Alexander Bean

Alexander „Sawney“ Bean oder Beane (Sawney ist eine Kurzform von Alexander[1]) heißt das legendäre Oberhaupt einer kannibalistischen Familie in Schottland im 16. Jahrhundert. Es wird behauptet, dass er, seine Frau und ihre 46 Kinder und Enkel über 1000 Menschen getötet und gegessen haben sollen, bevor sie festgenommen und hingerichtet wurden.

Alexander „Sawney“ Beane vor seiner Höhle. Seine Frau trägt zwei menschliche Beine in die Höhle. Links ein getötetes Opfer. Im Hintergrund naht der bewaffnete Suchtrupp. Kupferstich um 1734

Diese Geschichte findet sich in einer unter dem Pseudonym Captain Alexander Smith edierten und illustrierten Sammlung von Räuber- und Mörderbiographien, angeblich nie zuvor veröffentlicht (Never before made Publick), die 1726 in London erschien. Unter dem gleichen Pseudonym waren zuvor schon mehrfach Biographien realer und fiktiver Verbrecher erschienen. Die Geschichte wurde vielfach nachgedruckt, auch unter dem Pseudonym Captain Charles Johnson, der sich durch Piratenbiographien einen Namen machte, und im Newgate Calendar, einer Art Bulletin, das anfänglich Insassen und Hinrichtungen des bekannten Newgate-Gefängnisses in London beschrieb, später beliebige Kriminalgeschichten nachdruckte. Auch wenn Historiker nicht glauben, dass Sawney Beane jemals existierte, wurde seine Geschichte weitergegeben und ist inzwischen Legende und fester Bestandteil der schottischen Folklore und von Edinburghs Tourismusindustrie.

Der Anfang

Nach der 1726 in London unter dem Pseudonym Captain Alexander Smith publizierten Fassung verübte Alexander Beane seine Gräueltaten während der Herrschaft von König Jakob I., als dieser noch König von Schottland und noch nicht von England war, also in den Jahren von 1567 bis 1603. Beane wurde in der Grafschaft East Lothian geboren, acht oder neun Meilen östlich der Stadt Edinburgh. Seine Eltern verdienten sich ihren Lebensunterhalt als Zäuner (of Parents who went a Hedging and Ditching) und der Sohn erlernte von ihnen das Handwerk, merkte aber bald, dass ihm ehrliche Arbeit nicht lag. Beane nahm ein Weib, das ebenso verdorben war wie er. Die beiden lebten aber, so heißt es, nicht unter Menschen, sondern einsam in einer Höhle am Strand von Shire Galloway.[2]

Gezeigt wird eine Höhle am Bennane Head in South Ayrshire, nicht weit von Galloway, wo sie ihr Lager aufgeschlagen haben sollen. Die Höhle führt mehrere hundert Meter in den Fels und der Eingang war während der Flut vom Wasser blockiert. Hier sollen sie unerkannt 25 Jahre gelebt und während dieser Zeit etwa 1000 Menschen ermordet haben.

Familienleben und Kannibalismus

Anfangs überlebten Beane und seine Frau durch Wegelagerei und Ermordung von Reisenden. Sie stahlen ihnen Geld und andere verwertbare Gegenstände. Diese horteten sie in ihrer Höhle. Sie zu verkaufen, wagten sie nicht, da sie die Entdeckung fürchteten.[3]

Alexander Beane und seine Frau zeugten eine große Anzahl von Kindern und später auch „Enkel“, den Umständen nach durch inzuchtbasierte Beziehungen. Bevor sie ihr grausiges Ende fanden, bekamen sie acht Söhne, sechs Töchter und 18 Enkelsöhne und 14 Enkelinnen. Ihre Methoden waren einfach und effizient: Sie lauerten ihren überraschten Opfern aus dem Hinterhalt in kleinen Gruppen auf, überwältigten und töteten sie.

Die Einnahmen der Beutezüge waren allerdings nicht groß genug, den wachsenden Klan zu unterhalten. Daher begannen Bean und seine Familie, sich von den Getöteten zu ernähren. Die Opfer wurden also nicht nur all ihrer Habseligkeiten beraubt und ermordet, sondern auch noch in die Höhle geschleppt, ausgebeint und aufgegessen. Die Familie legte Reste in Salz und Essig ein oder räucherte sie als Vorräte für schlechte Zeiten.

Das Verschwinden zahlreicher Reisender blieb natürlich nicht unbemerkt. Als die Anzahl der Vermissten immer weiter anstieg und die Unruhe unter der Bevölkerung ebenfalls, sah sich der schottische König gezwungen, Soldaten und Polizeibeamte zu entsenden. Immer wieder wurden Verdächtige verhaftet und ohne große Umstände gehängt. Aber das Verschwinden von Reisenden dauerte an, alle Exekutierten erwiesen sich im Nachhinein als unschuldig.[4]

Gefangennahme und Hinrichtung

Schließlich wurde das Rätsel der vielen auf mysteriöse Art verschwundenen Menschen dann angeblich gelöst. Ein von einem Jahrmarkt heimwärts reitendes Paar wurde von einer Horde verwilderter Gestalten angegriffen. Während die Frau vom Pferd geholt und sofort getötet wurde, konnte sich der Mann zur Wehr setzen. Noch während des Kampfes kamen weitere Leute auf dem Nachhauseweg vom Markt dem Mann zu Hilfe und die Beane-Familie musste flüchten.[5]

Da ihre Existenz entdeckt war, wurde schon bald darauf die Jagd auf sie eröffnet – angeblich unter persönlicher Leitung des Königs. Er führte, so berichtet die Geschichte, mehr als 400 Mann mit Bluthunden zur Suche, und schon bald fanden sie die Höhle, die Beane und seiner Familie so lange als Unterschlupf gedient hatte. Die Szenerie, die sich den Soldaten bot, soll unbeschreiblich gewesen sein. In der Höhle hausten 48 völlig verwilderte Familienmitglieder, von der Decke hingen menschliche Körperteile zum Räuchern und überall fanden sich die Überreste der kannibalischen Mahlzeiten sowie die Habe der Überfallenen und Getöteten.[6]

Unmittelbar nach der Gefangennahme wurden die Mitglieder der Familie gebunden nach Edinburgh und von dort unter starker Bewachung nach Leith gebracht. Sie wurden schnell und ohne Prozess hingerichtet. Den Männern wurden Penis, Hände und Füße abgehackt und sie bluteten zu Tode. Die Frauen, die diesem Schauspiel zusehen mussten, wurden anschließend lebend auf drei Scheiterhaufen verbrannt, alle, so die Geschichte, ohne die geringste Reue und bis zum letzten Atemzug fluchend und geifernd.[7]

Wahrheit und Legende

Die Legende hat in die Folklore der Britischen Inseln Eingang gefunden. Alexander „Sawney“ Beane und seine kannibalistische Familie werden zum großen Teil als Mythos abgetan, hauptsächlich, weil es keine schriftlichen Quellen gibt. Es wird vermutet, dass eine Serie von Schandtaten dieser Größenordnung und dieser Dauer, beendet durch eine Jagd, an welcher der König persönlich teilnahm, mehr historische Berichte hinterlassen haben müsste, als bislang aufgetaucht sind.

Außerdem sind viele Historiker wegen der Behauptung skeptisch, vier Dutzend Leute hätten sich für so lange Zeit versteckt gehalten. Auch kann man sich die Frage stellen, warum bei dem Verschwinden von rund 1000 Menschen im Gebiet von Beanes Höhle nicht früher eine intensive Suche eingeleitet wurde. Angeblich wurde des Öfteren nach den Opfern gesucht, aber offenbar nicht an der richtigen Stelle an der Küste. So bleibt kriminalistisch eine ganze Reihe offener Fragen.

Die erste Erwähnung der Legende von Sawney Beane findet sich in einem englischen Volksbuch, einer Art Klatschpresse des 18. Jahrhunderts. Daher argumentieren viele, die Legende sei politische Propaganda gewesen, um die Schotten nach dem Jakobitenaufstand zu verunglimpfen. Dagegen spricht jedoch, dass in diesem Buch über englische Kriminelle in der gleichen Art und Weise berichtet wurde.

Ausgaben

  • Alexander Smith: Memoirs of the Life and Times of the famous Jonathan Wild, together with the History and Lives of modern Rogues … that have been executed since his death. London 1726, S. 138–144. Google Books
  • Charles Johnson: A general and true history of the lives and actions of the most famous highwaymen, murderers, street-robbers, &c., Birmingham 1742, S. 30–33. archive.org
  • The Complete Newgate Calendar, vol. 1, London, Navarre Society Ltd., 1926, S. 37–41. web.archive.org

Künstlerische Rezeption

Im London Dungeon gibt es eine Wachsfigur von Sawney Beane. Die Legende von Alexander „Sawney“ Beane wurde sowohl in der Presse, der Musik als auch im Film behandelt.

Musik

  • Die Punkrock-Band Real McKenzies nahm einen Titel mit dem Namen Sawney Beane Clan auf.
  • Die britische Neofolk-Band Sol Invictus nahm einen Song mit dem Titel Sawney Bean bzw. The Man Next Door Is Very Strange auf.
  • Die amerikanische Musikband Deeds of Flesh hat ein Konzeptalbum mit dem Titel Inbreeding the Anthropophagi über den Fall eingespielt.
  • Der Musiker Snakefinger nahm in sein Album Night of Desirable Objects einen Song mit dem Titel Sawney Bean/Sawney’s Death Dance auf, das die Geschichte der Beane-Familie und ihrer gruseligen Überfälle beschreibt.
  • Die Band Vogelfrey veröffentlichte einen Song namens Sawney Bean, in dem über die Geschichte erzählt wird.

Film

  • The Hills Have Eyes (1977, Regie: Wes Craven), der die Sawney-Familie in die heutige Zeit transferierte und in den USA ansiedelte.
  • Tunnel der lebenden Leichen (Regie: Gary Sherman) entstand 1972 und versetzt Sawney in einen baufälligen Tunnel der London Underground.
  • Evil Breed: The Legend of Samhain (2003, Regie: Christian Viel), eine entschärfte Version der Sawney-Legende im modernen Irland.
  • Wrong Turn (2003, Regisseur: Rob Schmidt) lässt die Sawney-Familie in West-Virginia aufleben.
  • The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen (2006, Regie: Alexandre Aja), Neuverfilmung des gleichnamigen Films von Wes Craven aus dem Jahr 1977.
  • Sawney – Menschenfleisch (2012, Regie: Rick Wood). Der Film greift die Grundzüge des Mythos auf und verlagert die Geschichte ins 21. Jahrhundert.
  • Shingeki no Kyojin (Attack on Titan), in Manga und Anime werden zwei gefangene Titanen „Sawney“ und „Bean“ genannt.

Literatur

  • Ronald Holmes: The Legend of Sawney Bean. Muller, London 1975, ISBN 0-584-10156-2
  • Jack Ketchum: Off season. Headline Books, London 1995, ISBN 0-7472-5045-6
  • Mick Lewis: The bloody man. Citron Books, London 1998, ISBN 0-7544-0009-3
  • Sharyn McCrumb: Paying the piper. Severn Publications, New York 1991, ISBN 0-7278-4247-1
  • Larry A. Morse: The Flesh eaters. Warner Books, New York 1979, ISBN 0-446-82633-2
  • John Nicholson (Hrsg.): Historical and traditional tales connected with the South of Scotland. Kirkcudbright 1923 (Repr. d. Ausg. London 1843)
  • The Galloway Gazette vom 28. November 1994
  • Peter & Julia Murakami: Lexikon der Serienmörder- 450 Fallstudien einer pathologischen Tötungsart, Ullsteinverlag 2000

Belege

  1. John Camden Hotten: A Dictionary of Modern Slang, Cant, and Vulgar Words. 2. Auflage, London 1860, S. 206. Das Wörterbuch verzeichnet drei Bedeutungen, 1: SAWNEY, or SANDY, a Scotchman. Corruption of Alexander. 2. SAWNEY, a simpleton. 3. SAWNEY, bacon. SAWNEY HUNTER, one who steals bacon. Google Books
  2. Smith 1726, S. 138
  3. Smith 1726, S. 139
  4. Smith 1726, S. 140
  5. Smith 1726, S. 142
  6. Smith 1726, S. 143
  7. Smith 1726, S. 144
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