Arthrofibrose
Eine Arthrofibrose (altgriechisch ἄρθρον arthron, deutsch ‚Gelenk‘ und lateinisch fibra ‚Faser‘) ist die Bezeichnung für eine krankhafte Vermehrung von Bindegewebe (Fibrose), aufgrund von inflammatorischen Prozessen innerhalb eines Gelenkes (intraartikulär). Es ist eine häufige Komplikation nach arthroskopischen Interventionen im Kniegelenk, insbesondere nach einer Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes, aber auch nach Implantation von Kniegelenk-Endoprothesen.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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M24.6 | Arthrofibrose |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Man unterscheidet zwischen der das ganze Gelenk befallenden primären Arthrofibrose und der lokalen sekundären Arthrofibrose.[1]
Ätiologie
Während die Ursachen, die zu einer primären Arthrofibrose führen, noch weitgehend unklar sind,[2] sind die Pathomechanismen, die zu einer sekundären Arthrofibrose führen, bekannt.
Die sekundäre Form tritt lokal im Kniegelenk auf und ist meist die Folge eines mechanischen Problems, beispielsweise eines falsch platzierten Transplantates, beziehungsweise Bohrkanals, oder in den Gelenkraum hineinreichender Interferenzschrauben.[3][4]
Die durch Arthrofibrose verursachte Bewegungseinschränkung kann zu einer größeren Behinderung des Patienten führen, als die den Eingriff (Kreuzbandrekonstruktion) indizierende Insuffizienz im Kniegelenk.[5]
Inzidenz
Die für eine Arthrofibrose angegebene Inzidenz nach einer vorderen Kreuzbandrekonstruktion liegt im Bereich von 4 bis 35 Prozent.[5][6] Die Inzidenz für eine postoperative Einschränkung der Streckfähigkeit des Kniegelenkes nach einer BTB-Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes liegt bei über 10 Prozent.[7][8]
Sekundäre Arthrofibrosen
Zu den sekundären Formen einer Arthrofibrose werden das Zyklopssyndrom, die Transplantathypertrophie bei einem Impingement der Kreuzbandhöhle (Notch-Impingement) und die Bridenbildung innerhalb und außerhalb des Gelenkkörpers gerechnet.[9] Bei etwa 2 Prozent aller Patienten ist nach einer Kreuzbandrekonstruktion ein Zyklops die Ursache für eine Einbuße der Beweglichkeit bei der Streckung des Kniegelenks.[10] Das Transplantat nimmt hierbei so sehr an Volumen zu, dass eine Narbenformation am distalen Ansatz ein Streckdefizit verursacht.[11] In solchen Fällen wird der Zyklops meist operativ entfernt.[12][13][14]
Therapie
Je nach Form der Arthrofibrose erfolgt eine spezifische Behandlung. Die sekundäre Form lässt sich durch Arthroskopie in den meisten Fällen gut behandeln, während die primäre Form in vielen Fällen mehrere offene Operationen (Débridement und Kapsulotomie) nach sich zieht. Nur arthroskopisch – auch mit physiotherapeutischer Unterstützung – lässt sich die primäre Form der Arthrofibrose meist nicht erfolgreich behandeln.[9]
Prävention
In einigen Studien wurde gezeigt, dass das Risiko einer Arthrofibrose durch eine verzögerte Rekonstruktion – mehr als drei Wochen nach der Ruptur des Kreuzbandes – signifikant gesenkt werden.[5][6][15][16][17][18] Andere Studien konnten dagegen keinen Unterschied feststellen.[19]
Siehe auch
Einzelnachweise
- U. Bosch u. a.: Arthrofibrose – Ein chronisch inflammatorischer Prozeß? In: Arthroskopie 12, 1999, S. 117–120. doi:10.1007/s001420050084
- T. Weig: Bewegungseinschränkung nach vorderer Kreuzbandrekonstruktion (Ursachenanalyse, Therapieergebnisse). Dissertation, LMU München, 2002
- S. M. Howell u. a.: A rationale for predicting anterior cruciate graft impingement by the intercondylar roof. In: Am J Sports Med 19, 1991, S. 276–282. PMID
- K. D. Shelbourne u. a.: Classification and management of arthrofibrosis of the knee after anterior cruciate ligament reconstruction. In: Am J Sports Med 24, 1996, S. 857–862. PMID 8947412
- K. E. DeHaven u. a.: Arthrofibrosis of the knee following ligament surgery. In: Instr Course Lect 52, 2003, S. 369–381. PMID 12690864 (Review)
- P. Rillmann u. a.: Arthrofibrose nach früher vorderer Kreuzbandrekonstruktion. In: Arthroskopie 12, 1999, S. 260–267. doi:10.1007/s001420050135
- J. Mauch: Ergebnisse nach vorderer Kreuzbandplastik mit Semitendinosus-Gracilis-4-Bündel-Technik, Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 2007
- P. Lobenhoffer und H. Tscherne: Die Ruptur des vorderen Kreuzbandes. Heutiger Behandlungsstand. In: Unfallchirurg 96, 1993, S. 150–154.
- P. Lobenhoffer u. a.: Operative Therapie der Arthrofibrose. In: Arthroskopie 12, 1999, S. 252–259. doi:10.1007/s001420050134
- J. Wang und Y. Ao: Analysis of different kinds of cyclops lesions with or without extension loss. In: Arthroscopy 25, 2009, S. 626–631. PMID 19501293
- M. Immendörfer: 5-Jahresergebnisse nach Hamstring-VKB-Plastik mit gelenknaher Titan-Interferenzschrauben-Fixation: genügt die Technik den Anforderungen einer frühfunktionellen Rehabilitation? Dissertation, Universität Hamburg, 2008
- Arthrofibrosis from ACL Injuries. Wheeless' Textbook of Orthopaedics
- D. W. Jackson und R. K. Schaefer: Cyclops syndrome: loss of extension following intra-articular anterior cruciate ligament reconstruction. In: Arthroscopy 6, 1990, S. 771–778. PMID 2206179
- S. Kesting: Patellarsehne versus Semitendinosus-/Gracilis-Sehne als Ersatz zur Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes – 5-Jahres-Ergebnisse eines randomisierten Patientenkollektivs – eine klinische Studie. Dissertation, Universitätsklinikum Münster, 2008
- K. D. Shelbourne u. a.: Arthrofibrosis in acute anterior cruciate ligament reconstruction. The effect of timing of reconstruction and rehabilitation. In: Am J Sports Med 19, 1991, S. 332–336. PMID 1897645
- M. Schuhmacher: Veränderungen ausgewählter Parameter der Kniegelenkmechanik vor und nach operativem Ersatz des vorderen Kreuzbandes bei unterschiedlichen Operationstechniken. (Memento des vom 17. März 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF) Dissertation, Deutsche Sporthochschule Köln, 2007
- A. J. Cosgarea u. a.: Prevention of arthrofibrosis after anterior cruciate ligament reconstruction using the central third patellar tendon autograft. In: Am J Sports Med 23, 1995, S. 87–92. PMID 7726357
- M. Fenzl und C. Mucha: Ergebnisse einer vergleichenden Untersuchung zum Nachbehandlungsverfahren sowie optimalen Operationszeitpunkt nach vorderem Kreuzbandriss. In: Phys Rehab Kur Med 8, 1998, S. 123–127. doi:10.1055/s-2008-1061836
- T. O. Smith u. a.: Early versus delayed surgery for anterior cruciate ligament reconstruction: a systematic review and meta-analysis. In: Knee Surgery, Sports Traumatology, Arthroscopy 18, 2010, S. 304–311. PMID 19838672 (Review)