Bahnhof Wilsdruff
Der Bahnhof Wilsdruff war eine Betriebsstelle der Schmalspurbahn Freital-Potschappel–Nossen und der hier abzweigenden Schmalspurbahn Wilsdruff–Gärtitz auf dem Gemeindegebiet der Stadt Wilsdruff in Sachsen. Der Bahnhof Wilsdruff war betrieblicher Mittelpunkt mehrerer miteinander verknüpfter Schmalspurbahnen, die insbesondere unter Eisenbahnfreunden als „Wilsdruffer Netz“ bekannt geworden sind. Bis zur Auflassung im Jahr 1973 war Wilsdruff nach Mügeln (b Oschatz) der zweitgrößte Bahnhof der Sächsischen Schmalspurbahnen.
Wilsdruff | |
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Blick vom ehemaligen Bahnbetriebswerk zum Empfangsgebäude (2010) | |
Daten | |
Betriebsstellenart | ehemals Bahnhof |
Lage im Netz | ehemals Trennungsbahnhof |
Eröffnung | 1. Oktober 1886 |
Auflassung | 28. Mai 1972 |
Lage | |
Stadt/Gemeinde | Wilsdruff |
Land | Sachsen |
Staat | Deutschland |
Koordinaten | 51° 2′ 41″ N, 13° 32′ 17″ O |
Höhe (SO) | 271,37 m |
Eisenbahnstrecken | |
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Bahnhöfe und Haltepunkte in Sachsen |
Das frühere Bahnbetriebswerk wird heute museal durch die IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V. nachgenutzt.[1]
Geschichte
Als am 1. Oktober 1886 die Verbindung Freital-Potschappel – Wilsdruff der ehemaligen Schmalspurbahn Freital-Potschappel–Nossen eröffnet wurde und 1899 bis Nossen verlängert wurde, hatte der Bahnhof Wilsdruff drei Durchfahrtsgleise, ein kleines Empfangsgebäude, das in der Mitte zweistöckig und an den Seiten einstöckig war, einen zweigleisigen Lokschuppen mit zwei Ständen, einige Nebengebäude und Gleisanschluss zu der Straße von Tharandt nach Meißen sowie an einige landwirtschaftliche Kunden auf der anderen Seite des Bahnhofes.[2] Das Empfangsgebäude entsprach in seinen Grundzügen einem bei den Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen üblichen Bau. Gleichartige Bauten befinden sich in Geyer und Oberrittersgrün sowie spiegelbildlich in Reichenau. Schon seit 1863 hatte man in Wilsdruff um den Anschluss an das Eisenbahnnetz der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen gekämpft. Sogar die Ausführung als Normalspurbahn war in Erwägung gezogen worden.
Mit der Eröffnung der Strecke nach Nossen hatte der Bahnhof seine Kapazitätsgrenze erreicht. Mit der geplanten Eröffnung der Strecke nach Meißen machte sich gleichzeitig die Planung einer Vergrößerung des Bahnhofes erforderlich. Ursprüngliche Planungen sahen die Errichtung eines neuen Bahnhofes an der Stelle des heutigen Haltepunktes Wilsdruff vor. Dieser Bahnhof sollte als Kopfbahnhof für die Schmalspurbahn Freital-Potschappel–Nossen und als Durchgangsbahnhof für die Verbindung von Potschappel nach Meißen gestaltet werden. An der späteren Gabelstelle Saubachtal war ein Gleisdreieck für die Abschwenkung Richtung Nossen vorgesehen. Aus Kostengründen wurde diese Idee verworfen und lediglich der Ausbau der bestehenden Anlage beschlossen.
1908/1909 wurde das Bahnhofsgelände vollständig umgebaut. Das Bahnhofsgebäude erhielt durchgängig zwei Stockwerke und der angebaute Güterschuppen wurde auf die doppelte Größe erweitert. Zudem wurde die Anzahl der durchgehenden Gleise von drei auf sieben erweitert. Der kleine Lokschuppen wurde abgetragen. Ein neuer Schuppen wurde im südwestlichen Bereich des Bahnhofes gebaut. Außer der Lademöglichkeit zur Straße von Tharandt nach Meißen bekam der Bahnhof eine Abstellanlage, bestehend aus fünf Gleisen an der südlichen Bahnhofseinfahrt. Das Ladegleis vor dieser Straße, das umgangssprachlich als Amerikagleis bezeichnet war, wurde bis zu der Einfahrt zur Straße verlängert. Da der Platz sehr beengt war, musste dieses Gleis über eine Drehscheibe bedient werden.
Als 1909 die Schmalspurbahn Wilsdruff–Gärtitz eröffnet wurde, befand sich deren Abzweigweiche vom Bahnhof gesehen hinter der Saubachbrücke. Sie war die einzige Weiche, die fernbedient mit einem Drahtzug gestellt werden musste. Der Bahnhof hatte nun seine größte Ausdehnung erreicht. Bis zum 1973 einsetzenden Gleisrückbau hat es kaum Veränderungen an der Lage der Gleise gegeben.
Das Hauptaufgabengebiet der Bahn um Wilsdruff war der Güterverkehr, für den bedarfsweise Vorspannlokomotiven bereitgehalten werden mussten. Der Personenverkehr war ebenso nicht gering. So wurden 1927 auf dem Bahnhof Kesselsdorf 45.582 Fahrkarten verkauft. Großprojekte wie der Bau des Pumpspeicherwerks Niederwartha erforderten große Transportkapazitäten. Die 1930er Jahre brachten nach einer Stagnation erneut einen gewaltigen Aufschwung. Der Bau der Autobahn erforderte abermals gewaltige Lasttransporte und die Bereitstellung von vielen Lokomotiven für diese Aufgaben. Dieser Mehrbedarf an Lokomotiven wurde größtenteils durch den Lokbahnhof Wilsdruff abgefangen und führte zu Überlegungen der Umspurung des Abschnittes Freital-Potschappel–Wilsdruff. Mit dieser Maßnahme sollte der Bahnhof Wilsdruff als Spurwechselbahnhof ausgebaut werden. Auf Grund des Beginns des Zweiten Weltkrieges kam es dazu allerdings nicht mehr.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Gesamtbetrieb im Wilsdruffer Netz noch sehr hoch, es mussten speziell zur Rübenkampagne große Lasten geschleppt werden. Auf der Strecke Wilsdruff–Meißen mussten zum Beispiel während einer Erntekampagne 45.000 bis 50.000 t Rüben und 15.000 bis 20.000 t andere landwirtschaftliche Produkte befördert werden. Dennoch war der Gesamtbetrieb unrentabel, und die Gesamtlage der Strecken verschlechterte sich langsam. Es gab Bemühungen, den Gesamtbetrieb durch den Einsatz neuer Traktionsmittel effektiver zu gestalten. Sie wurden aber nur halbherzig durchgeführt. Mit der Einstellung der Bahnstrecke nach Meißen ab 1966 verlor der Bahnhof Wilsdruff zusehends an Bedeutung, was schließlich 1972 zur Gesamteinstellung des Wilsdruffer Netzes führte. 1973 wurden alle Gleise abgebaut.
Bahnsteige
Zur Betriebseinstellung hatte der Bahnhof Wilsdruff sieben Gleise, von denen vier als Bahnsteiggleise für den Personenverkehr benutzt wurden. Alle Gleise waren direkt vom Empfangsgebäude aus zugänglich.
Verkehr
Das Kursbuch 1965/1966 gab den Verkehr von zwei Zügen auf der Strecke Wilsdruff – Meißen täglich aus,[3] auf der Schmalspurbahn Freital-Potschappel–Nossen waren zum Jahr 1971 zwischen Freital-Potschappel und Wilsdruff sechs Züge täglich unterwegs, von denen ein Zugpaar bis Nossen durchgebunden war. Weitere zwei Zugpaare verkehrten zwischen Wilsdruff und Nossen.[4]
Bahnbetriebswerk Wilsdruff
Mit der Umplanung der Bahnhofsanlagen im Zuge der Eröffnung der Schmalspurbahn Wilsdruff–Gärtitz wurde der ursprüngliche zweigleisige kleine Lokschuppen des Bahnhofes abgerissen und an der Stelle des heutigen Bahnbetriebswerkes ein zweigleisiger Lokschuppen mit vier Ständen angelegt. Der neue Lokschuppen hatte damals 90 m2 Werkstattfläche, er wurde 1909 vom Potschappler Baumeister Heger erbaut. In den 1920er Jahren wurde der Lokschuppen verlängert und hatte von da an sechs Stände. Durch den Anbau von zwei weiteren Reparaturgleisen und seine Vergrößerung um 300 m2 erhielt das Gebäude in den 1950er Jahren seine heutige Ausdehnung. Gleichzeitig erhielt es seit der Zeit den Status eines Bahnbetriebswerk. Damals hatte das Werk noch ein Kesselhaus, von dem heute nur noch der Schornstein erhalten ist. Die geplante Einführung des Traktionsbetriebes mit Diesellokomotiven hätte eine nochmalige Erweiterung gebracht. Es war eine alternative Schaffung eines Diesellok-Bahnbetriebswerkes an der nordöstlichen Bahnhofsausfahrt geplant, wozu es aber nicht kam.
Arbeitsaufgaben des Bahnbetriebswerkes waren die Lokunterhaltung und die Lokerhaltung der Lokomotiven im Wilsdruffer Netz. Zur Betriebseröffnung waren hier zwei Lokomotiven beheimatet, um die Jahrhundertwende 1899/1900 waren zehn Lokomotiven beheimatet, 1935 betrug der Bestand in Wilsdruff elf Maschinen und zur Betriebseinstellung 1972 waren noch acht Lokomotiven beheimatet.
Nach dem Ende der Lokunterhaltung wurden im Bahnbetriebswerk bis 1996 Zylinderköpfe für Dieselmotoren des Bahnbetriebswerks Dresden aufgearbeitet.
Beheimatete Lokomotiven
Zum Betriebsbeginn startete der Betriebsdienst in Wilsdruff mit zwei Lokomotiven der Gattung I K. Diese kleinen Lokomotiven genügten bald den Anforderungen des wachsenden Betriebsdienstes nicht mehr, und so wurden sie ab 1894 von den stärkeren Gattung IV K abgelöst, die bis zum Ersten Weltkrieg den Gesamtbetrieb im Wilsdruffer Netz übernahmen. Danach genügten diese Lokomotiven nicht mehr den Anforderungen. So gelangten ab 1919 die VI K zum Bahnhof Wilsdruff. Diese Lokomotiven hatten gegenüber den Vorgängern eine Verdopplung der Zugkraft aufzuweisen, ebenso war die wirtschaftlichere Arbeitsweise mit Heißdampf von Vorteil. Diese Lokomotiven, von denen nach 1945 viele modernisiert und sieben Exemplare rekonstruiert wurden, waren von da an die Stammlokomotiven in Wilsdruff und waren hier bis zu der Betriebseinstellung beheimatet.
Es hat vereinzelt Einsätze der DR-Baureihe 99.73–76 in Wilsdruff gegeben, zu einer dauerhaften Beheimatung ist es nicht gekommen. Triebwageneinsatz und Diesellokerprobungen hat es im Wilsdruffer Netz gegeben, sie spielten mit dem Bahnbetriebswerk keine Rolle.
Beheimatete Wagen und Nebenfahrzeuge
Zu Betriebsbeginn bestand der Wagenpark in Wilsdruff aus dreizehn zweiachsigen Personenwagen, neun gedeckten und 26 offenen Güterwagen.[5] 1896 kam es zur Einführung von Rollböcken, um 1910 kamen dann Rollwagen zum Einsatz. Welche Bedeutung das Wilsdruffer Netz hatte, zeigt, dass 1972 zur Betriebseinstellung noch 37 Personenwagen, neun Packwagen, sechs geschlossene und neun offene Güterwagen, vier Schlackewagen, zwei Schneepflüge und 35 Rollwagen vorhanden waren. Das bekannteste erhaltene Fahrzeug ist der Bahnpostwagen Nr. 2680, der 1908 in nur vier Exemplaren hergestellt wurde. Sein Überleben verdankt er dem Einsatz im Hilfszug von Wilsdruff.
Einige Fahrzeuge der Bahnmeistereien gehörten ebenso zum Bestand des Bahnbetriebswerk Wilsdruff. Zu den bekanntesten zählten einige Motordraisinen der Bauart SIMPLEX, eine auf der Basis des Simson KR 50 entwickelte Motordraisine oder ein SKL, der 1960 auf einem Fahrgestell von 1919 aufgebaut worden war.[6]
Heutige Nutzung
1984 wurde mit dem Aufbau der Wilsdruffer Museumsanlage auf dem Gelände des ehemaligen Haltepunkts Wilsdruff Hp begonnen.[7] Neben der vorbildlichen Sanierung der erhaltenen Infrastruktur im gesamten Wilsdruffer Netz wurde von den Aktiven der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V. die Erhaltung und Nutzung des ehemaligen Bahnhofs und Lokschuppens Wilsdruff ins Auge gefasst. Als 1993 von dem Museumszug der Traditionsbahn Radebeul die 99 715 vor dem ehemaligen Kesselhaus des Bahnbetriebswerkes abgelichtet werden konnte, war das offenbar der Start für die Weiternutzung des Lokschuppens als Museum nach der Schließung. Im Jahr 2000 erwarb die Stadt Wilsdruff das Bahnhofsareal zwecks einer weiteren Nutzung. Gemeinsam mit der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V. und dem VSSB wurde eine Ideenskizze zur weiteren Nutzung des Bahnhofsareales erarbeitet. Das Bahnhofsgebäude wurde als Konferenzraum ausgebaut und die ehemaligen Gleisanlagen im Bereich des Lokschuppens wurden als Draisinenstrecke vorgesehen.
2007 wurde mit der Umgestaltung des Lokschuppens als Eisenbahnmuseum begonnen. Heute zeigt sich auf der Fläche von drei Gleisen eine Sammlung von Eisenbahnfahrzeugen und Sachzeugen, die mit dem Eisenbahnbetrieb im Wilsdruffer Netz zu tun hatten. Außerdem wird die Historie der Sächsischen Schmalspurbahnen und des Wilsdruffer Netzes dargestellt.[8]
In unmittelbarer Nähe des Bahnhofes befindet sich der Saubachtalviadukt, der zumindest über die größte Ausdehnung noch erhalten ist. Nur der Bereich über die Parkstraße wurde abgetragen.
- Bahnpostwagen 2680
- Gedeckter vierachsiger Güterwagen
- Motordraisine Bauart Simplex
- Mopeddraisine auf der Basis eines Simson KR 50
- Bauwagen aus der Anfangszeit der Sächsischen Schmalspurbahnen
- Schienensäge
- Läutewerk zur Zugmeldung
Literatur
- Peter Wunderwald: Das Wilsdruffer Schmalspurbahnnetz – über 100 Kilometer Schmalspurstrecken in Mittelsachsen. IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e. V., Freital 1995.
- Peter Wunderwald: Der Bahnhof Wilsdruff – einst zweitgrößter Schmalspurbahnhof Deutschlands. Wilsdruffer Bahnhücher, Nossen 2010.
Weblinks
- Internetseite über die Historie des Bahnhofes Wilsdruff auf der Internetseite der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V.
- Internetseite über die Schmalspurbahn Freital-Potschappel - Wilsdruff - Nossen auf www.sachsenschiene.net
- Internetseite über die Schmalspurbahn Wilsdruff - Meißen auf www.sachsenschiene.net
- Erwähnung der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V. auf www.bahnnostalgie.de
- Wilsdruffer Schmalspurnetz, Erwähnung des Wilsdruffer Netzes auf www.stillgelegt.de
- Erwähnung des Schmalspurbahnmuseums historischer Lokschuppen Wilsdruff
- Plakat über die Aktivitäten der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V.
Einzelnachweise
- Internetseite der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V.
- Peter Wunderwald: Das Wilsdruffer Schmalspurbahnnetz-über 100 Kilometer Schmalspurstrecken in Mittelsachsen; IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V., Freital 1995, Gleisplan Seite 95 oben
- Internetseite über die Schmalspurbahn Wilsdruff – Meißen auf www.sachsenschiene.net
- Internetseite über die Schmalspurbahn Freital-Potschappel - Wilsdruff - Nossen auf www.sachsenschiene.net
- Peter Wunderwald: Das Wilsdruffer Schmalspurbahnnetz-über 100 Kilometer Schmalspurstrecken in Mittelsachsen; IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V., Freital 1995, Seite 78
- Peter Wunderwald: Das Wilsdruffer Schmalspurbahnnetz-über 100 Kilometer Schmalspurstrecken in Mittelsachsen; IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V., Freital 1995, Seite 77
- Internetseite über die Museumsanlage Wilsdruff Haltepunkt auf der Internetseite der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V.
- Internetseite über das Museum historischer Lokschuppen in Wilsdruff auf der Internetseite der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V.