Baldassare Estense
Baldassare Estense (* vor dem 2. Juni 1432 oder vor 1441/42 vielleicht in Reggio nell’Emilia; † 1504 oder nach dem 29. Januar 1506 wahrscheinlich in Ferrara) war ein italienischer Maler, Bildhauer und Medailleur.
Namensvarianten: Baldassare d’Este; Baldassare da Reggio.
Leben
Baldassare Estense war vermutlich ein Sohn des Markgrafen Niccolò III. d’Este. Sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt und wird in der alten Literatur oft mit 1432 angegeben; in der neueren Forschung neigt man eher dazu, dieses etwa zehn Jahre nach hinten zu verlegen. Genauso unbekannt ist sein früher künstlerischer Werdegang.
Die früheste Erwähnung stammt aus dem Jahre 1461 und bezieht sich auf die Ausstellung eines Reisepasses. 1469 hielt er sich in Pavia auf, wo er den Herzog Galeazzo Maria Sforza und seine Gattin Bona von Savoyen porträtierte. Noch im gleichen Jahr reiste er, ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben Galeazzos, nach Ferrara, wo er am Hofe Borso d’Estes vorstellig wurde. Dort avancierte er bald zum Hofmaler und war als viel beschäftigter Porträtist tätig. Parallel dazu malte er mehrere, heute nicht mehr erhaltene Wandbilder für die Kirche San Domenico. Etwa Mitte der 1470er Jahre verließ er Ferrara und ließ sich in Reggio nell’Emilia nieder, wo er das Amt eines Capitano di Porta Castello bekleidete. Spätestens 1497 siedelte er erneut nach Ferrara um, wo er höchstwahrscheinlich bis zu seinem Tode blieb.
Der Künstler
Obwohl das Leben Baldassare Estenses ab den 1460er Jahren außergewöhnlich gut dokumentiert ist, liegt sein Werk noch weitgehend im Dunkeln. Neben einem 1499 datierten und signierten Bildnis des Tito Strozzi (Venedig, Collezione Cini) und den ebenfalls signierten Resten eines für das Oratorio della Concezione in Ferrara gemalten Freskos mit der Darstellung der Stigmatisation des heiligen Franziskus mit einer Stifterin (Ferrara, Pinacoteca Nazionale), sind ihm keine weiteren Werke mit absoluter Sicherheit zuzuschreiben. Ihnen recht nahestehen noch ein Familienbildnis des Uberto de’ Sacrati (München, Alte Pinakothek) und das Bildnis des Borso d’Este (Mailand, Castello Sforzesco).
Diesen Bildern versuchten die Kunsthistoriker verschiedentlich weitere Werke anzuschließen, so unter anderem eine Gruppe von Gemälden, die man zuvor unter dem Notnamen Vicino da Ferrara zusammengestellt hatte und die mehrheitlich dem Ercole de’ Roberti nahestehen. Da diese Gruppe, nach Ansicht vieler Experten, allerdings keine künstlerische Einheit bildet, kann diese Aussage derzeit nur als eine These betrachtet werden.
Darüber hinaus werden ihm auch noch eine Reihe von stilistisch ähnlichen Medaillen und einige wenige bildhauerische Arbeiten zugewiesen.
Die wenigen erhaltenen Bilder, die ihm heute mehrheitlich zugewiesen werden, gelten als Arbeiten von hoher zeichnerischer Akribie, die eine erfrischende künstlerische Auffassung wiedergeben.
In seiner Werkstatt waren auch die Maler Andrea De Passeri und Bartolomeo di Jacopo Benati tätig. Als Medailleur gehörte er nicht zu den Besten, obwohl er sich eindeutig von guten Vorbildern, darunter auch von denen aus Pisa, inspirieren ließ. Seinen größten Ruhm verdankt er seinen Gemälden, in denen er vor allem ein Anhänger von Ercole de’ Roberti war.
Authentische Werke
Gemälde
- Ferrara, Pinacoteca Nazionale
- Die Stigmatisation des heiligen Franziskus mit einer Stifterin. (Fresko)
- Venedig, Collezione Cini
- Bildnis des Tito Strozzi.
Vielfach zugeschriebene Werke
Gemälde
- Bayonne, Musée Bonnat
- Bildnis eines Jünglings.
- Bergamo, Accademia Carrara
- Kopf eines trauernden Engels.
- Chalis, Musée André
- Bildnis eines älteren Mannes.
- Dublin, National Gallery of Ireland
- Bildnis eines Musikers.
- Ferrara, Fondazione Cassa di Risparmio di Ferrara
- Die Verkündigung.
- Ferrara, Palazzo Schifanoia
- Porträtköpfe. um 1471–1473
- Ferrara, Pinacoteca Nazionale
- Der heilige Sebastian.
- Ferrara, Collezione Vendeghini
- Der heilige Johannes der Täufer.
- Florenz, Collezione Strozzi
- Vier Szenen aus der Passion Christi.
- Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum
- Bildnis des Galeotto I. Pico della Mirandola.
- Bildnis der Bianca Maria d’Este.
- Locko-Park, Derby
- Bildnis eines Mannes.
- London, National Gallery
- Das Konzert.
- Mailand, Castello Sforzesco
- Bildnis des Borso d’Este.
- München, Alte Pinakothek
- Verlöbnisbildnis des Johann Corvinus; um 1486
- Familienbildnis des Uberto de’ Sacrati.
- Paris, Musée des Arts Décoratifs
- Die Kreuzigung Christi.
- Venedig, Museo Correr
- Bildnis eines jungen Mannes.
- Washington, National Gallery of Art
- Bildnis des Francesco II. Gonzaga als Kind.
- Verbleib unbekannt
- Der Tod Mariae. (ehemals Collezione Massari)
- Bildnis des Giovanni Bentivoglio und seiner Gemahlin. (ehemals Sammlung Dreyfuss)
- Bildnis eines Mannes mit Ring. (Im Mai 1911 aus der Abdy-Sammlung versteigert)
- Heilige mit Stifter.
Skulpturen
- Berlin, Skulpturensammlung und Museum für byzantinische Kunst
- Bildnis eines älteren Mannes.
- Bildnis eines jüngeren Mannes.
- London, Victoria & Albert Museum
- Bildnis des Ercole I. d’Este.
- Oxford, Ashmolean Museum
- Bildnis des Titus Strozzi.
Literatur
- Adolfo Venturi: Baldassare Estense. In: Ulrich Thieme, Felix Becker (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 2: Antonio da Monza–Bassan. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1908, S. 387–389 (Textarchiv – Internet Archive).
- Christian Hornig: Baldassare Estense. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 6, Saur, München u. a. 1992, ISBN 3-598-22746-9, S. 403.