Ariel Muzicant
Ariel Muzicant (* 12. Februar 1952 in Haifa, Israel) ist ein österreichischer Unternehmer. Er ist Interimspräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses. Von 1996 bis 1998 war er Präsident der B’nai B’rith Zwi Perez Chajes[1] und einer der Initiatoren der Zwi-Perez-Chajes-Schule. Von 1998 bis 2012 war er Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien.
Leben
Muzicant lebt seit seinem vierten Lebensjahr in Wien und erhielt seine Schulausbildung im Lycée Français de Vienne. 1976 schloss er sein Medizinstudium an der Universität Wien mit der Promotion ab und trat anschließend in das väterliche Immobilienmaklerbüro[2] ein, das er bis heute als Alleineigentümer führt.[3]
Am 21. April 1998 wurde er als Nachfolger von Paul Grosz zum Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien gewählt. Bei den Wahlen 2004 und 2008 wurde er in seinem Amt bestätigt und übte es bis zu seinem Rücktritt am 21. Februar 2012 aus.[4]
Weiters ist er Vorstandsmitglied des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes sowie des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien (VWI) und war von 1998 bis 2006 Vizepräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses. Muzicant ist Mitglied der SPÖ.[5]
Kontroversen
Ariel Muzicant war ein langjähriger Kritiker Jörg Haiders und der FPÖ.[6] Besonders nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ in der Bundesregierung Schüssel I im Februar 2000 wurde Muzicant zur Zielscheibe rechter Agitatoren,[7][8] die unter Hinweis auf die Tätigkeit Muzicants als Immobilienmakler[9] antisemitische Klischees wie beispielsweise des „intriganten, in illegale Machenschaften verwickelten jüdischen Geschäftsmannes“ bedienen.[10][11][12][13] Kurz nachdem Haider die von Muzicant aufgezeigten Übergriffe gegen jüdische Mitbürger angezweifelt hatte, präsentierte Muzicant in einer Live-Fernsehsendung im ORF eine Mappe mit Drohbriefen,[14] die er innerhalb von Wochen erhalten hatte, worauf seitens der FPÖ versucht wurde, Muzicant die Glaubwürdigkeit abzusprechen.[15]
Am so genannten Politischen Aschermittwoch 2001 in der Jahnturnhalle in Ried im Innkreis verlautete Jörg Haider in Anspielung auf die bekannte Waschmittelmarke Ariel vor laufender Kamera: „ … der Herr Ariel Muzicant: Ich verstehe überhaupt nicht, wie wenn einer Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann; das verstehe ich überhaupt nicht …“, worauf Muzicant klagte. In einer bekannt gewordenen Studie[10] kamen Anton Pelinka und Ruth Wodak zum Schluss, dass dieser Satz einen antisemitischen Gehalt habe.[16] Nachdem Haider in fünf Ehrenerklärungen diese Äußerung und andere Vorwürfe zurückgenommen hatte, konnte der Gerichtsfall außergerichtlich bereinigt werden.[14]
2009 geriet Muzicant in die Schlagzeilen, nachdem er den FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl mit Joseph Goebbels verglichen hatte. Daraufhin bezeichnete ihn der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) indirekt als „Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus“.[17] Muzicant forderte daraufhin „unmissverständliche Konsequenzen“ im Nationalrat.[18][19]
Seit 2009 betreibt Muzicant die Website Kellernazis in der FPÖ. Der Begriff geht auf einen Artikel in der Zeitschrift profil zurück.[20]
Als 2012 die ethische Vertretbarkeit von religiös motivierten Beschneidungen an minderjährigen Jungen (Zirkumzision) im deutschsprachigen Raum diskutiert wurde, äußerte er dazu in der Kleinen Zeitung, ein Verbot der Beschneidung „wäre dem Versuch einer neuerlichen Shoah, einer Vernichtung des jüdischen Volkes, gleichzusetzen – nur diesmal mit geistigen Mitteln.“[21][22]
Gelegentlich, etwa im Fall des Dachausbaus des Wiener Hotels Ambassador, wurden Muzicants Aktivitäten als Immobilienentwickler auch von nicht rechtsgerichteter Seite kritisiert.[23]
Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 forderte Muzicant als Interimspräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses ein, dass Europa sicherstellen müsse, dass nur jene Menschen einreisen, die sich an europäische Werte halten. Er habe überhaupt kein Verständnis mehr „für alle diese sogenannten Gutmenschen, die nicht verstehen, dass wir Leute in unser Land lassen, die dann schreien ‚Tod den Juden‘“. Muzicant erinnerte an die untersagte Demonstration auf dem Stephansplatz vor rund drei Wochen, bei der dieser Satz skandiert worden sei. Die Pro-Palästina-Demonstranten „verstehen nicht, dass das nicht ein Kampf gegen die Juden nur alleine ist, das ist ein Kampf für all das, wofür wir stehen: Menschlichkeit, Demokratie, Respekt voreinander“. Man könne „ja verschiedener Meinung sein, aber man kann nicht schwangeren Frauen den Bauch aufschlitzen“.[24] In einem Gastkommentar in der Tageszeitung Die Presse erklärte er, warum die Hamas kein Interesse an einem Staat Palästina und Frieden für die palästinensische Bevölkerung habe.[25]
Ehrungen
Weblinks
Einzelnachweise
- Jüdische Rundschau: «Ich glaube nicht, dass Täter das Recht haben, den Schlussstrich zu verlangen»
- Company History (Memento vom 15. September 2009 im Internet Archive)
- Mahner gegen Rechts ist 60 auf ORF vom 12. Februar 2012, abgerufen am 12. Februar 2012.
- IKG-Präsident Ariel Muzicant tritt zurück In: Der Standard vom 14. Februar 2012, abgerufen am 29. Mai 2013.
- Die Presse, 31. Jänner 2012: Muzicant-Nachfolge: ‘Jüdisches Leben mehr als Gedenken’
- Haiders Duzen und Siezen in der Politik: Konflikte und zerbrochene Seilschaften. News, 11. Oktober 2008, abgerufen am 29. Mai 2009: „Zu den größten Widersachern des Kärntner Landeshauptmanns gehörte der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant“
- Haider pöbelt weiter. Der Spiegel, 17. März 2001, abgerufen am 29. Mai 2009: „Seit Ende Februar hat er mehrfach den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde attackiert.“
- Jüdische Gemeinde in Wien besorgt wegen Übergriffen. Die Welt, 26. Oktober 1999, abgerufen am 29. Mai 2009: „Die Zahl antisemitischer Vorfälle seit der Parlamentswahl am 3. Oktober [1999], bei der die FPÖ unter Jörg Haider 27 Prozent erreichte, [hat sich] verzehnfacht.“
- Jewish Leaders Trade Barbs Over Austria's Nazi Legacy. New York Times, 25. März 2001, abgerufen am 29. Mai 2009 (englisch): „I am the biggest broker in town. […] I am bigger than the second- and third-largest brokers combined. I build, broker, lease and sell commercial real estate and I'm so good at what I do. It sticks in the Freedom Party's eye. But I've done nothing illegal.“
Ariel Muzicant – er macht Milliardenumsätze. News, 4. April 2001, abgerufen am 29. Mai 2009. - Anton Pelinka, Ruth Wodak: Dreck am Stecken. Politik der Ausgrenzung. Czernin, Wien 2002, ISBN 3-7076-0152-8.
- Haider in NEWS gegen Ariel Muzicant. News, 15. März 2001, archiviert vom am 15. August 2021; abgerufen am 29. Mai 2009: „Wir werden im Rechtsverfahren über seine Geschäftsbeziehungen reden und man wird seine Geschäftsverbindungen durchleuchten müssen.“
- Haider the Rightist Is Firing Up Vienna's Election With Slurs. New York Times, 12. März 2001, abgerufen am 29. Mai 2009 (englisch): „He contended that Mr. Muzicant, who has a real estate business, has enjoyed greater license to build highrises in central Vienna than other entrepreneurs, a suggestion also made by Ms. Partik-Pablé.“
- Nie in Anrüchiges involviert. News, 10. März 2001, archiviert vom am 15. August 2021; abgerufen am 29. Mai 2009: „Haider sagt, [Muzicant sei] in unsaubere Spekulationsgeschäfte verwickelt [… und hätte] persönlich als Immobilienmakler Deals mit der Gemeinde Wien gemacht, wo andere nicht zum Zug gekommen wären.“
- Beim Pressetext wurde um jedes Wort gefeilscht. News, 31. Januar 2002, archiviert vom am 15. August 2021; abgerufen am 29. Mai 2009: „Ich ziehe meine im Zuge der ‚Aschermittwochsrede’ vom 28. Februar 2001 getätigte Äußerung […] mit dem Ausdruck des Bedauerns und der Entschuldigung zurück und habe keinen Grund, die Ehre von Herrn Dr. Ariel Muzicant in Zweifel zu ziehen und verpflichte mich, in Hinkunft diese Äußerung zu unterlassen. Wien, am 30. Januar 2002. – Die vier weiteren Erklärungen beziehen sich auf Aussagen Haiders im Wiener Wahlkampf. So hatte der Kärntner Landeshauptmann behauptet, Muzicant habe ‚selbst geschriebene Briefe zum Beweis für antisemitische Übergriffe präsentiert’ …“
- Muzicant im NEWS-Interview: Haiders Aussagen „rotzig, unverantwortlich und antisemitisch“ . APA-OTS Originaltext-Service, 3. November 1999, abgerufen am 29. Mai 2009: „Ich präsentiere einen zentimeterdicken Akt voller Drohbriefe und Haider stellt das einfach in Frage.“
- Haiders Rede als Prototyp des Antisemitismus. News, 19. Januar 2003, abgerufen am 29. Mai 2009: „[Haiders Rede] spielt auf vier judenfeindliche Stereotypen an, nämlich auf jene des ‚jüdischen Vaterlandsverräters’, der ‚jüdischen Weltverschwörung gegen Österreich’, des ‚schmutzigen, unreinlichen Juden’ und des ‚intriganten, in illegale Machenschaften verwickelten jüdischen Geschäftsmannes’“
- Neue Freie Zeitung, Artikel von Martin Graf (online) (Memento vom 12. September 2014 im Internet Archive)
- Oe24.at Graf reitet Attacke gegen Muzicant, 27. Mai 2009
- Die Presse Verbalangriff: Ohnmächtiger Zorn über Grafs Attacke 27. Mai 2009
- Abdruck aus „profil“ auf www.kellernazisinderfpoe.at (PDF-Datei; 888 kB)
- Sonja Hasewend, Monika Schachner: Beschneidung: „Verbot ist wie Vernichtung der Juden“. In: kleinezeitung.at. 25. Juli 2012, archiviert vom am 30. Juli 2012 .
- Beschneidungen: Dörfler für Verbot, Burgstaller dagegen. In: derstandard.at. 25. Juli 2012, abgerufen am 7. Mai 2013 (deutsch).
- Siehe dazu: Markus Landerer: Repertorium von Problemfällen im Welterbegebiet. In: Markus Landerer, Claus Süss, Robert Schediwy: Wiener Wahrzeichen, verschwunden, entstellt, bedroht. LIT, Wien 2010, S. 157ff., S. 165.
- APA Redaktion: Muzicant fordert Umdenken in der Asylpolitik. 31. Oktober 2023, abgerufen am 21. November 2023.
- Ariel Muzicant: Die Hamas will die Zerstörung Israels. 17. November 2023, abgerufen am 21. November 2023.
- Ministerin Claudia Schmied überreicht Ariel Muzicant das Große Goldene Ehrenzeichen. APA-OTS vom 14. Februar 2013, abgerufen am 29. Mai 2013.
- Rathauskorrespondenz vom 28. Mai 2013, abgerufen am 29. Mai 2013.