Büste des Eutropios

Als Büste des Eutropios wird eine spätantike Porträtbüste aus Ephesos bezeichnet, die sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet.[1]

Büste des Eutropios, Wien, Kunsthistorisches Museum
Büste des Eutropios, Wien, Kunsthistorisches Museum
Büste des Eutropios, Wien, Kunsthistorisches Museum

Beschreibung

Die Büste ist an der Nase, der rechten Gesichtshälfte und dem Nacken beschädigt. Die erhaltene linke Schulter zeigt Überreste eines Gewands. Der unterlebensgroße Kopf ist langgezogen und zeigt einen erwachsenen, wohl älteren Mann mit Bart und dünnem Gesicht. Auffällig sind die eingesunkenen Wangen und die herabhängenden Mundwinkel. Auf der Spitze des Kopfes finden sich zwei Dübellöcher, von denen eines mit Eisen verfüllt ist.[2]

Fundkontext und Identifikation

Die Marmorstraße in Ephesos (rechts) mit dem Theater im Hintergrund (in den Hügel eingebettet). Hier wurden Büste und Konsole gefunden.

Die 30,5 Zentimeter hohe Büste aus Marmor wurde bei den österreichischen Ausgrabungen am Nordende der sogenannten Marmorstraße in Ephesos vor 1906 gefunden. Ein erster publizierter Hinweis findet sich in einem Ausstellungskatalog von 1916; zu diesem Zeitpunkt war die Büste im Wiener Schloss Belvedere ausgestellt.[3] Sie war unter Schutt von der eingestürzten Südmauer des Theaters von Ephesos begraben und lag auf der Marmorstraße. Auf einer 1905 oder 1906 in der unmittelbaren Nähe gefundenen ebenfalls marmornen Konsole fand sich eine griechische Inschrift mit dem Namen Eutropios (altgriechisch Εὐτρόπιος).[4] Die Büste stand wahrscheinlich auf der Konsole, die über eine Einlassung mit Gusskanal auf der Oberseite verfügt.[5] Die Inschrift lautet übersetzt: „Diesen kleinen Dank für Deine Mühen, die Du auch nachts wachend gern auf Dich nahmest, hast Du erhalten, Eutropios, glänzender Spross des hochheiligen Ephesos, weil Du die Vaterstadt mit Straßen geschmückt hast, die schön mit Steinen gepflastert sind.“[6]

Die Büste wurde nach dem Namen in der Inschrift benannt. Wer dieser Eutropios genau war, ist unbekannt. Nach der Inschrift war er aus Ephesos gebürtig und dort Stifter eines marmornen Straßenbodens. Die in der Inschrift genannten Tätigkeiten gehörten zu den Kernaufgaben spätantiker Statthalter und die schlaflosen Nächte zu den gängigen Topoi bei Ehrungen hoher Beamter. Eutropios war deshalb vermutlich Statthalter (Prokonsul) der Provinz Asia, die in Ephesos ihren Sitz hatte. Das Kreuz am Anfang der Inschrift zeigt außerdem, dass er Christ war. Aus anderen Quellen ist bisher nur ein weiterer Eutropios als Prokonsul von Asia bezeugt: Eutropius, der sich auch als Historiker hervortat und 371/372 proconsul Asiae war. Allerdings stammte er nicht aus Ephesos; außerdem wird die Büste vor allem aus stilistischen Gründen ins 5., nicht ins 4. Jahrhundert datiert.[7]

Aus stilistischen Gründen wird die Büste in die Mitte oder die 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts datiert. Ihr lassen sich weitere verwandte Köpfe anschließen.[8] Wegen ihrer Zusammengehörigkeit kann angenommen werden, dass die ganze Gruppe vermutlich direkt aus ephesischen Werkstätten stammte.[9]

Literatur

  • Fritz Eichler: Das Denkmal des Eutropios von Ephesos. In: Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Band 76, 1939, S. 5–13.
  • Jale İnan, Elisabeth Alföldi-Rosenbaum: Roman and early Byzantine portrait sculpture in Asia Minor. Oxford University Press, London 1966, S. 151–153 Nr. 194 Taf. 181, 1–2.
  • Martin Kovacs: Kaiser, Senatoren und Gelehrte. Untersuchungen zum spätantiken männlichen Privatporträt (= Spätantike, frühes Christentum, Byzanz Reihe B. Band 40). Reichert, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-89500-843-6, S. 143–150. 296 Nr. B 159 Taf. 70, 1. 71, 1.
  • Johanna Auinger: Schauplätze öffentlicher Präsentation ephesischer Eliten in der Spätantike. Zum Aufstellungskontext der Eutropius-Büste. In: Lydia Berger, Felix Lang, Claus Reinholdt, Barbara Tober, Jörg Weilhartner (Hrsg.): Gedenkschrift für Wolfgang Wohlmayr (= Archaeo plus. Band 13). Universität Salzburg, Fachbereich Altertumswissenschaften, Salzburg 2020, ISBN 978-3-9504667-3-7, S. 19–29 (Digitalisat).
Commons: Büste des Eutropios – Sammlung von Bildern
  • Eintrag der Büste in der Datenbank Last Statues of Antiquity der University of Oxford
  • Johanna Auinger: Forschungsdiskussion der Büste in der Datenbank Last Statues of Antiquity der University of Oxford
  • Eintrag der Büste in der Objektdatenbank des Kunsthistorischen Museums Wien

Anmerkungen

  1. Inventarnummer I 880.
  2. Nach Johanna Auinger: Forschungsdiskussion zur Büste auf Last Statues of Antiquity, 2012.
  3. Robert von Schneider: Ausstellung von Fundstücken aus Ephesos im Unteren Belvedere. Ausstellungskatalog. 2. Auflage. Wien 1916, S. 29 Nr. 33. Zur Datierung des Fundes Johanna Auinger: Schauplätze öffentlicher Präsentation ephesischer Eliten in der Spätantike. Zum Aufstellungskontext der Eutropius-Büste. In: Lydia Berger, Felix Lang, Claus Reinholdt, Barbara Tober, Jörg Weilhartner (Hrsg.): Gedenkschrift für Wolfgang Wohlmayr (= Archaeo plus. Band 13). Universität Salzburg, Fachbereich Altertumswissenschaften, Salzburg 2020, ISBN 978-3-9504667-3-7, S. 19–29, hier S. 24 Anm. 46.
  4. Die Inschriften von Ephesos Teil IV (= Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien. Band 14). Bonn 1980, Nr. 1304; Last Statues of Antiquity Nr. 611; PHI.
  5. So seit Fritz Eichler: Das Denkmal des Eutropios von Ephesos. In: Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Band 76, 1939, S. 5–13.
  6. Übersetzung nach Johanna Auinger: Schauplätze öffentlicher Präsentation ephesischer Eliten in der Spätantike. Zum Aufstellungskontext der Eutropius-Büste. In: Lydia Berger, Felix Lang, Claus Reinholdt, Barbara Tober, Jörg Weilhartner (Hrsg.): Gedenkschrift für Wolfgang Wohlmayr (= Archaeo plus. Band 13). Universität Salzburg, Fachbereich Altertumswissenschaften, Salzburg 2020, ISBN 978-3-9504667-3-7, S. 19–29, hier S. 24.
  7. Alexander Sokolicek, Ulrich Gehn: Forschungsdiskussion zur Konsole bei Last Statues of Antiquity. Vgl. auch Clive Foss: Ephesus after Antiquity. A Late Antique, Byzantine and Turkish City. Cambridge University Press, Cambridge 1979, ISBN 0-521-22086-6, S. 5, 27, 61, 63.
  8. Martin Kovacs: Kaiser, Senatoren und Gelehrte. Untersuchungen zum spätantiken männlichen Privatporträt. Wiesbaden 2014, S. 143–150.
  9. So angenommen seit W. Oberleitner: Beiträge zur Geschichte der spätantiken Porträtplastik aus Ephesos. In: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien. Band 47, 1964/1965, S. 5–35.
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