Kessler-Zwillinge

Alice und Ellen Kessler (* 20. August 1936 in Nerchau, Sachsen, bürgerlich Kaessler) sind ein Zwillingspaar des deutschen Showgeschäfts. Sie wurden als die Kessler-Zwillinge bekannt und traten als Sängerinnen, Tänzerinnen, Schauspielerinnen und Entertainerinnen auf. Lange Zeit wurden sie zu den schönsten Frauen der Welt gezählt.

Alice (links) und Ellen Kessler (2005)

Künstlerische Laufbahn

Anfänge

Die Eltern der eineiigen Zwillinge, der Maschinenbauingenieur Paul Kaessler und seine Frau Elsa – beide musisch interessiert –, förderten die Mädchen früh und schickten sie als Sechsjährige zum klassischen Ballettunterricht. 1947 nahm das Kinderballett der Oper Leipzig die Schwestern auf, 1950 bestanden sie die Aufnahmeprüfung der dortigen Operntanzschule. 1952 nutzten sie ein Besuchervisum zur Flucht aus der DDR in die Bundesrepublik, wo bereits ihr Vater in Düsseldorf lebte. Im dortigen Revuetheater Palladium erhielten die Zwillinge ihr erstes Engagement als Tänzerinnen.

Dort sah sie 1955 der Direktor des Pariser Lido, Pierre Louis Guerin, und verpflichtete sie an sein weltberühmtes Varieté auf den Pariser Champs-Élysées. Dort feierten sie große Erfolge, wie sie später nur noch von einer anderen Deutschen, Marlène Charell, erreicht wurden. 1960 gingen die Schwestern nach Italien, wo sie als erste Frauen im Fernsehen „Bein zeigten“ (auch wenn selbige zu dieser Zeit noch in dicken, blickdichten Strumpfhosen steckten). In Frankreich änderten sie auch ihren Familiennamen von Kaessler in Kessler.

Film und Ballett in Deutschland

Die Kessler-Zwillinge mit Caterina Valente (Mitte) in der Caterina-Valente-Show (1967)

Die Filmkarriere der Kessler-Zwillinge begann ebenfalls 1955. Ihre erste gemeinsame Rolle erhielten sie in der Komödie Solang’ es hübsche Mädchen gibt. Es folgten einige Spielfilme, auch in Italien und Frankreich. Unter anderem wirkten sie in den deutschen Filmen Vier Mädels aus der Wachau (1957 – zusammen mit Isa Günther und Jutta Günther), Der Graf von Luxemburg (1957) und Die Tote von Beverly Hills (1964) mit. Neben ihren Filmengagements traten die Kessler-Zwillinge in zahlreichen Fernsehshows im In- und Ausland auf. Zu den Höhepunkten gehörten die Auftritte in der Perry Como Show 1963 und in den Rolf Harris Shows 1967 und 1971. Mit zunehmendem Alter verlagerten sie ihre Aktivitäten auf anspruchsvollere Engagements. 1976 traten sie am Münchner Gärtnerplatztheater als „Anna I“ und „Anna II“ in dem Ballett Die sieben Todsünden der Kleinbürger von Bertolt Brecht und Kurt Weill auf. Damit konnte die lange geplante Idee verwirklicht werden, ein persönlichkeitsgespaltenes Mädchen von Zwillingen darstellen zu lassen.

Schallplattenkarriere

Ende der 1950er Jahre begann auch die Schallplattenindustrie, sich für die Zwillinge zu interessieren. 1958 nahm die Plattenfirma Telefunken die erste Single mit Alice und Ellen Kessler auf, die jedoch wenig beachtet wurde. 1959 nahm auf Betreiben des Musikproduzenten Gerhard Mendelson die größte deutsche Plattenfirma Polydor das Duo unter Vertrag und brachte bis 1963 zwölf Duettsingles und sechs Platten, die sie zusammen mit Peter Kraus als das Gesangstrio Alice, Ellen & Peter besangen, heraus. Während die Duettplatten weiterhin erfolglos blieben, erreichten drei Titel mit Peter Kraus die Top 50 der deutschen Hitlisten, wobei der Song Honey Moon 1960 mit Platz 15 die beste Platzierung erreichte. 1959 nahmen Alice und Ellen Kessler für Deutschland am Grand Prix Eurovision 1959 teil. Mit ihrem Beitrag Heute abend woll’n wir tanzen gehen erreichten sie unter elf Teilnehmern Platz acht. Der Titel wurde anschließend in Deutschland nicht als Single veröffentlicht, sondern auf einer EP in Dänemark.[2]

Neben den deutschen Produktionen nahmen die Kessler-Zwillinge auch Schallplatten in französischer und italienischer Sprache auf. In Italien waren sie insbesondere mit ihrem Song Da-da-um-pa erfolgreich. Die italienischsprachige Version wurde zur Titelmelodie der RAI-Fernsehserie Studio Uno. Im Zusammenhang mit ihren Schallplattenproduktionen verlegten die Kessler-Zwillinge 1961 ihren Wohnsitz von Paris nach München. Nach ihrer Single Schotten-Twist / Ja, ja die Liebe beendeten Alice und Ellen 1963 ihre Schallplattenkarriere in Deutschland, setzten sie aber in Italien noch bis in die 1980er Jahre fort.

Weiterer Werdegang

Alice und Ellen Kessler bei einem Wohltätigkeitsball (1976)

Im Alter von 40 Jahren ließen sich die Zwillinge für die italienische Ausgabe des Playboy ablichten. Die Ausgabe war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. In Italien, wo sie von 1962 bis 1986 ihren festen Wohnsitz hatten, galten Alice und Ellen Kessler („Le gemelle Kessler“) lange Zeit als Ikonen des Fernsehens. Auch in den USA waren die Kessler-Zwillinge gefragt. Viele bekannte Hollywood-Persönlichkeiten ließen sich gerne mit den „deutschen Mädchen“ sehen, so unter anderem Frank Sinatra, Burt Lancaster und Elvis Presley. 2009 traten die Kessler-Zwillinge zusammen mit Bill Ramsey, Max Greger und Hugo Strasser auf, die zusammen mit der SWR Big Band die „Swing Legenden“ bildeten. Seit 1986 leben die Zwillinge in einem gemeinsamen Haus im Prominentenviertel Geiselgasteig in Grünwald im Landkreis München.

Sie sind beide langjährige Mitglieder im Paul Klinger Künstlersozialwerk e.V., das sich für Künstlerinnen und Künstler aller Gewerke einsetzt.

Auszeichnungen

Die Künstlerinnen wurden unter anderem mit der Goldenen Rose von Montreux und dem Bundesverdienstkreuz am Bande (1987) ausgezeichnet. Für ihre Verdienste um die deutsch-italienische Verständigung erhielten sie den Premio Capo Circe. Ihr Geburtsort Nerchau zeichnete sie anlässlich ihres 70. Geburtstages 2006 mit der Ehrenbürgerschaft aus.[3]

Filmografie

Kino

Fernsehen (Auswahl)

Diskografie

  • 1958: So wie Pierre / Kauft Rosen (Telefunken 55 072)
  • 1958: Zwei blonde Senoritas / Philadelphia (Polydor 23 862)
  • 1958: Teenager-Blues / Heiße Musik (Polydor 23 896)
  • 1959: Montecarlo Cha-Cha / Salto Italiano (Polydor 24 007)
  • 1960: Mondschein und Liebe / Ein Rendezvous mit dir (Polydor 24 208), als Alice, Ellen & Peter
  • 1959: Tschuwiduwidei / Nimm den Ring (Polydor 24 085)
  • 1959: Honey Moon, als Alice, Ellen & Peter / Schreib’ mir eine Karte (Polydor 24 131)
  • 1960: Wundervoll / Ich kann dir was erzählen (Polydor 24 339), als Alice, Ellen & Peter
  • 1960: Hallo Blondie / Happy Baby (Polydor 24 390)
  • 1961: Noch ein Jahr / Wenn das nicht so romantisch wär (Polydor 24 530), als Alice, Ellen & Peter
  • 1961: Die Kavaliere von 1910 / No Capito (Polydor 24 546)
  • 1961: Ich habe alles was ich brauche / Teddy (Polydor 24 590)
  • 1961: Treue ist nur ein Märchen / Piccadilly (Polydor 24 629)
  • 1961: Das nennt man l’amour / Sunday Boy (Polydor 24 720)
  • 1962: Johnny Angel / Da-da-um-pa (Polydor 24 733)
  • 1962: Denk an uns zwei / San Francisco (Polydor 24 737)
  • 1963: Schotten-Twist / Ja, ja die Liebe (Polydor 52 133)

Literatur

  • Ernst Probst: Königinnen des Tanzes. Probst, Mainz-Kostheim 2002, ISBN 3-935718-99-3.
  • Alice und Ellen Kessler: Eins und eins ist eins. Alice & Ellen Kessler. Die erste Autobiographie. Bruckmann, München 1996, ISBN 3-7654-2880-9.
  • Bettina Greve / Richard Weize: Immer im Doppelpack, Booklet der CD Zwei blonde Senoritas, Bear Family Records 2003, BCD 16617.
  • Angelika und Lothar Binding: Der große Binding Single Katalog, Band 1, Selbstverlag 1996, S. 357.
  • Günter Ehnert (Hrsg.): Hitbilanz Deutsche Chart Singles 1956–1980. Taurus Press 1987, ISBN 3-922542-24-7.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 4: H – L. Botho Höfer – Richard Lester. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 367 f.

Zeitungsbeiträge

  • Haig Latchinian: Die Kesslers sind zurück – Grandiose Rückkehr auf die deutsche Theaterbühne: Nach knapp zehn Jahren sind die Geschwister Alice und Ellen Kessler wieder in Deutschland zu sehen. Im Udo-Jürgens-Musical Ich war noch niemals in New York teilen sich die Schwestern aus Nerchau eine der Hauptrollen im Berliner Stage Theater des Westens. Eine besondere Aufgabe. Denn: Es ist erst der zweite getrennte Auftritt der sonst unzertrennlichen Show-Zwillinge aus dem Muldental. In: Leipziger Volkszeitung, Ausgabe Muldental, 2. Juni 2015, Seite 27 (ganzseitiger Beitrag)
Commons: Kessler-Zwillinge – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Charts DE
  2. Alice Og Ellen Kessler – Kess Og Sexy (1959, Vinyl). Abgerufen am 16. Februar 2021 (englisch).
  3. Leipziger Volkszeitung: Kessler-Zwillinge feiern ihren 160. Geburtstag. 20. August 2016, abgerufen am 28. Juli 2023.
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