Anne Hidalgo

Anne Hidalgo (* 19. Juni 1959 als Ana María Hidalgo Aleu[1] in San Fernando bei Cádiz, Spanien) ist eine französische Politikerin spanischer Herkunft. Sie gehört dem Parti socialiste (PS) an und ist seit April 2014 Bürgermeisterin von Paris. 2022 war sie Kandidatin bei der Präsidentschaftswahl.

Anne Hidalgo (2020)
Unterschrift von Anne Hidalgo
Unterschrift von Anne Hidalgo

Familie und Ausbildung

1961 wanderten Anas Eltern mit ihr und ihrer Schwester nach Frankreich aus.[2] „Ich erinnere mich noch an den Moment des Abschieds, an die Gerüche, an den Holzwagen des Zuges und an die Angst meiner Mutter“, erzählte sie später in einem Interview. In Lyon in einer winzigen Dachgeschosswohnung angekommen, habe ihre Schwester gefragt: „Mama, werden wir hier leben?“ Ihre Eltern hätten zu weinen begonnen. „Aber mein Vater hat hart gearbeitet, um etwas Besseres für uns zu finden.“[2]

Anne Hidalgo wuchs in Vaise auf, einem Arbeiterviertel von Lyon; ihr Vater war Elektriker.[1] Im Juli 1973 erhielt die Familie die französische Staatsbürgerschaft. Nach ihrer Ausbildung zur Sozialarbeiterin studierte Hidalgo Sozialrecht an der Universität Paris-Nanterre und erwarb das Diplôme d’études approfondies (Master). Als Inspektorin für die Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften entdeckte sie für sich den Feminismus, der ihr „revolutionärer schien als jedes Parteiprogramm“. Zu ihrer Herkunft aus einer Einwandererfamilie befragt, antwortete Hidalgo in einem Interview: „Ich habe mein Leben lang doppelt so viel arbeiten müssen, weil ich eine Frau und eine Einwanderin bin, das ist gewiss.“ Sie glaube, ihr Lebensweg erlaube ihr, Migranten mit ihren Schwierigkeiten besser zu verstehen.[2] Anne Hidalgo wirke „so nett und natürlich, dass man ihren politischen Protagonismus glatt vergessen könnte“, schrieb die Presse über sie. So erzählte sie während des Wahlkampfs oft offen von ihren Müdigkeitsschüben, vom Stress und der Tortur der Wahlkampagne.[1]

Seit 2004 ist Hidalgo in zweiter Ehe mit dem PS-Politiker Jean-Marc Germain verheiratet, mit dem sie einen 2002 geborenen Sohn hat.[3] 2003 erwarb sie wieder die spanische Staatsangehörigkeit und ist seither Doppelstaaterin. Ihre beiden erwachsenen Kinder, Mathieu und Elsa, wurden in den 1980er Jahren geboren.[4]

Politische Karriere

Pariser Kommunalpolitik

Anne Hidalgo bei der Feier des Chinesischen Neujahrsfestes 2010
Offizielles Porträt von Anne Hidalgo für die Gemeindewahlen 2014

Ihr Aufstieg begann am 18. März 2001, als sie als Kandidatin des PS in den Stadtrat der französischen Hauptstadt gewählt wurde. Der PS, der von 1997 bis 2002 die französische Regierung anführte, berief sie zur Beraterin in verschiedenen Ministerien, unter anderem im von Martine Aubry geführten Arbeitsministerium, und der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë machte sie zu seiner Vertrauten.[1] 2001, bereits kurz nach ihrer Wahl zur Stadträtin, wurde sie von Delanoë zur stellvertretenden Bürgermeisterin berufen und verantwortete in der Stadtregierung die Gleichstellungspolitik.[5] Damit war sie zunächst noch mit einem nach öffentlicher Wahrnehmung zweitrangigen Portfolio betraut. Am 16. März 2008 wurde sie als Abgeordnete des 15. Arrondissement wiedergewählt.[2] Danach blieb sie stellvertretende Bürgermeisterin und übernahm die Zuständigkeit für Stadtentwicklung und Architektur.[6]

2010 führte sie die Liste des PS bei den Regionalwahlen im Département Paris an. Dabei gelang es ihr, die Grünen als wesentlichen Gegner innerhalb des linken Lagers, der bei der Europawahl 2009 deutlich vor dem PS gelegen hatte,[7] mit 26,3 % gegenüber 20,6 % der Wählerstimmen im ersten Wahlgang zurückzudrängen. Die von Hidalgo vereinte linke Liste gewann im zweiten Wahlgang die Stichwahl gegen die konservative UMP (seit 2015 Les Républicains).[8]

Bei den Wahlen im März 2014 galt Anne Hidalgo als aussichtsreichste Nachfolgerin und Wunschkandidatin des amtierenden Bürgermeisters Bertrand Delanoë:[2] „Ich schäme mich unserer Bilanz nicht, aber Bertrand und ich sind wirklich sehr unterschiedlich“, kommentierte sie dreizehn Jahre der Zusammenarbeit mit ihrem Förderer.[9] Ihre Kandidatur hatte sie im September 2012 bekannt gemacht, nachdem Delanoë erklärt hatte, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten.[10] Als einzige Anwärterin des PS auf das Pariser Bürgermeisteramt wurde sie von der Partei mit 98,3 % der Stimmen zur Kandidatin nominiert.[11] Ihre stärkste Gegnerin bei der Bürgermeisterwahl war Nathalie Kosciusko-Morizet von der UMP.

Bürgermeisterin von Paris

Anne Hidalgo bei der UN-Klimakonferenz 2016

Hidalgos Wahlkampf verlief ohne Zwischenfälle, mit „eher langfädigen und monotonen“ Reden, wie zuweilen kritisiert wurde.[1] Ihr Team soll sich dabei auch am Wahlkampf Barack Obamas orientiert haben.[12] Wie ihr Vorgänger, Delanoë, widmete sie sich insbesondere den Themen Kultur, Ökologie und sozialer Wohnungsbau. Als wichtige Vorhaben gab sie an, das Pariser Straßenbahnnetz auszubauen, nach dem beliebten Fahrrad- bzw. Autoverleih Vélib und Autolib auch das Tourismusangebot Paris by Scooter zu kollektivieren, die Pariser Fußgängerzonen auszuweiten und vor allem mehr Kinderkrippenplätze einzurichten.[1] Für den Fall ihrer Wahl versprach Hidalgo zudem neue Sozialwohnungen und eine bürgernahe Polizeipräsenz und kündigte an, Teile der Avenue Foch in einen öffentlichen Park zu verwandeln.[13]

Trotz des im nationalen Durchschnitt schlechten Abschneidens des PS bei der Kommunalwahl 2014 errang die von Anne Hidalgo angeführte vereinte linke Liste in Paris im zweiten Wahlgang am 30. März mit 54,5 % der Stimmen und Siegen in elf von zwanzig Arrondissements die Mehrheit im Pariser Stadtrat (92 von insgesamt 163 Sitzen).[14] Als Nachfolgerin von Bertrand Delanoë, dem ersten Sozialisten, der je das Amt des Bürgermeisters von Paris errungen hatte,[15] wurde sie nach der Konstituierung des neuen Stadtrats am 5. April 2014 zur ersten Pariser Bürgermeisterin gewählt. Sie erhielt 91 der 163 Stimmen.[16] Ein Schwerpunkt ihrer ersten Amtszeit lag angesichts hoher Smog-Werte auf der Bekämpfung der Luftverschmutzung, die sie auch mit einer Einschränkung des Autoverkehrs (etwa mit Fußgänger- und Umweltzonen) erreichen wollte.[17][18] Hidalgo hatte in diesen Jahren den Vorsitz einer klimapolitischen Aktionsgruppe von Großstädten inne.[19][20] Im zweiten Wahlgang (Stichwahl) der französischen Kommunalwahl 2020 wurde Hidalgo mit 49,3 % der Stimmen gegen Rachida Dati von Les Républicains, der ehemaligen UMP, (39,7 %) und Agnès Buzyn von La République en Marche (13,7 %) im Amt bestätigt.[21] Auch in ihrer zweiten Amtszeit spielten die Themen Klima und Luftverschmutzung eine wesentliche Rolle, obgleich in ihren Auswirkungen umstritten. Etwa wurde eine Verlagerung der Belastungsschwerpunkte konstatiert. Bei Pendlern aus dem Großraum Paris waren ihre Maßnahmen unpopulär.[22][23][24]

Im November 2023 geriet Hidalgo in die Kritik, da sie eine einwöchige Dienstreise nach Tahiti, wo ihre Tochter lebt, verlängerte und vorwiegend für private Zwecke nutzte. Offiziell hatte die Reise den Vorbereitungen für einen Sportwettbewerb gegolten.[25][26] Außerdem war Hidalgo die zunehmende Verschmutzung von Paris vorgeworfen worden,[27][28] die auch durch den Streik der Müllwerker im Frühjahr 2023 im Zuge der Rentenproteste verschlimmert worden war.[29][30] Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen Stadtverwaltung und Regierungsvertretern mit breiter Resonanz in der Öffentlichkeit.[31] Beispielsweise posierte die ehemalige First Lady Carla Bruni als kritische Spitze gegen die Bürgermeisterin auf einem Müllhaufen.[32] Hidalgo erklärte bereits 2017 einen Krieg gegen die Rattenplage[33], legte 2021 ein Manifest zur Verschönerung der Stadt vor[34] und postulierte ein Verbot von Einwegflaschen bei den Olympischen Spielen 2024 in der Stadt.[35]

Präsidentschaftskandidatur

Im September 2021 gab sie ihre Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022 bekannt.[36] Sie erhielt 1,75 % der Stimmen und landete damit auf Platz 10 von 12 Kandidaten.[37]

Mandate

  • Mitglied des Bureau Exécutif de Cités et Gouvernements Locaux Unis (CGLU)
  • Präsidentin des Atelier Parisien d’Urbanisme (APUR)
  • Präsidentin des Pavillon de l’Arsenal

Werke

  • Les métiers de l’Informatique. 1987.
  • La modernisation négociée ou l’intelligence de l’emploi. Revue Actions et recherches sociales, 1991.
  • Actes du colloque « Europe sociale » – Revue Travail, 1991.
  • Les nouvelles technologies et le rôle de l’inspection du travail. Revue de droit social, 1992.
  • Exclusion-Insertion. Semaine Sociale LAMY, 1992.
  • Une femme dans l’arène. Editions du Rocher, 2006.
  • Travail au bord de la crise de nerfs. Flammarion, 2010.
  • Mon combat pour Paris. Quand la ville ose … Flammarion, 2013.
  • Le lieu des possibles. Editions de l'Observatoire/Humensis, Paris 2019. ISBN 979-10-329-0670-5 (Auszüge in deutscher Sprache in: Lettre International, Nr. 127/2019 unter dem Titel: „Paris, Ort des Möglichen“, S. 37 ff.)

Auszeichnungen

Commons: Anne Hidalgo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Oliver Meiler: Eine sensationell unglamouröse Siegerin. In: Tages-Anzeiger. 30. März 2014, abgerufen am 31. März 2014.
  2. Mathieu von Rohr: Hart gegen herzlich. In: Der Spiegel. 21. September 2013, abgerufen am 9. März 2014.
  3. Sylvie Santini: Jean-Marc Germain…le mari d’Anne Hidalgo. In: parismatch.com, 1. September 2010, abgerufen am 14. Oktober 2014.
  4. Ángela Torres: Anne Hidalgo, alcaldesa de París: 'Pertenezco a España y a Francia'. Interview in: El Mundo, 5. April 2014, abgerufen am 9. September 2019 (spanisch).
  5. Qui est la première femme à diriger Paris? LeJDD, 31. März 2014, abgerufen am 31. März 2014 (französisch).
  6. La nouvelle vie d'Anne Hidalgo. Le Parisien, 21. März 2009, abgerufen am 31. März 2014 (französisch).
  7. Elections européennes 2009 : tous les résultats sur Paris. Mairie de Paris, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. April 2014; abgerufen am 31. März 2014 (französisch).
  8. Les résultats complets des élections régionales 2010. Mairie de Paris, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. April 2014; abgerufen am 31. März 2014 (französisch).
  9. Tagesschau (SRF) Hauptausgabe am 8. März 2014 auf SRF 1
  10. Hidalgo s'est déclarée candidate à Paris. LeJDD, 5. September 2012, abgerufen am 31. März 2014 (französisch).
  11. Anne Hidalgo officiellement investie par les militants PS pour les municipales à Paris. FranceTV Info, 23. Mai 2013, abgerufen am 31. März 2014 (französisch).
  12. Christian Wernicke: Die „Concierge“ sagt, wo es langgeht. In: sueddeutsche.de, 5. April 2014, abgerufen am 5. April 2014
  13. Christian Schubert: Junge Stadt der Liebe und der Leiden. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 29. März 2014, abgerufen am 30. März 2014.
  14. La socialiste Anne Hidalgo remporte la mairie. In: Le Monde. 30. März 2014, abgerufen am 31. März 2014 (französisch).
  15. Sozialisten erkennen Wahlniederlage in Frankreich an. In: Tages-Anzeiger. 30. März 2014, abgerufen am 30. März 2014.
  16. Sozialistin Hidalgo neue Bürgermeisterin. In: Neue Zürcher Zeitung, 5. April 2014
  17. Paris kämpft gegen dichte Smogwolke. In: Der Spiegel. 9. Dezember 2016, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 30. März 2024]).
  18. deutschlandfunk.de: Paris - Rechtes Seine-Ufer bald autofrei? Abgerufen am 30. März 2024.
  19. Klimaschutz in Städten: Pariser Bürgermeisterin wird Chefin von globalem Städtenetzwerk. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 30. März 2024]).
  20. Auszeichnung mit dem Preis der European Lung Foundation C40 Vorsitzende und Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo für ihr Engagement zur Bekämpfung der Luftqualität – C40 Orte. Abgerufen am 30. März 2024.
  21. Grüne erobern mehrere große Städte bei Kommunalwahlen in Frankreich. In: Handelsblatt, 28. Juni 2020.
  22. Felix Wadewitz: Anne Hidalgo zeigt, wie eine Verkehrswende gelingt. In: Der Spiegel. 31. Oktober 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 30. März 2024]).
  23. deutschlandfunk.de: Paris geht gegen Autos vor. Abgerufen am 30. März 2024.
  24. Anne Hidalgo und die Fahrradstadt Paris: Notre Anne von Paris. In: Die Tageszeitung: taz. 5. Januar 2022, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 30. März 2024]).
  25. Paris Mayor Hidalgo gives details of Tahiti trip. In: Reuters. 7. November 2023 (reuters.com [abgerufen am 12. November 2023]).
  26. Voyage d’Anne Hidalgo en Polynésie : une commission de déontologie la dédouane, l’opposition demande toujours « des éclaircissements ». In: Le Monde.fr. 10. November 2023 (lemonde.fr [abgerufen am 12. November 2023]).
  27. View Author Archive, Get author RSS feed: Paris covered in garbage sparks hashtag ripping Anne Hidalgo. 7. April 2021, abgerufen am 12. November 2023 (amerikanisches Englisch).
  28. Kim Willsher: ‘It’s a rubbish bin’: Parisians fight for the soul of their blighted city. In: The Observer. 5. Februar 2022, ISSN 0029-7712 (theguardian.com [abgerufen am 12. November 2023]).
  29. Angelique Chrisafis: ‘It’s disgusting’: Paris rots under mounds of rubbish as bin collectors extend strike. In: The Guardian. 15. März 2023, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 12. November 2023]).
  30. Striking Paris garbage collectors ordered to clear 7,000 tonnes of rubbish. 16. März 2023, abgerufen am 12. November 2023 (englisch).
  31. admin: Paris, garbage war between the mayor and the government. The majority accuses Hidalgo of supporting the protesters. In: Breaking Latest News. 15. März 2023, abgerufen am 12. November 2023 (amerikanisches Englisch).
  32. James Callery: Carla Bruni trashes Paris's mayor...by mocking garbage crisis. 21. März 2023, abgerufen am 12. November 2023.
  33. Paris mayor to spend 1.5 million euros for 'war on rats'. 12. März 2017, abgerufen am 12. November 2023 (en-SG).
  34. Annabelle Timsit: Paris unveils ‘manifesto for beauty’ after social media campaign calls out City of Light’s trash problem. In: Washington Post. 20. Januar 2022, ISSN 0190-8286 (washingtonpost.com [abgerufen am 12. November 2023]).
  35. Paris 2024 to ban single-use plastic, says Hidalgo. 26. Mai 2023, abgerufen am 12. November 2023.
  36. Frankreich: Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo will Präsidentin werden. In: Der Spiegel. Abgerufen am 12. September 2021.
  37. 10 et 24 avril 2022 | Résultats* France Entière, auf resultats-elections.interieur.gouv.fr, aufgerufen am 23. April 2022.
  38. Espagne: Hidalgo décorée par le roi. In: Le Figaro. 13. Juli 2010, abgerufen am 22. März 2014 (französisch).
  39. Al Gore: Anne Hidalgo. The 100 Most Influential People of 2020. In: Time Magazine. 22. September 2020, abgerufen am 26. September 2020 (englisch).
VorgängerAmtNachfolger
Bertrand DelanoëBürgermeister von Paris
seit 2014
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