Ausschreitungen in Quedlinburg 1992
Die Ausschreitungen in Quedlinburg im September 1992 fanden im Zuge der Flüchtlingskrise während der Jugoslawienkriege statt. Sie stellen ein Ereignis in einer Serie rechtsextremer Vorfälle Anfang der 1990er Jahre im wiedervereinigten Deutschland dar, wie die Ausschreitungen in Hoyerswerda und von Rostock-Lichtenhagen.
Vorgeschichte
Quedlinburg nahm nach der Wende eine ähnliche Entwicklung wie weite Teile Ostdeutschlands. Die ehemaligen Großbetriebe wurden geschlossen und es kam zu Massenentlassungen, sodass innerhalb kurzer Zeit Arbeitslosenquoten von ca. 30 % herrschten. Durch Perspektivlosigkeit und Langeweile hatten rechtsextreme Gruppen einen starken Zulauf.
In Südosteuropa eskalierten parallel im Zuge des Zerfalls der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien die Spannungen zwischen den in diesem Staat lebenden Serben, Kroaten, Bosniern und weiteren Gruppen. Diese Situation eskalierte in den Jugoslawienkriegen, in deren Folge Kriegsverbrechen wie der Völkermord von Srebrenica begangen wurden. Die Bundesrepublik Deutschland nahm infolgedessen 350.000 Kriegsflüchtlinge[1] aus dieser Region auf. Wie in vielen Städten auch waren diese in Quedlinburg in zentralen Unterkünften untergebracht.
Vorfälle
Am Mittwoch, den 9. September 1992 verbreitete sich über Telefonanrufe die Meldung, dass Rechtsextreme vor einer der beiden Asylbewerberunterkünfte in der Oeringer Straße aufmarschierten und diese belagerten. Sie warfen mit Steinen und Molotowcocktails und nahmen dabei in Kauf, die Unterkunft in Brand zu stecken.
Es bildete sich eine Mahnwache als Gegenprotest durch ehemalige DDR-Bürgerrechtler, Christen und Linksautonome. Ungefähr 60 bis 80 von ihnen stellten sich schützend vor die Unterkunft. Dabei wurden sie mit Steinen beworfen und mehrfach angegriffen. Währenddessen wurden die Rechtsextremen von beiwohnenden Rentnern begrüßt und beklatscht.
Die herbeigerufene Polizei der Region konnte die Lage nicht beruhigen. Es wurde der Ausnahmezustand verhängt.
Erst am dritten Tag der Krawalle schickte die Landesregierung Sachsen-Anhalts die Bereitschaftspolizei nach Quedlinburg. Diese zeigte nur Präsenz gegenüber den Rechtsextremen, griff jedoch nicht ein, während Steine auf die Mahnwache flogen. Nach dem Vorwurf des Einsatzleiters, dass sich die Mahnwache mutwillig in eine Gefahrensituation begeben habe, kam es im Landtag in Magdeburg zu Diskussionen und Rücktrittsforderungen gegenüber dem Innenminister Perschau (CDU). Dieser trat jedoch erst ein Jahr später wegen der Gehälteraffäre zurück.
In einer Nacht- und Nebelaktion wurde auf Anordnung des Innenministeriums in Magdeburg die Asylbewerberunterkunft eine Woche nach Beginn der Krawalle geräumt. Quedlinburg galt wegen seiner rechtsextremen Szene noch lange als „Nazi-Hochburg“ im Osten.
Siehe auch
- Mordanschlag von Mölln, 23. November 1992
- Mordanschlag von Solingen, 29. Mai 1993
Literatur
- Hendrik Kranert-Rydzy: Ausschreitungen in Quedlinburg: Schatten der Vergangenheit. In: Mitteldeutsche Zeitung. 4. September 2012, abgerufen am 5. Februar 2022.
- Mitteldeutscher Rundfunk: Angriffe auf Asylbewerberheim. In: mdr.de. 15. November 2017, abgerufen am 5. Februar 2022.
Einzelnachweise
- Claudia Grimmer: Die 90er in Deutschland; Da war doch was? In: br.de. 11. September 2015, abgerufen am 5. Februar 2022.