Antarctosaurus

Antarctosaurus ist eine Gattung sauropoder Dinosaurier aus der Gruppe der Titanosauria.

Antarctosaurus

Oberschenkelknochen von Antarctosaurus wichmannianus, ausgestellt im Museo de la Plata (Argentinien)

Zeitliches Auftreten
Oberkreide (Unteres Campanium)[1]
83,6 bis 80,6 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Dinosaurier (Dinosauria)
Echsenbeckensaurier (Saurischia)
Sauropodomorpha
Sauropoda
Titanosaurier (Titanosauria)
Antarctosaurus
Wissenschaftlicher Name
Antarctosaurus
Huene, 1929
Arten
  • Antarctosaurus wichmannianus (Typ)
  •  ?Antarctosaurus giganteus von Huene, 1929

Bisher ist ein fragmentarisches Skelett bekannt, das aus der Oberkreide (frühes Campanium) Argentiniens stammt und aus Teilen des Schädels und des Restskeletts besteht. Dieses Skelett wurde 1916 entdeckt und 1929 von dem deutschen Paläontologen Friedrich von Huene erstmals wissenschaftlich beschrieben. Als Typusart benannte von Huene Antarctosaurus wichmannianus. Im selben Jahr beschrieb von Huene eine weitere Art, die er wegen der gigantischen Größe der Knochen Antarctosaurus giganteus nannte.

Seitdem wurden drei weitere Arten aus Indien, Kasachstan und Brasilien beschrieben, von denen jedoch, wie spätere Studien zeigten, keine tatsächlich zu Antarctosaurus gehört.

Der Name Antarctosaurus (gr. ant- (anti) – „Gegenteil“, arktos – „nördlich“, saura – „Echse“) bedeutet so viel wie „Echse gegenüber vom Norden“ und weist auf den Fundort in Südamerika, einem Kontinent der südlichen Hemisphäre. Der Name hat zwar die gleiche Herkunft wie der Name Antarktika, verweist jedoch nicht auf diesen Kontinent.[2]

Systematik

Die systematische Position von Antarctosaurus wichmannianus war seit der Erstbeschreibung durch von Huene umstritten. Von Huene hielt diese Gattung für einen Titanosaurier, stellte aber fest, dass der Schädel und insbesondere die Kieferknochen und Zähne deutliche Ähnlichkeiten mit Diplodociden wie Diplodocus aufwiesen: So waren die Zähne stiftartig und nach vorne geneigt, während die Zahnreihen kurz und auf den vordersten Abschnitt der Kiefer beschränkt waren.[3] Werner Janensch (1929) vermutete aufgrund dieser Befunde, dass die Titanosauridae und die Diplodocidae eng miteinander verwandt waren – diese Hypothese wurde erst Ende der 1990er Jahre in Zweifel gezogen. Nach seiner Erstbeschreibung wurde Antarctosaurus wichmannianus von verschiedenen Autoren entweder innerhalb der Titanosauridae oder, aufgrund der Schädelmerkmale, innerhalb der Diplodocoidea eingeordnet. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht klar ist, ob der Schädel und das Restskelett tatsächlich zum selben Individuum gehören, wie es von Huene vermutete, da die Fundlage der Knochen nicht dokumentiert ist. Heute wird vermutet, dass die Schädel von Titanosauriern und Diplodocoideen unabhängig voneinander eine ähnliche Morphologie entwickelten (konvergente Evolution). So gelten die Titanosaurier heute als Verwandte der Brachiosauridae und werden innerhalb der Macronaria klassifiziert.[4][5][6][7]

Mittlerweile besteht Konsens, dass Antarctosaurus innerhalb der Titanosauria einzuordnen ist. Upchurch und Kollegen (2004) vermuten, dass es sich um einen abgeleiteten (modernen) Titanosaurier innerhalb der Lithostrotia handelte.[6] Wilson (2005) klassifiziert Antarctosaurus innerhalb der Nemegtosauridae, zusammen mit Gattungen wie Nemegtosaurus, Quaesitosaurus und Rapetosaurus.[7]

Forschungsgeschichte und Arten

Antarctosaurus wichmannianus

Antarctosaurus wichmannianus ist die Typusart und die einzige Antarctosaurus-Art, die als gültig anerkannt wird. Das fragmentarische Skelett wurde 1916 von Wichmann bei General Roca in der Argentinischen Provinz Río Negro entdeckt, die Gesteine des Fundorts gehören stratigraphisch zur Río-Colorado-Formation. Friedrich von Huene untersuchte die Überreste zwischen 1923 und 1926 in Buenos Aires und beschrieb sie 1929 als Antarctosaurus[8]; das Artepitheth wichmannianus ehrt Wichmann, dem Finder des Skeletts.

Der Fund umfasst den hinteren Abschnitt des Schädels inklusive nahezu vollständigem Hirnschädel, isolierten Kieferfragmenten sowie weiteren isolierten Schädelknochen, inklusive Schuppenbein (Squamosum), Scheitelbein (Parietale), Quadratbein (Quadrate), und Stirnbein (Frontale). Überreste des Restskeletts schließen einen Halswirbel, Schwanzwirbel, Rippen, Schulterblatt (Scapula), Teile des rechten Vorderbeins inklusive eines fragmentarischen Oberarmknochen (Humerus), Teilen von Elle (Ulna) und Speiche (Radius) sowie ein fragmentarisches Handskelett, Beckenknochen inklusive teilweisem Darmbein (Ilium), Sitzbein (Ischium) und teilweisem Schambein (Pubis), sowie das linke Hinterbein inklusive Oberschenkelknochen (Femur), Schienbein (Tibia), Sprungbein (Astragalus), Fersenbein (Calcaneus) und Mittelfußknochen mit ein.[7]

Antarctosaurus giganteus

Nach der Beschreibung der Gattung Antarctosaurus mit der Typusart Antarctosaurus wichmannianus beschrieb von Huene noch im selben Jahr eine weitere Art, die er wegen ihrer enormen Größe Antarctosaurus giganteus nannte.[9] Diese Art ist lediglich durch sehr fragmentarische Überreste bekannt und wird von vielen Forschern als Nomen dubium (zweifelhafter Name) betrachtet[6]. Funde stammen aus der Río-Neuquén-Formation aus der argentinischen Provinz Neuquén und werden auf das späte Coniacium bis frühe Santonium[10] datiert.[11]

Die berühmtesten Knochen von Antarctosaurus giganteus sind zwei riesige Oberschenkelknochen (Femora), von denen der längste 2,35 Meter misst. Damit gehört Antarctosaurus giganteus zu den größten bekannten Sauropoden überhaupt. Forscher um Gerardo Mazzetta (2004) schätzen das Gewicht dieser Art auf 69 Tonnen, die Typusart Antarctosaurus wichmannianus wird derweil auf 34 Tonnen Gewicht geschätzt.[11]

"Antarctosaurus" septentrionalis (=Jainosaurus)

1933 beschrieben von Huene und Matley eine weitere Antarctosaurus-Art aus der Lameta-Formation von Indien – Antarctosaurus septentrionalis.[12] Heute werden diese Überreste einer eigenen Gattung, Jainosaurus, zugeschrieben.[13]

"Antarctosaurus" jaxartensis

Diese Art benannte der sowjetische Paläontologe Anatoly Riabinin im Jahr 1939 anhand eines isolierten Oberschenkelknochen aus Kasachstan.[14] Heute als Nomen dubium geführt, gehört dieser Knochen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu Antarctosaurus.[6]

"Antarctosaurus" brasiliensis

"Antarctosaurus" brasiliensis basiert auf zwei fragmentarischen Beinknochen und einem teilweisen Wirbel aus der Bauru-Formation von Brasilien, die 1971 von Arid und Vizzotto beschrieben wurden.[15] Auch diese Art gilt als Nomen dubium.[6]

Einzelnachweise

  1. Gregory S. Paul: The Princeton Field Guide To Dinosaurs. Princeton University Press, Princeton NJ u. a. 2010, ISBN 978-0-691-13720-9, S. 209, Online.
  2. Ben Creisler: Dinosauria Translation and Pronunciation Guide. Archiviert vom Original am 6. November 2011; abgerufen am 27. August 2014.
  3. Louis L. Jacobs, Dale A. Winkler, William R. Downs, Elizabeth M. Gomani: New Material of an early cretaceous Titanosaurid Sauropod Dinosaur from Malawi. In: Palaeontology. Bd. 36, Nr. 3, 1993, ISSN 0031-0239, S. 523–534, Digitalisat (PDF; 1,05 MB) (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive).
  4. Jeffrey A. Wilson: An Overview of Titanosaur Evolution and Phylogeny. In: Fidel Torcida Fernández-Baldor, Pedro Huerta Hurtado (Hrsg.): Actas de las III Jornadas Internacionales sobre Paleontología de Dinosaurios y Su Entorno. = Proceedings of the 3rd International Symposium about Paleontology of Dinosaurs and their Environment Paleontología de dinosaurios y su entorno. Salas de los Infantes (Burgos, España), 16 al 18 de septiembre de 2004. Colectivo arqueológico-paleontológico de Salas, Salas de los Infantes (Burgos, España) 2006, ISBN 84-8181-227-7, S. 169–190.
  5. Kristina Curry Rogers: Titanosauria: A Phylogenetic Overview. In: Kristina Curry A. Rogers, Jeffrey A. Wilson (Hrsg.): The Sauropods. Evolution and Paleobiology. University of California Press, Berkeley CA u. a. 2005, ISBN 0-520-24623-3, S. 50–103, doi:10.1525/california/9780520246232.003.0003.
  6. Paul Upchurch, Paul M. Barrett, Peter Dodson: Sauropoda. In: David B. Weishampel, Peter Dodson, Halszka Osmólska (Hrsg.): The Dinosauria. 2nd edition. University of California Press, Berkeley CA u. a. 2004, ISBN 0-520-24209-2, S. 259–324.
  7. Jeffrey A. Wilson: Redescription of the Mongolian Sauropod Nemegtosaurus mongoliensis Nowinski (Dinosauria: Saurischia) and comments on Late Cretaceous Sauropod diversity. In: Journal of Systematic Palaeontology. Bd. 3, Nr. 3, 2005, ISSN 1477-2019, S. 283–318, doi:10.1017/S1477201905001628.
  8. Friederich Baron Huene: Short review of the present knowledge of the Sauropoda. In: Memoirs of the Queensland Museum. Bd. 9, Nr. 1, 1927, ISSN 0079-8835, S. 121–126.
  9. Federico von Huene: Los saurisquios y ornitisquios del cretáceo argentino (= Anales del Museo de La Plata. Serie 2, Bd. 3, ISSN 0327-7321). Universidad Nacionál de La Plata – Museo de La Plata, Buenos Aires 1929.
  10. Antarctosaurus. In: The Paleobiology Database. Abgerufen am 27. August 2014.
  11. Gerardo V. Mazzetta, Per Christiansen, Richard A. Fariña: Giants and Bizarres: Body Size of Some Southern South American Cretaceous Dinosaurs. In: Historical Biology. Bd. 16, Nr. 2/4, 2004, ISSN 0891-2963, S. 71–83, doi:10.1080/08912960410001715132, Digitalisat (PDF; 574,66 kB).
  12. Friedrich Baron von Huene, Charles Alfred Matley: The Cretaceous Saurischia and Ornithischia of the Central Provinces of India (= Geological Survey of India. Palaeontologia Indica. NS Bd. 21, Nr. 1, ISSN 0970-0528). Manager of Publication, Delhi 1933.
  13. Jeffrey A. Wilson, Michael D. D'emic, Kristina A. Curry Rogers, Dhananjay M. Mohabey, Subashis Sen: Reassessment of the sauropod dinosaur Jainosaurus (=„Antarctosaurus“) septentrionalis from the upper cretaceous of India. In: University of Michigan. Contributions from the Museum of Paleontology. Bd. 32, Nr. 2, 2009, ISSN 0097-3556, S. 17–40.
  14. Анатолий Н. Рябинин: Фауна позвоночных из верхнего мела Южного Казахстана. = The Upper Cretaceous vertebrate fauna of south Kazakhstan. I: Reptilia. Part 1: Ornithischia (= Труды Центрального Научно-исследовательского Геолого-разведочного Института (ЦНИГРИ). = Transactions of the Central Geological and Prospecting Institute. Fascicle 118, ZDB-ID 1063571-3). Гонти, Ленинград u. a. 1939, Digitalisat.
  15. Fahad M. Arid, Luiz D. Vizotto: Antarctosaurus brasiliensis, um novo saurópode do Crétaceo superiordo sul do Brasil. In: Anais do XXV Congresso Brasileiro de Geologia. Sao Paulo, SP – Setembro 1971. Bd. 2, 1971, ZDB-ID 1061677-9, S. 297–305.
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