Amokfahrt in Berlin 2022

Bei einer Amokfahrt in Berlin steuerte am 8. Juni 2022 ein Mann sein Auto auf den Bürgersteig des Kurfürstendamms Ecke Rankestraße in der City West von Berlin-Charlottenburg in eine Menschenmenge. Eine Frau starb, vierzehn Menschen wurden schwer verletzt, sechs davon lebensgefährlich.[1][2]

Tatablauf

Eckhaus Kurfürstendamm, Rankestraße, wo der Täter in eine Gruppe von Menschen fuhr
Die Karte zeigt eine schematische Darstellung der Fahrt bis zu ihrem Ende.
Fahrweg mit gestrichelter Linie dargestellt. Der Kreis markiert das Ende der Fahrt.

Am 8. Juni 2022 um 10:26 Uhr[3] steuerte ein 29-jähriger Deutsch-Armenier einen silberfarbenen Renault Clio mit Berliner Kfz-Kennzeichen über den südlichen Gehweg des Kurfürstendamms in Berlin-Charlottenburg gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Die Poller, die infolge des seinerzeitigen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz errichtet wurden, waren daher zwecklos.[4] Nach der Kreuzung zur Rankestraße fuhr er auf der Tauentzienstraße weiter, bevor er 200 Meter weiter auf der Ecke der Marburger Straße im Schaufenster einer Douglas-Filiale zum Stehen kam.[5] Der Täter versuchte zu Fuß zu flüchten, wurde allerdings von Passanten überwältigt.[6]

Ermittlungen und weitere Entwicklung

Die Polizei rückte mit rund 130, die Berliner Feuerwehr mit etwa 100 Kräften aus.[3] Noch am Abend durchsuchte ein Spezialeinsatzkommando die Wohnung des mutmaßlichen Täters. Die Ermittlungen wurden von der Mordkommission und nicht vom Staatsschutz übernommen.[7] Berichte der Bild-Zeitung[8] über ein im Auto gefundenes vermeintliches Bekennerschreiben wurden von der Polizei dementiert.[9] Hingegen wurden Plakate entdeckt, die einen Bezug zur Türkei und dem Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg haben.[2] Wem die Plakate gehören, ist unklar, da das Auto auf die Schwester des Verdächtigen zugelassen ist.

Stand 9. Juni 2022 nutzt die Polizei Berlin den Begriff einer „Amoktat“ nicht, da sie sich eigener Aussage zufolge noch nicht festlegen will. Sowohl ein Terrorakt als auch ein Unfall werden allerdings mit Stand vom 9. Juni 2022 ausgeschlossen.[10]

Der Verdächtige (laut einem damaligen Bericht des Berliner Kurier: Gor V.;[11] laut aktuelleren Medienberichten Gor H.),[12][13] ein Deutsch-Armenier,[10] lebte im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. 2015 wurde er eingebürgert.[14] Er war wegen Diebstahls, Körperverletzung, Hausfriedensbruch sowie Beleidigung polizeibekannt[3][15] und psychisch beeinträchtigt.[4] Von 2014 bis 2015 war der Verdächtigte in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.[14] Über politische und extremistische Taten ist den Behörden nichts bekannt.[10]

Am 9. Juni wurde berichtet, dass der mutmaßliche Täter vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wurde, da es nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft Anhaltspunkte für eine paranoide Schizophrenie gebe.[10] Die Staatsanwaltschaft beantragte, dass er für die Dauer des Ermittlungsverfahrens – sie wirft ihm Mord in einem Fall und versuchten Mord in 17 Fällen vor – in der Klinik untergebracht bleibt. Berichtet wurde außerdem, dass der mutmaßliche Täter seine behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden habe.[10]

Opfer

Gedenken in der Tauntzienstraße

Der Fahrer tötete eine 50-jährige Lehrerin aus dem nordhessischen Bad Arolsen, die mit einer Schulklasse auf Abschlussfahrt war. 32 Menschen wurden verletzt. Unter den Verletzten sind auch Schüler der zehnten Klasse einer Realschule, mit der die Lehrerin unterwegs gewesen war. Sechs Menschen wurden lebensgefährlich verletzt, insgesamt gibt es laut Aussage der Feuerwehr acht Schwer- sowie mehrere Leichtverletzte.[10][16] Unter den Leichtverletzten ist auch der Fahrer des Autos.[5] Vier Verletzte sind für eine längere stationäre Behandlung in die Charité eingeliefert worden.[17]

Reaktionen

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey zeigte sich „tief betroffen von diesem schlimmen Ereignis“.[5] Die Innensenatorin Berlins Iris Spranger sprach von einer „Amokfahrt eines psychisch beeinträchtigten Menschen“.[18] Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekundete sein Mitgefühl,[19] Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte Aufklärung an.[20] Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf Twitter: „Die grausame Amoktat an der #Tauentzienstraße macht mich tief betroffen. Die Reise einer hessischen Schulklasse nach Berlin endet im Alptraum.“[21]

Am Abend der Tat wurde ein Gedenkgottesdienst in der Gedächtniskirche abgehalten.[22] In Berlin wurde für den folgenden Tag Trauerbeflaggung angeordnet.[23]

Commons: Amokfahrt in Berlin 2022 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Berlin: Fahrzeug fährt in Menschenmenge – ein Toter und sechs lebensgefährlich Verletzte. In: Spiegel Online. 8. Juni 2022, abgerufen am 8. Juni 2022.
  2. Berlin: Amokfahrer äußert sich offenbar wirr. In: Der Spiegel. 9. Juni 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 9. Juni 2022]).
  3. Markus Wehner: Tote und Verletzte in Berlin: Franziska Giffey: „Ein dunkler Tag in der Berliner Stadtgeschichte“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 9. Juni 2022]).
  4. Anja Stehle, Rebekka Wiese: Die Poller konnten sie nicht schützen. In: Die Zeit. 9. Juni 2022, abgerufen am 9. Juni 2022.
  5. Alexander Fröhlich, Julius Geiler, Ingo Salmen, Sophie Krause, Björn Seeling: Innensenatorin spricht von „Amoktat eines psychisch Beeinträchtigten“. In: Tagesspiegel Online. 8. Juni 2022, abgerufen am 8. Juni 2022.
  6. Auto fährt in Passanten – 29-Jähriger festgenommen. In: Rundfunk Berlin-Brandenburg. 8. Juni 2022, abgerufen am 8. Juni 2022.
  7. Tödliche Autofahrt in Berlin: Auch Giffey spricht von „Amoktat“. In: Tagesschau. 9. Juni 2022, abgerufen am 9. Juni 2022.
  8. Berlin: Auto rast in Schülergruppe – Fahrer hinterlässt Bekenner-Schreiben. In: Bild. 8. Juni 2022, archiviert vom Original am 8. Juni 2022; abgerufen am 12. Juni 2022.
  9. Hinweise auf Amok-Tat verdichten sich – Dolmetscher muss „teilweise wirre Äußerungen“ entschlüsseln. In: Focus Online. 9. Juni 2022, abgerufen am 9. Juni 2022.
  10. Tödliche Autofahrt in Berlin: Beschuldigter kommt in Psychiatrie. In: Tagesschau. 9. Juni 2022, abgerufen am 10. Juni 2022.
  11. Gor V. (29), Amoktäter mit psychischen Problemen: Das ist über den Totraser vom Berliner Breitscheidplatz bekannt. In: Berliner Kurier. 9. Juni 2022, abgerufen am 21. Juni 2022.
  12. Katrin Bischoff: Gutachter zu tödlicher Amokfahrt vom Kudamm: Gor H. trat Gaspedal voll durch. 7. Februar 2023, abgerufen am 7. November 2023.
  13. Verena Mayer: Amokfahrt auf dem Kurfürstendamm in Berlin: Täter war schuldunfähig. 21. April 2023, abgerufen am 7. November 2023.
  14. Alexander Dinger: Amokfahrt in Berlin: Die Polizeiakte von Gor H. zählt 21 Einträge. In: Die Welt. 9. Juni 2022 (welt.de [abgerufen am 9. Juni 2022]).
  15. Alexander Fröhlich, Julius Geiler, Ingo Salmen, Sophie Krause, Björn Seeling: Giffey spricht von „dunklem Tag in der Berliner Stadtgeschichte“. In: Tagesspiegel Online. 9. Juni 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 9. Juni 2022]).
  16. Jan Heidtmann: Innensenatorin spricht von „Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen“. In: Süddeutsche Zeitung Online. 8. Juni 2022, abgerufen am 9. Juni 2022.
  17. Hannes Heine: Noch acht Opfer der Berliner Amokfahrt in Krankenhäusern. In: Der Tagesspiegel Online. 13. Juni 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 15. Juni 2022]).
  18. Berliner Innensenatorin spricht von „Amoktat“ – Täter psychisch beeinträchtigt. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland. 8. Juni 2022, abgerufen am 9. Juni 2022.
  19. Berlin: Tödlicher Auto-Vorfall nahe Breitscheidplatz – Steinmeier reagiert. In: t-online.de. 8. Juni 2022, abgerufen am 9. Juni 2022.
  20. Nancy Faeser: [] Die Polizei wird die Hintergründe aufklären, die Sicherheitsbehörden des Bundes unterstützen jederzeit. []“. In: Twitter. 8. Juni 2022, abgerufen am 9. Juni 2022.
  21. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnet tödlichen Vorfall in Berlin als „Amoktat“. In: Die Welt. 8. Juni 2022 (welt.de [abgerufen am 9. Juni 2022]).
  22. Niklas Liebetrau, Jesko zu Dohna: Gottesdienst in der Gedächtniskirche: Berlin gedenkt der Opfer. In: Berliner Zeitung. 8. Juni 2022, abgerufen am 9. Juni 2022.
  23. „Die Reise einer hessischen Schulklasse nach Berlin endet im Alptraum“. In: Tagesspiegel Online. 9. Juni 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 9. Juni 2022]).

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