Schalom Ben-Chorin

Schalom Ben-Chorin (hebräisch שלום בן-חורין, übersetzt: „Friede, Sohn der Freiheit“; geboren am 20. Juli 1913 in München als Fritz Rosenthal; gestorben am 7. Mai 1999 in Jerusalem) war ein deutsch-israelischer Rabbiner,[1] Journalist und Religionswissenschaftler. Ben-Chorin setzte sich vor allem für den christlich-jüdischen Dialog, die Überwindung des Antijudaismus und Antisemitismus und für die Möglichkeit einer Theologie nach Auschwitz ein. Seine Wahlheimat war Israel.

Schalom Ben-Chorin (1975)
Gedenktafel Geburtshaus Schalom Ben Chorin in München, Zweibrückenstr. 8

Leben

Schalom Ben-Chorin stammte aus einer gebildeten akkulturierten Münchner jüdischen Kaufmannsfamilie. Nach dem Abitur an der Luitpold-Oberrealschule in München[2][3] studierte er von 1931 bis 1934 Germanistik und vergleichende Religionswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1935 emigrierte er nach Palästina. Von 1935 bis 1970 war er Journalist. Er gründete 1958 die erste jüdische Reformgemeinde Israels in Jerusalem (Har-El Gemeinde) und war 1961 Mitgründer der AG Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. 1970 bis 1987 war er Dozent und Gastprofessor in Jerusalem, Tübingen und München. Als sich 1975 der Verband deutschsprachiger Schriftsteller Israels (VdSI) zusammenschloss, gehörte er dem fünfzehnköpfigen Gründungskomitee an.

Ehrungen

Für seine theologischen und schriftstellerischen Verdienste erhielt er zahlreiche Ehrungen, darunter:

Familie

Schalom Ben-Chorin heiratete an Schawuot 1935 Gabriella Rosenthal[5] (1913–1975). Die Ehe wurde 1943 geschieden. Ihr Sohn war der Rabbiner Tovia Ben-Chorin (geboren 1936 in Jerusalem; gestorben 2022 in St. Gallen).

1943 heiratete Schalom Ben-Chorin Avital (geboren als Erika Fackenheim am 25. Februar 1923 in Eisenach, gestorben am 6. Oktober 2017 in Haifa),[6] die 1936 aus Deutschland nach Palästina geflohen war. Avital und Schalom Ben-Chorin leiteten die ersten offiziellen Delegationen israelischer Jugendlicher, die Deutschland besuchten, und legten damit den Grundstein für den deutsch-israelischen Jugendaustausch.[7] 2012 wurde Avital Ben-Chorin die Ehrenbürgerwürde ihrer Geburtsstadt Eisenach verliehen,[8] 2013 das Bundesverdienstkreuz.

Nachlass

Der schriftliche Nachlass Schalom Ben-Chorins an Manuskripten und Korrespondenz befindet sich im Literaturarchiv Marbach, wo er wissenschaftlich erschlossen wird. Die Einrichtung seines Arbeitszimmers und seine umfangreiche Bibliothek wurden von Jerusalem nach München gebracht und sind seit 2009 im dortigen Stadtarchiv zu sehen.[9]

Schriften (Auswahl)

  • Die seltsame Gemeinde. Ein Legendenkreis. Heim Verlag Dreßler, Radolfzell 1931.
  • Jenseits von Orthodoxie und Liberalismus. Versuch über die jüdische Glaubenslage der Gegenwart. Goldstein, Tel Aviv 1939.
  • Israel. In: Gustav Keckeis (Hrsg.): Lexikon der Frau. Band 2. Encyclios, Zürich 1954, Sp. 107–111.
  • Die Antwort des Jona. Zum Gestaltwandel Israels. Ein geschichts-theologischer Versuch (= Theologische Forschung. 11, ISSN 0495-4513). Reich, Hamburg 1956.
  • Im jüdisch-christlichen Gespräch. Vogt, Berlin 1962.
  • Zwiesprache mit Martin Buber. Ein Erinnerungsbuch. List, München 1966.
  • Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht. List, München 1967.
  • Paulus. Der Völkerapostel in jüdischer Sicht. List, München 1970.
  • Mutter Mirjam. Maria in jüdischer Sicht. List, München 1971, ISBN 3-471-77137-9.
  • Der dreidimensionale Mensch. Der Mensch der Bibel und der Moderne. Paulinus-Verlag, Trier 1971.
  • Ich lebe in Jerusalem. List, München 1972, ISBN 3-471-77141-7.
  • Jugend an der Isar. List, München 1974, ISBN 3-471-77147-6.
  • Jüdischer Glaube. Strukturen einer Theologie des Judentums anhand des Maimonidischen Credo. Tübinger Vorlesungen. Mohr, Tübingen 1975, ISBN 3-16-137471-1.
  • Die Tafeln des Bundes. Das Zehnwort vom Sinai. Mohr, Tübingen 1979, ISBN 3-16-141332-6.
  • Betendes Judentum. Die Liturgie der Synagoge. Münchener Vorlesung. Mohr, Tübingen 1980, ISBN 3-16-143062-X.
  • Franz Rosenzweig und das Ende des deutschen Judentums. In: Franz Rosenzweig (= Kasseler Universitätsreden. 2). Gesamthochschul-Bibliothek, Kassel 1987, ISBN 3-88122-349-5, S. 3ff.
  • Weil wir Brüder sind. Zum christlich-jüdischen Dialog heute. Bleicher, Gerlingen 1988, ISBN 3-88350-231-6.
  • Die Erwählung Israels. Ein theologisch-politischer Traktat. Piper, München u. a. 1993, ISBN 3-492-03630-9.
  • mit Michael Langer: Die Tränen des Hiob. Tyrolia, Innsbruck u. a. 1994, ISBN 3-7022-1939-0 (Mit Farbfotos von Hans-Günther Kaufmann).
  • Gedichte (= Literarische Broschur. 12.) Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Gerhard Ott. Verlag Michaelsbund, München 2007, ISBN 978-3-939905-01-1.

Musikalische Rezeption

Das aktuelle (Stand 2023) Evangelische Gesangbuch (eingeführt 1993–1996) enthält mit der Nr. 237 das Lied Und suchst du meine Sünde mit dem 1966 verfassten Text von Schalom Ben-Chorin (Melodie: Kurt Bossler). Nach dem gleichen Text wurde in der Neuausgabe (2013) des deutschsprachigen katholischen Gesangbuchs Gotteslob das Lied mit der Nr. 274 aufgenommen (Melodie Christian Dostal).

Etliche Regionalteile des Evangelischen Gesangbuches und das Gesangbuch „Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder - plus“[10] enthalten das Lied Freunde, dass der Mandelzweig mit einem 1942 von Ben-Chorin verfassten Text und einer 1981 ergänzten Melodie von Fritz Baltruweit.[11] Das Lied erklang auch bei der Trauerfeier für den Schriftsteller in Jerusalem.[12]

Literatur

  • Heinz M. Bleicher (Hrsg.): Der Mann, der Friede heißt. Begegnungen, Texte, Bilder für Schalom Ben-Chorin. (Aus Anlass seines 70. Geburtstages im Juli 1983). Bleicher, Gerlingen 1983, ISBN 3-88350-227-8.
  • Ben-Chorin, Schalom. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 1: A–Benc. Herausgegeben vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München u. a. 1992, ISBN 3-598-22681-0, S. 466–488.
  • Sven Christian Puissant: SCHALOM BEN-CHORIN (Fritz Rosenthal). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 21, Bautz, Nordhausen 2003, ISBN 3-88309-110-3, Sp. 1303–1306.
  • Verena Lenzen: Schalom Ben-Chorin. Ein Leben im Zeichen der Sprache und des jüdisch-christlichen Gesprächs (= Jüdische Miniaturen. 142). Hentrich & Hentrich, Berlin 2013, ISBN 978-3-95565-021-6.
  • Felix Schölch: Hochzeitsreise ins Gelobte Land. Die Emigration Schalom Ben-Chorins und Gabriella Rosenthals. In: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur. Bd. 15 (2021), Heft 1.
  • Felix Schölch: Schalom Ben-Chorins frühes Wirken im christlich-jüdischen Dialog. In: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur. Bd. 17 (2023), Heft 1.
Commons: Schalom Ben-Chorin – Sammlung von Bildern

Fußnoten

  1. Ich bin bereit, mit jedem zu sprechen, der bereit ist, an allem zu rütteln. In: Tagblatt abgerufen am 1. März 2024
  2. Schalom Ben-Chorin (20.07.1913 - 07.05.1999). Abgerufen am 14. Juli 2021.
  3. Erich Hage (Hrsg.): 1891–1991 Luitpold-Gymnasium München. Festschrift zum Jubiläum. München 1991, S. 53.
  4. Stiftung Bibel und Kultur – Auszeichnungen. Abgerufen am 27. Dezember 2019.
  5. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 24. März 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.juedisches-museum-muenchen.de abgerufen am 25. März 2020
  6. Avital Ben-Chorin ist tot: Eisenach trauert um seine Ehrenbürgerin. In: Focus Online. 9. Oktober 2017, abgerufen am 17. Oktober 2018.
  7. Interview mit Avital Ben-Chorin im Portal israelis-und-deutsche.de, abgerufen am 4. November 2017.
  8. Eisenach ehrt Avital Ben-Chorin mit Verleihung der Ehrenbürgerrechte, Thüringer Allgemeine, 9. August 2012, abgerufen am 4. November 2017.
  9. Arbeitszimmer und Bibliothek von Schalom Ben-Chorin In: Landeshauptstadt München, abgerufen am 9. Oktober 2018.
  10. Strube Verlag München, 2018
  11. https://www.evangeliums.net/lieder/lied_freunde_dass_der_mandelzweig_das_zeichen.html
  12. https://www.evangelisch.de/inhalte/178530/26-11-2020/der-kirchenlieder-macher
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.