Anomalocaris

Anomalocaris (von lat. anōmalus und cāris „ungewöhnliche Garnele“) ist eine Gattung der Anomalocarida, eine Gruppe ausgestorbener, mariner, wirbelloser Tiere ohne feste systematische Einordnung, die den Gliederfüßern (Arthropoda) möglicherweise nahestehen. Anomalocaris war in der Zeit des frühen und mittleren Kambriums (vor 530 bis 501 Millionen Jahren) mit einer Länge zwischen 60 und 120 Zentimetern das größte Tier, das aus jener Zeit bekannt ist.

Anomalocaris

Erster vollständig erhaltener Anomalocaris-Fund, aus dem Royal Ontario Museum

Zeitliches Auftreten
frühes und mittleres Kambrium
530 bis 501 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Urmünder (Protostomia)
Arthropoda
Dinocaridida
Radiodonta
Anomalocarididae
Anomalocaris
Wissenschaftlicher Name
Anomalocaris
Whiteaves, 1892
Arten
  • Anomalocaris saron
  • Anomalocaris canadensis
  • Anomalocaris kunmingensis[1]

Körpermerkmale

Anomalocaris schwamm im Wasser und benutzte bewegliche lappenähnliche Fortsätze am Körper, um sich fortzubewegen. Sein Kopf besaß ein Paar bis zu 3 cm große, vielleicht miteinander verbundene, lange Stielaugen. Diese konnten aus mehreren hundert oder sogar aus mehreren tausend Linsen bestehen und hatten in ihrem Aufbau Ähnlichkeit mit den Facettenaugen der heutigen Insekten und Krebse.[2] Damit gehörten sie zu den größten und schärfsten je existierenden Sehorganen.[3][4]

Greifer von Anomalocaris

Mit zwei außergewöhnlich beweglichen Greifern an der scheibenförmigen Mundöffnung war Anomalocaris vermutlich in der Lage, Beute zu packen und zum Mund zu befördern. Neueste Forschungen legen allerdings den Schluss nahe, dass das Maul der Art Anomalocaris canadensis nicht für den Verzehr von harter Nahrung geeignet war, da es keine Zähne, sondern lediglich weiche Hornplatten aufwies. Zudem ließ das Maul sich nicht schließen, was darauf hindeutet, dass Anomalocaris canadensis unter Umständen seine Nahrung nur einsaugte. Die bislang häufig Anomalocaris zugeordneten Bissspuren an Trilobitenfossilien müssen somit auf andere Jäger des Kambriums zurückgeführt werden. Anomalocaris jagte mit seinen nach vorne gerichteten Greifern wahrscheinlich weiche Beutetiere in der offenen Freiwasserzone.[5]

Rekonstruktion und verwandte Gattungen

Anomalocaris

Anomalocaris wurde in der Vergangenheit mehrfach falsch klassifiziert. So wurden isolierte Fossilfunde des kreisrunden Mundes für eine Qualle gehalten und Peytoia genannt. Den Körper hielt man für einen Schwamm und gab ihm den Namen Laggania. Ebenso wurden die Greifer als eine Arthropodengattung beschrieben. Letztendlich konnte jedoch das Tier Anomalocaris genauer rekonstruiert werden. Nach weiteren Fossilfunden im Burgess-Schiefer wurde das Bild des Tieres klarer, später entdeckte man mit Anomalocaris saron in China eine weitere Art, neben dem amerikanischen Anomalocaris canadensis. Ebenso wurden weitere verwandte Gattungen beschrieben, darunter beispielsweise Amplectobelua, auch ein chinesischer Anomalocaride. Als weiterer Vertreter der Anomalocariden sei hier auf Schinderhannes bartelsi verwiesen – insbesondere weil dieser etwa 100 Millionen Jahre später im unteren Devon lebte und damit die erdgeschichtliche Lebenszeit dieser Gruppe erheblich ausdehnt.

Systematik

Wegen zahlreicher spezifischer Merkmale steht immer noch nicht fest, wo die Anomalocariden, die mittlerweile eine eigene Familie bilden, in die Systematik der wirbellosen Tiere einzuordnen sind. Es wurde eine Ordnung, die Radiodonta, erstellt, in der man versucht, die Anomalocariden und ihre Verwandten, beispielsweise Opabinia, unterzubringen; in einen Stamm oder gar eine Klasse sind sie konkret jedoch noch nicht einzuordnen. Ein Lösungsvorschlag dafür war die Gründung der Klasse Dinocaridida, welche der Radiodonta übergeordnet ist.[6] Jedoch wird dies meist nur als ein noch nicht geltender Ansatz betrachtet. Möglicherweise bilden sie einen Seitenzweig der Arthropoden, der sich bereits zu Beginn des frühen Kambriums abspaltete und spezialisierte.[7]

Literatur

  • Stephen Jay Gould: Zufall Mensch. Das Wunder des Lebens als Spiel der Natur. Hanser, München 1991, ISBN 3-446-15951-7.
  • Ernst Peter Fischer: Das große Buch der Evolution. Fackelträger-Verl., Köln 2008, ISBN 978-3-7716-4373-7.
  • Geo-Magazin 01/2011 S. 174. Gruner + Jahr AG, Hamburg
Commons: Anomalocaris – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. YuanYuan Wang, DiYing Huang and ShiXue Hu: New anomalocardid frontal appendages from the Guanshan biota, eastern Yunnan. In: Chinese Science Bulletin. 58. Jahrgang, Nr. 32, 2013, S. 3937–3942, doi:10.1007/s11434-013-5908-x.
  2. John R. Paterson et al.: Acute vision in the giant Cambrian predator Anomalocaris and the origin of compound eyes. In: Nature, Band 480, Nr. 7376, 2011, S. 237–240, doi:10.1038/nature10689
    Das Augentier des Kambriums. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Dezember 2011, Seite N2
  3. Ur-Garnele: Super-Augen führten tödliche Jäger zur Beute. SPIEGEL-ONLINE, abgerufen am 9. Dezember 2011.
  4. Fundsache, Nr. 1058: Ur-Garnele sorgte für Schrecken. n-tv Online, abgerufen am 9. Dezember 2011.
  5. Russell D. C. Bicknell, Michel Schmidt, Imran A. Rahman, Gregory D. Edgecombe, Susana Gutarra, Allison C. Daley, Roland R. Melzer, Stephen Wroe and John R. Paterson: Raptorial appendages of the Cambrian apex predator Anomalocaris canadensis are built for soft prey and speed. In: Proceedings of the Royal Society B. Biological Sciences. Band 2002, Nr. 290, 12. Juli 2023, doi:10.1098/rspb.2023.0638, PMID 37403497.
  6. Desmond Collins: The “evolution” of Anomalocaris and its classification in the arthropod class Dinocarida (nov.) and order Radiodonta (nov.). In: Journal of Paleontology. Band 70, Nr. 2, März 1996, ISSN 0022-3360, S. 280–293, doi:10.1017/S0022336000023362 (cambridge.org [abgerufen am 11. September 2021]).
  7. Allison C. Daley, Jonathan B. Antcliffe, Harriet B. Drage, Stephen Pates: Early fossil record of Euarthropoda and the Cambrian Explosion. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 115, Nr. 21, 22. Mai 2018, S. 5323–5331, doi:10.1073/pnas.1719962115, PMID 29784780 (pnas.org [abgerufen am 11. September 2021]).
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