Orangerie
Eine Orangerie (historisch auch Orangenhaus) ist ein historischer repräsentativer Garten für Zitruspflanzen. Während Orangerie (auch Limonaia) im 17. und 18. Jahrhundert als Synonym für „Sammlung von exotischen, nicht winterfesten Gewächsen“ stand, ist der Begriff seit dem 18. Jahrhundert auf die Gewächshaus-Gebäude übertragen worden, in denen die Sammlungen untergebracht waren. Orangerien wurden insbesondere im Zusammenhang von repräsentativen Schloss- und Gartenanlagen des Barocks üblich.[1]
Entwicklung
Ab dem 16. Jahrhundert kamen an den europäischen Fürstenhöfen Sammlungen von Orangen- und anderen Zitrusbäumen in Mode, bisweilen auch von Ananas-, Bananen-, Granatapfel-, Feigen-, Lorbeer-, Pistazien- und Olivenbäumen. Ein solcher Baumbestand wurde sinnfällig Orangerie genannt, der Begriff galt also allein den Bäumen.
Anfangs wurzelten die Bäume nach Art eines Arboretums im Boden und wurden im Winter mit Holzverschlägen überbaut, den sogenannten abschlagbaren Gewächshäusern. Das früheste ist 1549 im Wiener Burggarten nachweisbar, in den folgenden Jahren entstanden ähnliche in Heidelberg, Stuttgart und Prag. Das Feigenhaus der Prager Burg von Ulrico Aostalli verfügte über feste Rück- und Seitenwände mit abbaubarem Dach. In Limone sul Garda werden solche Konstruktionen bis heute benutzt.
Mit der Einführung des Pflanzkübels jedoch wurden die Bäume ortsveränderlich. Der technische Durchbruch kam mit der Erfindung des Kübel-Transportwagens durch André Le Nôtre (1613–1700), den Gärtner von Schloß Versailles. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden dann feste Orangeriegebäude, die mit Kachelöfen beheizt wurden, und später auch Glashäuser. Damit die Pomeranzen im Winter nicht eingingen, waren sie Dezallier d’Argenville zufolge auf Wintergärten angewiesen: Für nördliche Länder wie Holland, Schweden, aber auch England empfahl er sogar für die Sommermonate Glashäuser. Orangerien dienten also erst in untergeordnetem Maßstab Zier- und Repräsentationszwecken. Zunächst waren sie dazu da, die Zitrusbäumchen und andere frostempfindliche Pflanzen in den Wintermonaten unterzubringen. Sie waren dort auf engem Raum zusammengedrängt (frz. serrer), woher sich auch der ursprüngliche Name für Orangerien (Serre) ableitete.
Es entwickelten sich drei klassische Arten der Aufstellung der Orangerie im Freien: das Karree, bei dem die Zitrusbäumchen in Rechtecksform gestellt wurden, der Kreis und die Teatro-Form. Bei der letzteren Anordnung, der elaboriertesten, wurden die Bäumchen im Halbkreis positioniert.
Orangerien dienten sowohl Zier- und Repräsentationszwecken als auch der Befriedigung des steigenden Bedürfnisses der Fürstenhöfe nach exotischen und insbesondere Zitrusfrüchten. Der Zitrusbaum eignete sich hervorragend als Repräsentationsobjekt, weil sich mit ihm zum einen mannigfache mythologische Verknüpfungen herstellen ließen und weil er zum anderen weitgereist und daher sehr teuer war.
Symbolik
Der Orangeriekult der Neuzeit geht auf die klassisch-römische Antike zurück: Alexander der Große hatte die Zitronatzitrone als Zier- und Heilpflanze aus Persien eingeführt und römische Schriftsteller der augusteischen Zeit (wie Vergil in seinen Eclogae, Horaz in seinen Epoden und Ovid in seinen Metamorphosen) hatten sie als Symbol für die goldenen Äpfel der Hesperiden (daher die anfangs übliche Bezeichnung als „Hesperidengärten“[2]), für die Tugenden des Herkules sowie vor allem für das ewige Leben und die ewige Wiederkehr, wie sie auch die Metamorphosen anschaulich machen sollen, verwendet – und damit vor allem als Allegorie für die behauptete Wiederkehr des Goldenen Zeitalters unter Augustus.[3]
Wiederkehr deshalb: In seiner Aeneis lässt Vergil den trojanischen Prinzen Aeneas nach Latium fliehen, so wie schon zuvor den von seinem Sohn Jupiter entmachteten Saturn; dort übernimmt der Flüchtling die Herrschaft und verhilft der Bevölkerung von Rom und Umgebung zu einem regionalen Goldenen Zeitalter; daher standen Zitrusfrüchte auch für den Ewigkeitsanspruch Roms, an den das Heilige Römische Reich anknüpfte. Die Idee der „Wiederkunft“ war nicht nur in der antiken Stoa als apokatastasis bekannt, sondern auch in der christlichen Theologie als Parusie. Der Renaissance-Humanismus führte über das intensive Studium antiker Schriftsteller zur Wiederaufnahme des antiken Neuplatonismus und zur Wiederbelebung antiker Allegorien, die dann auch häufig im Bildprogramm der Orangerien auftauchen. Die Idee einer Wiederkehr des Goldenen Zeitalters gefiel den ehrgeizigen Barockfürsten. Die immergrünen, gleichzeitig Früchte und Blüten tragenden Zitrusbäumchen wurden wegen ihres Symbolgehaltes und ihres Duftes zu den beliebtesten Pflanzen in den architektonischen Gärten der Renaissance und des Barock.
Das Orangeriegebäude
Vor allem die festverwurzelten Orangerien bedurften eines unmittelbar neben der Anpflanzung gelegenen Wintergartens, in dem die mit dem gesamten Wurzelstock ausgegrabenen Bäumchen überwintern konnten. Solche Orangeriegebäude wurden bald auch selbst als Orangerie bezeichnet, und im heutigen Sprachgebrauch ist diese Wortverwendung fast die einzige.
Obschon die späteren Kübelpflanzen ein unmittelbar neben dem Aufstellungsort gelegenes Überwinterungsgebäude nicht mehr brauchten und dieses sich deshalb zumeist in einiger Entfernung befand, wurden weiterhin Orangeriegebäude gebaut. Diese dienten nun vielfach nicht mehr gärtnerischen als vielmehr rein repräsentativen Zwecken und dem Vergnügen der fürstlichen Herrschaften. Solche Orangeriegebäude konnten daher auch reine Prospektarchitektur sein, die den kunstvoll aufgestellten Zitrusbäumchen eine würdige Umrahmung gaben und in denen man Gemäldeausstellungen, Bankette und ähnliche Lustbarkeiten veranstaltete. Diesem Zwecke entsprechend sind die Orangeriegebäude oftmals als Rund (respektive zwei Halbrunde) oder Halbrund gebaut, sodass im von ihnen bezeichneten Hof die Orangerie in Kreis- oder Teatroform aufgestellt werden konnte. Ein wesentliches Architekturmerkmal sind die bis auf den Boden reichenden Fenster. Ein typisches Merkmal des Architekturtypus Orangeriegebäude ist, bedingt durch die Repräsentationsfunktion, die Verwendung fürstlicher Würdeformen wie etwa das Motiv des Triumphbogens. Die Orangerie und damit das Orangeriegebäude konnten sowohl im Zusammenhang mit dem Ziergarten der gesamten Schlossanlage errichtet (so bei den meisten Schlossanlagen) als auch autonom aufgestellt werden. Noch auf die ursprüngliche nutzgärtnerische Funktion der Orangerie hinweisend ist der architektonische Bezug zum Gemüsegarten des Schlosses, wie in Schloss Versailles.
Das Ende der Orangerien
Zunehmend wurden nicht nur Zitrusbäumchen, sondern auch andere exotische Pflanzen zur Repräsentation oder zur Zier gehalten, zum Beispiel Ananas und Feigen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts (in Deutschland später) kam die Orangenzucht aus der Mode und die Orangeriegebäude wurden anderweitig genutzt. Beispielsweise ließ Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz das Gebäude der Neustrelitzer Orangerie von Friedrich Wilhelm Buttel umbauen, um dort seine Sammlung antiker Skulpturen aufzubewahren und Gartenfeste zu feiern. Der Orangerie als wichtiges Element historischer Gartenanlagen schenkt der moderne Denkmalschutz zunehmend Aufmerksamkeit. Viele ehemalige Orangerien wurden bereits restauriert oder wieder errichtet.
Liste mitteleuropäischer Orangerien
- Deutschland
- Orangerie in Altenburg
- Orangerie im Schlosspark Altdöbern
- Orangerie in Schloss Altshausen
- Orangerie in Ansbach
- Orangerie[4] im Kurpark in Bad Homburg vor der Höhe
- Orangerie in Bad Muskau
- Orangerie in der Eremitage, Bayreuth
- Orangerie in Bendeleben
- Große Orangerie Schloss Charlottenburg, Berlin
- Kleine Orangerie im Schloss Charlottenburg, Berlin
- Ehemaliges Orangerie-Haus, Berlin-Mitte
- Orangerie im Schloss Biendorf
- Orangerie von Schloss Börln
- Orangerie des Klosters Bronnbach
- Orangerie in Darmstadt-Bessungen
- Luisium-Orangerie in Dessau
- Zwinger in Dresden
- Orangerie im Schlosspark Benrath in Düsseldorf
- Orangerie im Schloss Dyck
- Orangerie in Ellingen
- Orangerie in Schloss Erbach (Odenwald)
- Orangerie in Erlangen
- Orangerie im Grugapark in Essen
- Orangerie am Eutiner Schloss
- Orangerie des Fuldaer Stadtschlosses
- Orangerie in Gera
- Orangerie am Schloss Glücksburg
- Orangerie in Gotha
- Orangerie in Großsedlitz
- Orangerie im Schloss Philippsruhe in Hanau
- Orangerie im Großen Garten in Hannover-Herrenhausen
- Orangerie im Handschuhsheimer Schlösschen in Heidelberg
- Orangerie im Schloss Herten[5]
- Rekonstruierte Orangerie des Schlosses Ismaning
- Orangerie in Karlsruhe
- Orangerie in der Karlsaue, Kassel
- Orangerie in Köln
- Orangerie in Meuselwitz
- Orangerie des Klosters Haydau in Morschen-Altmorschen
- Orangerie des Residenzschlosses Ludwigsburg in Ludwigsburg
- Orangerie in Schloss Mosigkau
- Orangerie im Botanischen Garten zu Münster
- Orangerie in Neustrelitz
- Orangerie im Kloster Neuzelle
- Orangerie im Schloss Nordkirchen
- Schloss Oranienbaum, längste aller deutschen Orangerien
- Orangerie in Schloss Pillnitz
- Orangerieschloss in Potsdam
- Orangerie im Neuen Garten in Potsdam
- Marstall (ehemaliges Pomeranzenhaus) des Potsdamer Stadtschlosses
- Orangerie in Putbus
- Ehemalige Orangerie Schloss Prüfening in Regensburg
- Orangerie in Rheda-Wiedenbrück
- Orangerie in Saalburg-Ebersdorf/Thüringen
- Orangerie in Schloss Salzdahlum
- Orangerie des Schlosses Schwerin
- Orangerie im Schloss Sondershausen
- Orangerie in Schwetzingen
- Orangerie im Zehnhof Sinzig
- Orangerie im Stuttgarter Schlossgarten
- Orangerie in Wallerfangen
- Obere und Untere Orangerie des Schlosses Weilburg
- Orangerie im Schloss Belvedere in Weimar
- Orangerie in Schloss Weikersheim
- Orangerie und Palmenhaus im Lustgarten zu Wernigerode
- Orangerie im Biebricher Schlosspark in Wiesbaden
- Orangerie der Würzburger Residenz
- Pomeranzengarten (Leonberg)
- Österreich
- Orangerie des Schlosses Schönbrunn, Wien
- Orangerie am Unteren Belvedere, Wien
- Orangerie im Schloss Hof, Niederösterreich
- Orangerie im Rosarium Baden, Niederösterreich
- Feigenhaus des Stifts Kremsmünster
- Orangerie im Schloss Hellbrunn, Salzburg
- Orangerie im Schloss Mirabell, Salzburg
- Orangerie in Schärding
- Orangerie in Stift Stams, Tirol
- Orangerie im Stift Zwettl, Niederösterreich
- Schweiz
- Orangerie Elfenau in Bern
- Weitere Länder
- Orangerie in Löwen, Belgien
- Orangerie in Laeken, Belgien
- Parc de l’Orangerie in Straßburg, Frankreich
- Orangerie in Echternach, Luxemburg
- Orangerie im niederschlesischen Kloster Heinrichau, Polen
- Orangerie im Schloss Lednice, Tschechien
- Heute als Schauräume genutzte Orangerien
- Stadtbibliothek in der Orangerie in Kempten, Deutschland
- Orangerie im Schloss Belvedere in Wien, Österreich
- Orangerie d’Or in Graz, Österreich
- Musée de l’Orangerie in Paris, Frankreich
- Orangerie des Schwetzinger Schlosses
- Orangerie im Lustgarten Wernigerode
- Orangerie in Düsseldorf-Benrath
- Reste der 1793 zerstörten Orangerie auf dem Karlsberg bei Homburg
- Orangerie in Bad Muskau
- Orangerie im Schlossgarten zu Rheda
Literatur
- Simone Balsam (Red.): Goldorangen, Lorbeer und Palmen – Orangeriekultur vom 16. bis 19. Jahrhundert. Festschrift für Heinrich Hamann. (Schriftenreihe des Arbeitskreises Orangerien in Deutschland e. V.; Bd. 6). Imhof, Petersberg 2010, ISBN 978-3-86568-226-0
- Simone Balsam (Red.): Orangerien in Europa. Von fürstlichem Vermögen und gärtnerischer Kunst. Lipp, München 2007, ISBN 3-87490-683-3
- Judith Breuer: Orangerien im Main-Tauber-Kreis. Beispiele in Bronnbach, Eichel, Messelhausen, Weikersheim und Wertheim. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 35. Jg. 2006, Heft 3, S. 120–128 (PDF)
- Marcus Köhler (Hrsg.): Orangerien. Glashäuser, Gewächshäuser, Wintergärten in Mecklenburg-Vorpommern. Aland, Berlin 2003, ISBN 3-936402-05-1
- Jürgen Landwehr (Hrsg.): Natur hinter Glas. Zur Kulturgeschichte von Orangerien und Gewächshäusern. Beiträge zur Jahrestagung des Gamburger Forums für Kulturforschung im Kloster Bronnbach September 2002. Röhrig, St. Ingbert 2003, ISBN 3-86110-347-8
- Helmut-Eberhard Paulus: Das Goldene Zeitalter im Garten. Orangerie als inszenierte Allegorese. In: Die Gartenkunst 23 (2/2011), S. 195–204.
- Helmut-Eberhard Paulus: Orangerieträume in Thüringen. Orangerieanlagen der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Hrsg. von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Schnell und Steiner, Regensburg 2005, ISBN 3-7954-1789-9
- Arnold Tschira: Orangerien und Gewächshäuser: Ihre geschichtliche Entwicklung in Deutschland (Kunstwissenschaftliche Studien, 24). Deutscher Kunstverlag, Berlin 1939.
Weblinks
Einzelnachweise
- Sibylle Hoiman: Die Orangerie in Belvedere bei Weimar. Eine höfische Bauaufgabe zwischen Schaulust und Botanik. In: Reinhard Wegner (Hrsg.): Kunst – die andere Natur. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 9783523475005, hier S. 101.
- Die Bezeichnung lebt etwa noch in den Nürnberger Hesperidengärten fort.
- Helmut-Eberhard Paulus: Orangerieträume in Thüringen. Schnell & Steiner, Regensburg 2005, ISBN 978-3795417895-
- Barbara Goerlich: Gastronomie: Bad Homburg: Neue Pächter in der Kurpark-Orangerie. In: ahgz.de. 6. April 2021, abgerufen am 9. März 2024.
- Homepage der Stadt Herten.