Büchsenmeister
Büchsenmeister (auch: Büchsenschütz, mittellateinisch pixidarius) war im Spätmittelalter, etwa ab Mitte des 14. Jahrhunderts, die Berufsbezeichnung für Handwerker, die gewerbsmäßig Feuerwaffen herstellten und bedienten.
Geschichte
Zu den Aufgaben der Büchsenmeister, deren Tätigkeit mit „Büchsenwerk“[1] bezeichnet wurde, gehörte unter anderem die Herstellung aller Arten von Feuerwaffen, wie Handbüchsen, Kanonen, Mörser und Bombarden. Sie beherrschten das Richten und Laden, die Instandhaltung und Reparatur der Stücke. Daneben stellten sie häufig auch Geschosse, Schwarzpulver und Schutzwaffen her. Büchsenmeister waren meist direkt dem Stadtrat oder dem Landesherren unterstellt und waren in der Regel für den Betrieb des örtlichen Zeughauses verantwortlich. Büchsenmeister waren nicht nur aufgrund ihres technischen Fachwissens von Landesherrn und Städten umworben, sie gehörten auch zu den örtlichen Geheimnisträgern, die genaue taktische Kenntnisse über Schutz und Bewaffnung ihrer Auftraggeber hatten. Um Büchsenmeister in ihren Diensten zu halten, wurden ihnen häufig relativ hohe Vergütungen und Anstellungen auf Lebenszeit geboten. Dies schloss aber nicht aus, dass Büchsenmeister mit Genehmigung ihres Dienstherren auch für andere Auftraggeber arbeiteten.[2] Sie nahmen als Artilleristen[3] an Kriegszügen teil. Zahlreiche Büchsenmeister arbeiteten als reisende Handwerker oder Söldner für wechselnde Auftraggeber. Frühe Büchsenmeister rekrutieren sich höchstwahrscheinlich aus technisch verwandten Berufen wie Schmieden, Glockengießern und Schlossern.
In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts erfolgte, aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklung, eine weitere Spezialisierung auf dem Gebiet der Feuerwaffen. Für einzelne Tätigkeiten der Büchsenmeister, wie der Geschützguss oder die Pulverherstellung, bildeten sich eigene Berufsgruppen wie Stückgießer, Büchsenmacher, Büchsenschäfter und Pulvermacher heraus, welche sich dann teilweise auch zünftig organisierten. Büchsenmacher wurden im 16. Jahrhundert zunächst als untergeordnete Berufsgruppe in die Zunft der Schmiede, Schlosser und Schleifer, zu der im 17. Jahrhundert auch die Uhrmacher hinzukamen, eingegliedert.[4] Die Spezialisierung entwickelte sich zunächst in den großen landesherrlichen Heeren, während sie im überschaubareren städtischen Bereich langsamer und mit einer zeitlichen Verzögerung erfolgte.[2]
Überlieferung
Zu den gegenwärtig bekanntesten Büchsenmeistern zählen Konrad Kyeser (1366–1405), Abraham von Memmingen (Büchsenmeister des Herzogs Friedrich von Tirol, Verfasser eines 1410 erschienenen Feuerwerkbuches[5]), Hanns Henntz,[6] Johannes Formschneider (vor 1420 – nach 1470), Martin Merz (1425–1501) oder Franz Helm (16. Jahrhundert), deren handschriftliche Aufzeichnungen in zahlreichen Abschriften bis heute vorliegen. Ihre Bellifortis, Kriegs- und Büchsenmeisterbücher bezeichneten Werke gehörten zu den frühesten Beispielen technischer Fachbücher in deutscher Sprache. Weitverbreitet war das Feuerwerkbuch von 1420,[7] dessen Inhalte in weiteren Werken, etwa unter Titeln wie „Büchsenmaisterey“, gekürzt, modifiziert oder ergänzt wiederzufinden sind.[8][9][10] Daneben beinhalten zahlreiche Rechnungsbücher der Kämmereien detaillierte Aufzeichnungen über Ausgaben für Büchsenmeister und ihre Arbeiten. Der bairische Büchsenmeister Johann Praunberger[11] war als Feuerwerker im 15. Jahrhundert vor allem auf die Zubereitung von Schwarzpulver spezialisiert und verfasste einen Text zur Herstellung von Salpeter.
- Konrad Kyeser (1366–1405)
- Martin Merz (1425–1501)
- Conrad Haas (1509–1576)
- Hans Guhle, 1618
Trivia
Die Berufsbezeichnung des Büchsenmeisters wurde (wie die des Armbrusters) ebenfalls als Familienname übernommen.[2]
Siehe auch
Literatur
- Rainer Leng: getruwelich dienen mit Buchsenwerk. Ein neuer Beruf im späten Mittelalter: Die Büchsenmeister. In: Dieter Rödel, Joachim Schneider (Hrsg.): Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter: Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg. Reichert, Wiesbaden 1996, ISBN 3-88226-883-2, S. 302–321.
- Volker Schmidtchen: Pixen, Kriegsrüstung, Sturmzeug und Feuerwerch (Kriegs- und Pixenwerch). In: Verfasserlexikon. Band VII, Sp. 711 f.
- Volker Schmidtchen: Bombarden, Befestigungen, Büchsenmeister: Von den ersten Mauerbrechern des Spätmittelalters zur Belagerungsartillerie der Renaissance. Droste, Düsseldorf 1977, ISBN 3-7700-0471-X.
- Wilhelm Hassenstein: Das Feuerwerksbuch von 1420. 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Büchsenmeisterei. Neudruck des Erstdrucks aus dem Jahr 1529 (erschienen im gleichen Jahr bei Egenolph in Straßburg unter dem Titel Büchsenmeysterei) mit Übertragung ins Hochdeutsche und Erläuterungen, München 1941, zum Begriff Büchsenmeister insbesondere S. 41, 47–49 (zum Beruf des Büchsenmeister, unter anderen „[…] welches Wesen und gute Gewohnheit ein jeglicher guter Büchsenmeister an sich haben soll“ und „wie sich ein Meister halten soll, wenn er mit dem Pulver umgeht“), 56, 95–102 (Erläuterungen zu den Verhaltensregeln für Büchsenmeister und Die 12 Büchsenmeisterfragen) und 155.
- Eugène Heer, Ellen Ducommun (Hrsg.): Der neue Støckel. Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400–1900. 3 Bände, Journal-Verlag Schwend, Schwäbisch Hall 1978–1982.
Weblinks
- Literatur von und über Büchsenmeister im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Von der Büchsenmeisterei (Memento vom 22. Januar 2005 im Internet Archive) − www.intermundus.de – Verein für lebendige Geschichte (aufgerufen am 10. Januar 2013)
- Meyer, Friedrich: Büchsenmeister- und Feuerwerksbuch – BSB Cgm 8143
- Ferdinand Nibler, das Feuerwerksbuch, 2005, mit Abdruck des Textes des Drucks (1529 in Augsburg bei Heinrich Stainer) und der Freiburger Handschrift MS 362 von 1432, auf dem es basiert.
Einzelnachweise
- Volker Schmidtchen: Büchsenwerk. In: Burghart Wachinger u. a. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2., völlig neu bearbeitete Auflage, Band 1 (A solis ortus cardine – Colmarer Dominikanerchronist). De Gruyter, Berlin/New York 1978, ISBN 3-11-007264-5, Sp. 1110 f. (zur Handschrift Dise nach geschribnen stück und künst ist nuwe Buchsen werck ist sy genant)
- Rainer Leng: getruwelich dienen mit Buchsenwerk. Ein neuer Beruf im späten Mittelalter: Die Büchsenmeister. In: Dieter Rödel, Joachim Schneider (Hrsg.): Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg. Reichert, Wiesbaden 1996, ISBN 3-88226-883-2, S. 302–321.
- Vgl. auch Die Freiheyt der Artelarei. In: Büchsenmeysterei. Christian Egenolffs Erben, 1582, S. 66–77; ediert auch in: Wilhelm Hassenstein, Hermann Virl: Das Feuerwerkbuch von 1420. 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Büchsenmeisterei. 1941, S. 179–182.
- Hans-Peter Trenschel: Die Würzburger Zunft der Schlosser, Büchsen-, Uhr- und Windenmacher. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände; Band 2: Vom Bauernkrieg 1525 bis zum Übergang an das Königreich Bayern 1814. Theiss, Stuttgart 2004, ISBN 3-8062-1477-8, S. 448–453.
- Wilhelm Hassenstein, Hermann Virl: Das Feuerwerkbuch von 1420. 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Büchsenmeisterei. Neudruck des Erstdruckes aus dem Jahr 1529 mit Übertragung ins Hochdeutsche und Erläuterungen von Wilhelm Hassenstein. Verlag der Deutschen Technik, München 1941, S. 79.
- Wilhelm Hassenstein, Hermann Virl: Das Feuerwerkbuch von 1420. 1941, S. 81.
- Volker Schmidtchen: Feuerwerkbuch von 1420. In: Burghart Wachinger u. a. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2., völlig neu bearbeitete Auflage, Band 2 (Comitis, Gerhard – Gerstenberg, Wigand). De Gruyter, Berlin/ New York 1980, ISBN 3-11-007264-5, Sp. 728–731.
- Volker Schmidtchen: Schongau, Konrad. In: Verfasserlexikon. 2. Aufl., Band 8, Sp. 824 f. (zu Konrad Schongau, dem Verfasser einer der frühesten Bearbeitungen des Feuerwerkbuches von 1420)
- Volker Schmidtchen: Feuerwerker- und Büchsenmeisterbuch. In: Verfasserlexikon. 2. Aufl., Band 2, Sp. 731–733.
- Volker Schmidtchen: Feuerwerkkunst. In: Verfasserlexikon. 2. Aufl., Band 2, Sp. 733.
- Gundolf Keil: Praunperger, Johann(es). In: Verfasserlexikon. 2. Aufl., Band 7, Sp. 809 f.