Artur Guttmann

Artur Guttmann (* 21. August[1] 1891 in Wien; † 3. September 1945 in Los Angeles) (Pseudonyme: Otto Erwin, Otto Erwin Kulm) war ein österreichischer Kapellmeister und Filmkomponist.

Leben und Werk

Der Sohn eines Musikers wurde von Josef Labor, Josef Sulzer und Karl Gille ausgebildet.[2] Er begann seine künstlerische Laufbahn 1909 als Leiter des Knabenchores an der Wiener Volksoper. 1912 wurde er Kapellmeister am Johann Strauß-Theater, wo er bis 1914 blieb. Nach Kriegsende dirigierte er unter anderem ab 1919 in Berlin an der alten Komischen Oper, am Central-Theater (1921/22) und am Theater im Admiralspalast (1931),[3] bis zu seiner Emigration leitete er dann das Orchester des Ufa-Palasts am Zoo.[4]

Während der 1920er Jahre spielte Guttmann in Berlin auch zu öffentlichen Veranstaltungen mit seinen „Jazz-Symphonikern“ auf.[5]

Guttmann war als Dirigent auch gern gehörter Gast am Berliner Rundfunk.[6] Bei der Lindström-Marke Odeon machte er zwischen Juni 1928 und Oktober 1929 etwa 40 Plattenaufnahmen, bei denen er die „Universum-Sinfoniker“ bzw. das „UFA Sinfonie-Orchester“ dirigierte.

Seit Mitte der 1920er Jahre komponierte er Begleitmusik für Stummfilme und dirigierte die Kinoorchester in Berliner Lichtspielhäusern.[7] Mit Beginn des Tonfilmzeitalters wurde er zu einem der frequentiertesten Komponisten im deutschsprachigen Film.[8] Meist arbeitete Guttmann dabei mit Kollegen zusammen, so z. B. mit Friedrich Hollaender und Will Meisel bei der Tonfilmfassung des Dramas Der Andere von 1930, mit Franz Wachsmann bei Scampolo, ein Kind der Straße oder mit Allan Gray bei Die Gräfin von Monte Christo,[9] beide 1932.

Bei der ersten Verfilmung des Romans „Berlin-Alexanderplatz“ von Alfred Döblin 1931 dirigiert er die Aufnahme der Filmmusik von Allan Gray. Seine eigene Komposition dirigierte er bei dem Historiendrama Danton in der Regie von Hans Behrendt 1931, bei dem Carl-Boese-Schwank Meine Cousine aus Warschau 1931[10] oder der Krisen-Komödie Man braucht kein Geld 1932.

Seine Tonfilmschlager wurden von ersten Kapellen seiner Zeit wie dem Jazzorchester von Theo Mackeben, dem Tanzorchester von Paul Godwin oder dem Marek-Weber-Orchester gespielt, von Künstlern wie Fritzi Massary, Trude Berliner oder Paul O’Montis interpretiert und auf der Schallplatte der Nachwelt überliefert.

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 kehrte der jüdischstämmige Guttmann nach Wien zurück; 1936 emigrierte er über Spanien auf Einladung der Filmfirma MGM in die USA.[11][12][13]

In Hollywood fungierte er einige Male als musikalischer Leiter, erhielt aber nur zweimal Aufträge zu eigenen Kompositionen. Seine letzte Arbeit war die Musik zu dem Anti-Goebbels-Film Enemy of Women 1944.[14]

Artur Guttmann ist weder zu verwechseln mit dem Chordirigenten Alfred Guttmann (1873–1951) noch mit dem österreichischen Theaterschauspieler Arthur Guttmann (1877–1956).[15][16][17]

Filmografie

Kompositionen außerhalb des Films

  • Die Studenten-Leni. Operette. Uraufführung Wien, 1909
  • Wohin es noch führen wird oder Das Zuckergoscherl. Operette, Text Fritz Löhner-Beda, Musik nach Motiven Richard Wagners. Uraufführung Wien, 1918
  • Pantomimen
  • Lieder[21]

Tondokumente (Auswahl)

  • Odeon O-2825 a (Matrizennummer Be 8049) Die Hochzeit der Winde. Walzer (John T. Hall)
  • Odeon O-2825 b (Matrizennummer Be 6936-2) Faszination. Walzer (F. D. Marchetti)

“Artur Guttmann mit seinen Universum-Sinfonikern” Aufgenommen 28. Februar 1929 (a) / 26. September 1928 (b)

  • Odeon O-11 492 a (Matrizennummer Be 8051) Ungarische Lustspiel-Ouvertüre / Kéler Béla
  • Odeon O-11 492 b (Matrizennummer Be 8164) Frühlingslied / Musik: Felix Mendelssohn Bartholdy

“Artur Guttmann mit seinen Universum-Sinfonikern.” Aufgenommen 28. Februar 1929 (a) / 25. April 1929 (b), Berlin

  • Odeon O-6664 a (Matrizennummer xxB 8135-2) Ouverture zu “Im Reiche des Indra” (Paul Lincke)
  • Odeon O-6664 b (Matrizennummer xxB 8136-2) Ouverture zu “Berlin wie es weint und lacht” (August Conradi)

“UFA-Sinfonie-Orchester, Leitung: Artur Guttmann.” Aufgenommen 26. September 1928, Berlin

  • Ultraphon A 531 (Matrizennummer 10 984) Küsse mich, wenn du mich lieb hast. Lied u. Tango (Guttmann, Meisel u. Schwabach) aus dem Tonfilm "Der Andere". Juan Llossas mit seinem Tango-Orchester. Refraingesang: Walter Jurmann. Aufgenommen im Mai 1930.
  • Ultraphon A 1076 (Matrizennummer 18 260) Für die große Liebe hab ich keine Zeit! English Waltz, aus dem Tonfilm "Durchlaucht amüsiert sich" / Musik von Artur Guttmann, Text von Charles Amberg. Efim Schachmeister mit seinem Jazz-Orchester, Refraingesang: Eric Helgar. Aufgenommen im März 1932.
  • Electrola EG 1768 / 60-812 (Matrizennummer BLR 6030-I) Denkst du noch an mich, mein liebes kleines Mädel? English Waltz aus dem Tonfilm Das Donkosakenlied (Artur Guttmann). Spez. Arrangement von K. Ettlinger. Marek Weber und sein Orchester. Aufgenommen im Februar 1930 in der Singakademie zu Berlin.

Klangbeispiele

  • Im Liebesfalle. Einlage aus der Operette “Madame Pompadour” von Arthur Guttmann, Text nach Julius Freund von Rudolf Schanzer und Erich Welisch. Fritzi Massary, Sopran in Deutsch mit Orchester. Electrola EW 35 / 8-43084 (Matrizennummer BK 2707-II). Aufgenommen 10. Januar 1928
  • Die Susi bläst das Saxophon. Foxtrot (Rudolf Nelson) Odeon-Tanzorchester unter Leitung von Artur Guttmann; Gesang von Paul O’Montis. Odeon A 160 069 a = O-2648 (Matrizennummer B 7488) – Aufgenommen am 31. Oktober 1928
  • Boxerlied aus dem Film "Liebe im Ring" (Artur Guttmann, Text von Fritz Rotter). Theo Mackeben mit seinem Jazz-Orchester. Refraingesang: Robert Koppel. Ultraphon A 379 (Matrizennummer 10 701). Aufgenommen im Februar 1930
  • Der Soldat ist treu. Marschlied aus dem Tonfilm "Drei Tage Mittelarrest" (Guttmann, Dostal u. Amberg) Paul Godwin Tanz-Orchester, Refraingesang John Hendrik. Grammophon 23 959 (Matrizennummer 3481 BR-II) – 1931
  • Für die grosse Liebe hab ich keine Zeit. Lied und English Waltz aus dem Tonfilm "Durchlaucht amüsiert sich" (A. Guttmann – Ch. Amberg) Trude Berliner, begleitet vom Orchester Paul Godwin. Grammophon 24 450 A (Matrizennummer 4302 BR). Aufgenommen Anfang 1932 in Berlin.

Literatur

  • Franz Wallner-Basté: Besprechungen von Filmmusik (BZ, Berliner Tageblatt, Leipziger Illustrierte Zeitung). In: Herbert Birett: Stummfilm-Musik. Anhang, S. 161–187.
  • Herbert Birett: Stummfilm-Musik. Materialsammlung. Deutsche Kinemathek, Berlin 1970.
  • Gero Gandert: 1929 – der Film der Weimarer Republik. Verlag Walter de Gruyter, 1993, ISBN 3-11-085261-6.
  • Künstler am Rundfunk: ein Taschenalbum der Zeitschrift „Der Deutsche Rundfunk“. Unseren Lesern gewidmet. Verlag Rothgiesser & Diesing, Berlin, 1932.
  • Stengel, Gerigk: Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen. Theo Stengel, Herbert Gerigk (Bearb.) (= Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Band 2). Bernhard Hahnefeld, Berlin 1941 (1. Auflage 1940, antisemitische Publikation).
  • Rudolf Ulrich: Österreicher in Hollywood. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Filmarchiv Austria, ISBN 3-901932-29-1.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Band 3: F–H. John Barry Fitzgerald – Ernst Hofbauer. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 451 f.
  • Kay Weniger: „Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …“. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. S. 222 f. ACABUS Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8.

Einzelnachweise, Anmerkungen

  1. Laut IMDb 27. August
  2. Paul Frank: Kurzgefasstes Tonkünstler-Lexikon. Regensburg 1936
  3. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1920, 1922, 1931
  4. Gottfried Reinhardt: Der Apfel fiel vom Stamm. Langen Müller, München 1992, S. 343/44
  5. z. B. am 4. Februar 1928 im Sportpalast zum „Hofball bei Zille“ abwechselnd mit zehn weiteren Kapellen, oder am 18. Februar 1928 ebenda beim „Gesindeball“ in Schöneberg. 1928. In: Jahreskalender des Luisenstädtischen Bildungsvereins.
  6. Taschenalbum Künstler am Rundfunk, 1932, S. 239; dort auch ein Photo des Künstlers (Atelier Heuchel)
  7. Birett: Anhang, Kritiken zu Guttmanns Dirigententätigkeit im Kino von Dr. Franz Wallner-Basté in der B.Z. am Mittag u. a. Bll., auf S. 162, 165, 172, 177.
  8. Im Jahre 1930. Hochflut der leichten Musik. In: Film-Kurier, 14. Januar 1931: „Dr. Becce übernahm die Gesamtleitung für einen Trenker-Film, Paul Dessau arbeitete für die Tauber-Produktion. Auch Schmidt-Gentner stellte sich schnell um. Er lieferte für eine ganze Reihe von Filmen musikalische Beiträge. Ihn übertraf an Filmzahl Artur Guttmann, während Schmidt-Boelcke nur für drei Filme zeichnet.“
  9. filmportal
  10. filmportal
  11. Stengel, Gerigk, Sp. 105, gibt für ihn das Pseudonym Otto Erwin Kulm an.
  12. exil. „Viele österreichische Musiker, die in Deutschland arbeiteten, kehrten nach Hitlers Machtübernahme (zunächst) in ihre Heimat zurück (u. a. Paul Abraham, Gitta Alpár, H. Gál, R. Stolz, Artur Guttmann [1891–1945]); deutsche Musiker retteten sich vor der Verfolgung nach Österreich (prominentestes Beispiel: Bruno Walter); alle zusammen, auch die noch unbehelligten Österreicher, verloren die Einnahmequelle des großen deutschen ‚Marktes‘ …“
  13. nachdem er sich zuletzt an der Komposition zu der Emigranten-Komödie „Fräulein Lilli“ (Österreich 1936, mit Franziska Gáal, Musik u. a. von Stephan Weiss, Fritz Spielmann, Hans J. Salter) beteiligt hatte. Weniger, S. 222.
  14. Weniger, S. 222/223.
  15. Alfred Guttmann (* 30. Juli 1873 in Posen; † 21. Dezember 1951 in Sykkylven, Norwegen), Sänger, Dirigent, Komponist, Musikschriftsteller, Arzt.
  16. z. B. das im UFA-Theater am Zoo. Birett, S. 130–131.
  17. Weniger, S. 223.
  18. Franz Wallner-Basté: Rezension. In: Filmmusik-Rundschau, 7. Juni 1926: „… dank Artur Guttmann, bei dem es keine Nachlässigkeiten gibt …“ bei Birett: Anhang S. 162.
  19. Franz Wallner-Basté: Rezension. In: Filmmusik-Rundschau, 15. Juli 1926: „Guttmann schildert ‚Männer vor der Ehe‘ mit verständnisvollem Behagen …“ bei Birett: Anhang S. 165.
  20. Untertitel „Der Mann in Fesseln“. Kritik von Werner Bonwitt an den von Guttmann komponierten Gesangseinlagen in der B.Z. am Mittag, 3. Januar 1930, wiedergegeben bei Gandert, 1929, S. 518.
  21. Paul Frank: Kurzgefasstes Tonkünstler-Lexikon. Regensburg 1936, S. 218 und Karin Ploog: Als die Noten laufen lernten. Books on Demand, 2015, ISBN 978-3-7347-4508-9, S. 351
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