Amit Chaudhuri

Amit Chaudhuri (bengalisch: অমিত চৌধুরী, Amit Caudhurī; geboren am 15. Mai 1962 in Kolkata, Westbengalen) ist ein indischer Schriftsteller, Musiker und Professor für zeitgenössische Literatur an der University of East Anglia. Er schreibt in englischer Sprache und wurde mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet.

Amit Chaudhuri, 2014

Leben

Chaudhuri wurde 1962 in Kolkata geboren und wuchs in Mumbai auf. Er studierte Anglistik am University College London und promovierte mit einer Arbeit über D. H. Lawrence am Balliol College in Oxford. Zwischen 1992 und 1999 hatte er Lehraufträge in Oxford und Cambridge und lebte in dieser Zeit zwischen Indien und England. Er hielt Vorträge über englischsprachige Literatur an verschiedenen englischen und amerikanischen Universitäten und arbeitete als Literaturkritiker für namhafte Zeitungen. Seinen ersten Roman A Strange and Sublime Address hatte er bereits 1991 veröffentlicht. 1999 kehrte Chaudhuri zurück nach Kolkata, wo er seitdem lebt. Im Jahr 2002 war er Gastprofessor an der Columbia University, 2005 an der Freien Universität Berlin. Er ist Professor für zeitgenössische Literatur an der University of East Anglia. Chaudhuri ist verheiratet und hat eine Tochter.[1][2]

Werk

Literatur

Chaudhuris Romane sind überwiegend im bürgerlichen Milieu indischer Großstädte angesiedelt und zeichnen sich durch eine realistische Erzählweise aus. Sie verfügen oft über keine ausgeprägte Handlung und beschäftigen sich intensiv mit alltäglichen Ereignissen im Leben ihrer Protagonisten. Einschneidende Ereignisse sind selten und werden meist eher am Rande erwähnt. Diese scheinbare Ereignislosigkeit, in die detaillierte Beschreibungen und Beobachtungen integriert sind, wurde teilweise mit dem Werk von Marcel Proust oder James Joyce verglichen. Viele von Chaudhuris Figuren kommen aus einem akademischen Umfeld.

Sein 1991 erschienener Debütroman A Strange and Sublime Address beschäftigte sich mit einem bengalischen Jungen aus Mumbai, der Verwandte in Kolkata besucht. Im Mittelpunkt des Romans stehen Beschreibungen täglicher Rituale durch die Augen des Protagonisten. Der Roman wurde von der internationalen Kritik ausgesprochen positiv aufgenommen und mit zwei Preisen ausgezeichnet. Chaudhuris zweite Veröffentlichung, Afternoon Raag, beschreibt das Leben und die Bekanntschaften eines indischen Studenten in Oxford und ist durchzogen von Erinnerungen an Indien. Es ist sein bislang einziges Buch, das durchgehend in der ersten Person erzählt ist. Das 1998 erschienene Freedom Song beschreibt das Verhältnis zweier indischer Familien. Der Nachfolgeroman A New World ist der bislang einzige, dessen Hauptfigur Indien als Fremder Gegenübertritt: Jayojit Chatterjee hat für mehrere Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt und besucht sein Heimatland nun gemeinsam mit seinem Sohn, der nicht einmal mehr die bengalische Sprache spricht.

Neben seinen Romanen hat Chaudhuri noch einen Erzählband und einen Gedichtband veröffentlicht, der von der Kritik jedoch weniger einhellig positiv aufgenommen wurde. Teilweise wurden die Gedichte als narzisstisch bezeichnet. Außerdem trat er als Herausgeber des Sammelbandes The Picador Book of Modern Indian Literature auf, in dem er Kurzbiografien und Leseproben verschiedener zeitgenössischer indischer Schriftsteller für das englischsprachige Publikum zusammenstellte. Gelobt wurde das Buch vor allem dafür, im Gegensatz zu vergleichbaren Anthologien auch nicht-englischsprachige und international weniger bekannte Autoren zu berücksichtigen.

Als wichtige Einflüsse für sein Werk nennt Chaudhuri V. S. Naipaul, D. H. Lawrence und Jacques Derrida, mit denen er sich auch in theoretischen Schriften beschäftigte.[1][3]

Musik

Chaudhuri betätigt sich auch als Sänger im Bereich der klassischen nordindischen Musik. Bis heute hat er zwei CDs veröffentlicht, die überwiegend positiv rezensiert wurden. Die indische Musik bringt er mit westlichen Einflüssen wie Rock und Jazz zusammen. Dabei strebt er keine Fusion der beiden Traditionen an, sondern versucht nach eigenen Aussagen, zwischen den beiden Musikstilen, die er seit seiner Kindheit kennt, Parallelen zu finden. Indem er sie aufeinander bezieht, möchte er Hörern aus dem jeweils anderen Kulturkreis einen Zugang ermöglichen. Dabei arbeitet er mit Musikern aus beiden Traditionen zusammen. Chaudhuri hatte mit seinen Bands zahlreiche internationale Auftritte.[2][4]

Bibliografie

Prosa

  • A Strange and Sublime Address, 1991 (dt. Eine seltsame und erhabene Adresse)
  • Afternoon Raag, 1993 (dt. Raga des Nachmittags, in: Die Melodie der Freiheit. Drei Romane. Aus dem Engl. von Gisela Stege. Blessing, München 2001.)
  • Freedom Song, 1998 (dt. Die Melodie der Freiheit. Drei Romane. Aus dem Engl. von Gisela Stege. Blessing, München 2001.)
  • A New World, 2000 (dt. Ein Sommer in Kalkutta. Aus dem Engl. von Gisela Stege. Blessing, München 2002.)
  • Real Time: Stories and a reminiscence, 2002 (dt. Betörungen und fromme Lügen. Aus dem Engl. von Barbara Heller. Blessing, München 2005.)
  • The Immortals, 2009 (dt. Mrs. Sengupta will hoch hinaus. Aus dem Engl. von Barbara Heller. Blessing, München 2011.)
  • Odysseus Abroad. Oneworld, 2015
  • Friend of my Youth, 2017

Lyrik

  • St. Cyril Road and Other Poems, 2005

Essays und Kritik

  • Picador/Vintage Book of Modern Indian Literature, 2001 (als Herausgeber)
  • D. H. Lawrence and ‘Difference’: Postcoloniality and the Poetry of the Present, 2003
  • Small Orange Flags, 2003
  • Clearing A Space: Reflections on India, Literature and Culture, 2008
  • Memory's Gold: Writings on Calcutta, 2008
  • Calcutta: Two Years in the City, 2013
  • On Tagore: reading the poet today, 2013
  • Literary activism: perspectives, 2017 (als Herausgeber)
  • The origins of dislike, 2018
  • Finding the Raga: An Improvisation on Indian Music Faber & Faber, 2021

CD-Veröffentlichungen

  • Hindustani Classical
  • This is not Fusion, 2007

Preise

  • Betty Trask Prize (1991)
  • Commonwealth Writers Prize für das beste Erstlingswerk (1992)
  • K. Blundell Trust Award (1993)
  • Southern Arts Literature Prize (1993)
  • Encore Award (1994)
  • Los Angeles Times Book Prize (2000)
  • First Infosys Prize in the Humanities für herausragende Leistungen in der Literaturwissenschaft (2013)
  • James Tait Black Memorial Prize for Biography für Finding the Raga: An Improvisation on Indian Music (2022)[5]

Literatur

  • Winfried Wehle: Europa ist nicht der Rede wert: Amit Chaudhuris 'A new world'; ein postkolonialer Nachruf auf einen alten Kontinent. In: Brigitte Glaser, Hermann J. Schnackertz (Hrsg.): Europa interdisziplinär: Probleme und Perspektiven heutiger Europastudien. Würzburg 2005, S. 169–179. (PDF)
Commons: Amit Chaudhuri – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Padma Chandrasekaran: Amit Chaudhuri. In: Jaina C. Sanga (Hrsg.): South Asian Literature in English. Greenwood, Westport 2004, S. 46ff.
  2. Porträt der Freien Universität Berlin (Memento vom 18. Januar 2013 im Webarchiv archive.today) gesehen am 16. Oktober 2009.
  3. The British Council: Porträt Amit Chaudhuri (Memento vom 10. Juni 2007 im Internet Archive)
  4. Ivan Hewett: At the British Museum. (Memento vom 13. Januar 2013 im Webarchiv archive.today) gesehen am 16. Oktober 2009.
  5. Biography winners auf ed.ac.uk, abgerufen am 25. August 2022
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