstantinopel nach Antiochia ermöglichte.[2] Libanios unterrichtete im Gegenzug einen Sohn oder Klienten Barbatios.[3]
Barbatio begann schon bald, gegen den Caesar Gallus zu intrigieren. So scheint er Constantius II., den Oberkaiser des Gallus, durch gezielte Informationspolitik gegen ihn aufgebracht zu haben.[4] Wegen dieser Streitigkeiten wurde Barbatio zunächst vom Hof des Unterkaisers, wo Lucillianus sein Amt kurz darauf übernahm,[5] abberufen und an den Hof des Constantius in Mediolanum (Mailand) versetzt. Als Constantius schließlich die Geduld mit seinem Caesar Gallus verlor und ihn zu sich nach Mailand kommen ließ, schickte er ihm Barbatio entgegen. Dieser traf Gallus in Poetovio in Noricum, wo er ihn auf Geheiß des Kaisers festnahm und nach Flanona auf der Halbinsel Istrien brachte. Dort wurde Gallus angeklagt, verurteilt und schließlich hingerichtet.[6]
Als Nachfolger des Silvanus, der sich in Köln zum Kaiser hatte ausrufen lassen und daraufhin getötet worden war, wurde Barbatio 355 magister peditum, General der Infanterie.[7] Als einer der wenigen Heermeister (magister militum) hatte er nun eine der mächtigsten Stellungen im Römischen Reich inne. Ihm wurde wahrscheinlich auch das Vermögen des Silvanus übertragen.[8] In der Folgezeit hielt sich Barbatio offenbar einige Zeit am Hof des Kaisers auf, der zu dieser Zeit in Italien residierte, die meiste Zeit in Mediolanum. 357 wurde er nach Augusta Raurica (Kaiseraugst) entsandt, um mit 25.000 Soldaten Julian, den Caesar (Unterkaiser) des Constantius, gegen die Alamannen zu unterstützen.[9] Er war diesem jedoch nicht direkt unterstellt.[10]
Militäraktionen und Tod
Laut dem Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus machte Barbatio schon zu Beginn des Feldzugs Fehler, die dazu führten, dass eine Gruppe germanischer Laeten, die auf das Gebiet der Römer vorgedrungen waren und dort geplündert hatten, entkommen konnte. Barbatio gelang es jedoch, die Verantwortung auf zwei ihm unterstellte Tribunen abzuwälzen.[11] Wenig später eignete er sich zunächst einen erheblichen Teil der Verpflegung an, die eigentlich für die Soldaten bestimmt war.[12] Kurze Zeit darauf wurde das von ihm geführte Heer bei einem plötzlichen Angriff der Alamannen unter Chnodomar in die Flucht geschlagen. Barbatio flüchtete daraufhin zunächst nach Kaiseraugst und kehrte anschließend an den Hof des Constantius zurück, wo er Julian beschuldigte, für seine Niederlage verantwortlich zu sein.[13]
358 verheerten alamannische Juthungen die römische Provinz Raetia. Constantius schickte ihnen Barbatio mit einer großen Streitmacht entgegen. Dieser ging offenbar sehr erfolgreich gegen die Germanen vor, von denen nur wenige entkamen.[14] Ammian berichtet auch vom Ende des Barbatio: Seine Frau Assyria, „die weder den Mund halten konnte noch viel Verstand besaß“,[15] war offenbar zu der Überzeugung gelangt, Barbatio würde nach dem – wie sie annahm – baldigen Ende des Constantius selbst Kaiser werden. Aus Furcht, ihr Mann könne sie verlassen, sobald er Kaiser sei, und stattdessen Eusebia heiraten, die schöne Frau des Constantius, ließ sie ihm nachts einen Brief in Geheimschrift schreiben. Barbatio weilte gerade auf einem Feldzug, und als er zurückkam, war die Nachricht von diesen Aktivitäten seiner Frau bereits zum Heermeister Arbitio vorgedrungen, einem Konkurrenten des Barbatio. Dieser leitete die Geschichte umgehend an den Kaiser weiter, der – immer Usurpationen fürchtend – sich verraten fühlte und das Ehepaar enthaupten ließ.[16]
Quellen
Die wichtigste Quelle für das Leben des Barbatio ist das Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus. Zwar bemüht sich Ammian meist um eine ausgewogene Darstellung, sein Werk hat aber nicht nur in Bezug auf Barbatio eine klare Tendenz. Bezeichnend ist die resümierende topische Beschreibung Barbatios, die er als eine Art Nachruf dem Bericht über dessen Tod hinterherschickt:
„Der erwähnte Barbatio war ein ungehobelter Mensch, von arrogantem Wesen und deswegen vielen verhaßt, weil er zur Zeit, als er die Leibwächter unter dem Cäsar Gallus befehligte, ein treuloser Verräter war und nach dessen Tod, auf einen höheren militärischen Posten berufen, ähnliche Intrigen ebenfalls gegen den Cäsar Julian spann. Anständige Leute wünschten ihn häufig zum Teufel, denn er flüsterte viele fürchterliche Beschuldigungen in die hierfür offenstehenden Ohren des Kaisers.“
Die Ablehnung Barbatios hat vermutlich sowohl persönliche als auch literarische Gründe. Ammian beurteilte Kaiser Constantius II. negativ und bewunderte Julian. Neben Julian ist Ammians zweiter Held der Heermeister Ursicinus, den er persönlich kannte und dem er lange unterstellt war – ein Konkurrent des Barbatio, der ihm schließlich auch auf dem Posten des magister peditum nachfolgte. Dem Zeugnis Ammians, der Barbatio überaus negativ zeichnet, sowohl was seine militärischen Leistungen und Fähigkeiten als auch seine Persönlichkeit angeht, ist deshalb nur sehr bedingt zu glauben. Leider stehen uns zur Korrektur dieses Bildes außer einigen Briefen des Libanios kaum alternative Quellen zur Verfügung.
Literatur
- Otto Seeck: Barbatio. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 1 f.
- Arnold Hugh Martin Jones, John Robert Martindale, John Morris: Barbatio. In: The Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE). Band 1, Cambridge University Press, Cambridge 1971, ISBN 0-521-07233-6, S. 146–147.
- Klaus Rosen: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser. Klett-Cotta, Stuttgart 2006, ISBN 3-608-94296-3, S. 111, 146–147, 150, 155, 181, 339, 371, 382.
Anmerkungen
- Als comes domesticorum wird er genannt bei Ammianus Marcellinus 14,11,19; 18,4,6.
- Libanios, epistula 1215. Weitere Briefe von Libanios an Barbatio, die die Bekanntschaft der beiden belegen: 470; 492; 1032 (nach Seecks Zählung).
- Vgl. Libanios, epistula 1032. Dazu Scott Bradbury: Selected Letters of Libanius: From the Age of Constantius and Julian. Liverpool University Press, Liverpool 2004, Nr. 29, S. 58f. (Translated Texts for Historians, Band 41; online).
- Ammian 14,11,24 spricht von „falschen Beschuldigungen“ (falsa crimina); vgl. auch ebd. 18,3,6.
- Ammian 14,11,14. Vgl. The Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE) I S. 147; zu Lucillianus, der ebenfalls später Heermeister wurde, ebd. S. 517–518.
- Ammian 14,11,19–23; Philostorgios 4,1.
- Ammian 16,11,2; 17,6,2; dazu Alexander Demandt: magister militum. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband XII, Stuttgart 1970, Sp. 553–790, hier Sp. 568f.
- Bei Ammian 18,3,2 besitzt Barbatios Frau eine Sklavin aus Silvanus’ Besitz. Vgl. Seeck: Barbatio. In: RE, Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 2; PLRE I, S. 147.
- Ammian 16,11,2.
- Vgl. Demandt: magister militum. In: RE. Supplementband XII, Stuttgart 1970, Sp. 569.
- Ammian 16,11,6–8.
- Ammian 16,11,12.
- Ammian 16,11,14–15; 16,12,6; 16,12,16.
- Ammian 17,6,2, der auch hier die Leistung Barbatios zu schmälern versucht und ihn als „Feigling“ bezeichnet.
- Ammian 18,3,2. Zitiert nach Ammianus Marcellinus: Römische Geschichte. Lateinisch und Deutsch und mit einem Kommentar versehen von Wolfgang Seyfarth. Band 2, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1970, S. 15.
- Ammian 18,3,1–4; vgl. auch 14,11,24.
- Zitiert nach Ammianus Marcellinus: Römische Geschichte. Lateinisch und Deutsch und mit einem Kommentar versehen von Wolfgang Seyfarth. Band 2, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1970, S. 17.