Alemannische Minuskel

Als alemannische Minuskel bezeichnet man eine regionale Schriftart, die von etwa 740 bis 840 im Bodenseeraum in Gebrauch war. Sie wurde von der karolingischen Minuskel abgelöst.

Alemannische Minuskel in einer 781 geschriebenen Handschrift. St. Gallen, Stiftsbibliothek, Codex 11, Seite 59

Verbreitung

Die alemannische Minuskel erhielt ihren Namen vom Schweizer Paläographen Albert Bruckner, der sie in den 1930er Jahren beschrieb und von anderen Regionalschriften unterschied.[1]

Die beiden Zentren dieser Schrift waren die Skriptorien der Klöster St. Gallen und Reichenau. Vermutlich war sie ebenfalls in der Domschule von Konstanz sowie in den Klöstern Freising, Murbach und Mondsee in Gebrauch. Man verwendete sie sowohl für Urkunden als auch für Codices, wie auch für die Beschriftungen des St. Galler Klosterplans.

Psalm 117 (116) im Wolfcoz-Psalter, um 825

Charakteristik

Wie alle Minuskelschriften ist auch diese eine Weiterentwicklung der jüngeren römischen Kursive. Sie zeichnet sich durch breite, schön gerundete Buchstaben und gut proportionierte Oberlängen bei wenig Neigung und weitem Zeilenabstand aus.[2] Typisch sind

  • das sogenannte cc-a, ein aus zwei Bögen gebildeter Buchstabe „a“ (im Schriftbeispiel gut zu erkennen: 1. Wort, Zeile 4 „laudate“),
  • der Buchstabe „g“ in der Form einer 3,
  • und die nt-Ligatur in der Wortmitte, mit dem nach unten verrutschten Querbalken beim „t“ (beides gut zu erkennen beim letzten Wort der dritten Zeile: „gentes“).[3]

Literatur

  • Natalie Maag: Alemannische Spuren in Lorsch. In: Julia Becker, Tino Licht, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Karolingische Klöster. Wissenstransfer und kulturelle Innovation. De Gruyter, Berlin/Boston 2015, S. 163–173 (Der ganze Band ist online verfügbar)
  • Natalie Maag: Alemannische Minuskel (744–846 n. Chr.). Frühe Schriftkultur im Bodenseeraum und Voralpenland (= Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 18). Hiersemann, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-7772-1422-1
  • Bernhard Zeller: Schriftformen: Alemanien. In: Hans Rudolf Sennhauser (Hrsg.): Wandel und Konstanz zwischen Bodensee und Lombardei zur Zeit Karls des Grossen. Zürich 2013, S. 310–318.
  • Tino Licht: Die älteste karolingische Minuskel. In: Mittellateinisches Jahrbuch 47, 2012, S. 337–346.
  • Walter Berschin: Sanktgallische Schriftkultur. In: Werner Vogler (Hrsg.): Die Kultur der Abtei Sankt Gallen. St. Gallen 1998, S. 69–80.
  • kurzer Überblick über Natalie Maags Dissertationsvorhaben (mittlerweile abgeschlossen) mit zwei Schriftbeispielen.
  • Tino Licht: Die älteste karolingische Minuskel. Volltext.

Einzelnachweise

  1. Bernhard Zeller: Schriftformen: Alemanien. In: Hans Rudolf Sennhauser (Hrsg.): Wandel und Konstanz zwischen Bodensee und Lombardei zur Zeit Karls des Grossen. Zürich 2013, S. 310.
  2. Walter Berschin: Sanktgallische Schriftkultur. In: Werner Vogler (Hrsg.): Die Kultur der Abtei Sankt Gallen. St. Gallen 1998, S. 70.
  3. Natalie Maag: Alemannische Spuren in Lorsch. In: Julia Becker, Tino Licht, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Karolingische Klöster. Wissenstransfer und kulturelle Innovation. Berlin/Boston 2015, S. 164.
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