Aleh Alkajeu

Aleh Leanidawitsch Alkajeu (belarussisch Алег Леанідавіч Алкаеў; russisch Олег Леонидович Алкаев Oleg Leonidowitsch Alkajew; wiss. Transliteration Oleg Leonidovič Alkaev; oft auch Oleg Alkayev; geboren am 11. Dezember 1952[1] in Leninsk-Kusnezki, Oblast Kemerowo, Sowjetunion; gestorben am 20. September 2022[2]) war ein belarussischer Justizvollzugsbeamter und Whistleblower. Er arbeitete 27 Jahre in unterschiedlichen Strafanstalten. Während seiner Zeit als Leiter der Haftanstalt Nummer 1 in der belarussischen Hauptstadt Minsk unterstand ihm dort im Rang eines Oberst zwischen 1996 und 2001 ein für Hinrichtungen abkommandiertes Erschießungskommando.[3] Nach seinen Veröffentlichungen über dessen Tätigkeit tauchte er zunächst in Moskau unter, bis er schließlich in Deutschland Asyl fand.

Aleh Alkajeu (2011)

Leben

Aleh Alkajeu wuchs im Osten Kasachstans auf. In der Sowjetzeit war er im Strafvollzug tätig, wo er bis zum Stellvertreter des Leiters eines Arbeitslagers aufstieg. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ging er Anfang der 1990er Jahre nach Belarus, wo seine Frau eine Stelle als Ärztin bekam und er im Gefängnis arbeitete.[4]

Zwischen Dezember 1996 und Mai 2001, während Alkajeu Leiter der Minsker Strafanstalt Nr. 1 war, fanden seinen Angaben nach 134 Hinrichtungen statt.[5] Begnadigungen gab es nach Alkajeu in der Zeit nur eine.[6]

Im Jahr 2001 machte Alkajeu Enthüllungen im Fall der Entführung und mutmaßlichen Ermordung von bekannten belarussischen Politikern. Nach seinen Aussagen hat er 1999 auf Anweisung des damaligen Innenministers Juryj Siwakow den SOBR-Kommandanten Dsmitryj Paulitschenka mit dem Verfahren der Hinrichtung vertraut gemacht. Im selben Jahr gab Alkajeu auf persönliche Anweisung des Ministers zweimal eine Spezialpistole PB-9 aus,[7] die für die Durchführung von Hinrichtungen bestimmt war; später, nachdem er die Daten verglichen hatte, behauptete er, dass Juryj Sacharanka, Wiktar Hantschar und Anatol Krassouski mit dieser Pistole getötet worden seien. Als ihm klar wurde, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht die Absicht hatten, die notwendigen Ermittlungsschritte zu unternehmen, veröffentlichte er Interviews und Dokumente in der oppositionellen Presse.[8] An dem Tag, an dem die Zeitungen mit diesen Dokumenten veröffentlicht wurden, verließ Alkajeu Minsk, lebte einige Zeit in Moskau und ging dann zu Verwandten nach Deutschland. Seit dem 25. Juli 2001 lebte er in Berlin.[9] Im Jahr 2002 wurde ihm in Deutschland politisches Asyl gewährt.[10][11]

In seinem Buch Rasstrelnaja komanda[12] („Erschießungskommando“) liefert der Augenzeuge Aleh Alkajeu wichtige Angaben über die Geschichte des Strafvollzugs in Belarus; es ist Verlagsangaben zufolge „ein einzigartiges Dokument“ zum Verfahren der Todesstrafe in Belarus. Alkajeus Angaben zufolge dauert die ganze Prozedur, von der Verkündung des abgelehnten Gnadengesuchs bis zum Schuss, nicht länger als zwei Minuten.[13] Er änderte das Hinrichtungsverfahren, das früher direkt am Beerdigungsort im Wald stattfand. Danach fanden sie in einem besonders ausgestatteten Raum statt, was seinen Angaben zufolge die Arbeit der Gruppe verkomplizierte.[14]

Im Januar 2021 wurde in EUobserver ein Gespräch zwischen dem damaligen belarussischen KGB-Chef Wadim Saizew und zwei Personen vom 11. April 2012 veröffentlicht, in dem es unter anderem um die Organisation der Ermordung Alkajeus ging.[15][16][17][18]

Siehe auch

Literatur

  • Расстрельная команда. 2006; ISBN 5-91114-003-9 (russ.) - Auszüge
    • Rasstrel'naâ komanda (ang.) Współtwórca Fundacja „Otwarta Białoruś“. [S.l. : Dzmitry Surba Open Belarus Foundation, cop. 2010]
    • Oleg Leonidovič Alkaev; Fundacja „Otwarta Białoruś“: Shooters team : there is a profession killing people [S.l.]: Dzmitry Surba Open Belarus Foundation, copyright 2006 by Oleg Alkaev, copyright 2010 (Foreword) by Dzmitry Surba; ISBN 9788392963011* (mit den Photos von V. Shayman (Generalstaatsanwalt), U. Sivakov (Innenminister), V. Naumov (Chef des Sicherheitsdienstes des Präsidenten) und D. Pavlichenko (Chef der Schnellen Spezialeingreiftruppe) auf der Titelseite)[19]
    • Het executiecommando: verdwijningen, executies en moorden in Wit-Rusland. 2009, ISBN 9789051796773 * (Übers. V. Volodarski)
Commons: Oleg Alkaev – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. human-rights-belarus.org
  2. Умер Олег Алкаев
  3. Henker in Weißrussland: „Ein Job wie jeder andere.“
  4. Ingo Petz: Der Schlächter von Minsk, ingopetz.com, 12. Juni 2013
  5. A Job Responsibility. A conversation with Oleg Alkaev
  6. A Job Responsibility. A conversation with Oleg Alkaev (ca. 3.00 min)
  7. Zur Zahlen- und Buchstabenfolge „PB-9 Nr P057C“, vgl. Ließ Weißrusslands Präsident seine Gegner hinrichten? (Jens Hartmann) – welt.de
  8. Расстрельная команда
  9. Расстрельная команда – belaruspartisan.org (aus dem Webarchiv)
  10. Бывший начальник СИЗО Олег Алкаев получил политическое убежище в Германии
  11. A Job Responsibility. A conversation with Oleg Alkaev (Germany wasn't my choice, I came here on vacation.) – Politisches Asyl in Berlin stellte er bei einem Urlaubsbesuch, nachdem ihm Freunde von einer Rückkehr abgeraten hatten. Er lebt in Berlin-Marzahn.
  12. russisch Расстрельная команда, wiss. Transliteration Rasstrel'naja komanda
  13. October 13, 2009, Gypsy Laborer Faces Execution in Belarus
  14. A Job Responsibility. A conversation with Oleg Alkaev (ca. 4:00 min. - Dann ca. 4:30 „I hoped to have humanised (sic!) the process as best as I could.“ – engl. Untertitel)
  15. Экс-глава КГБ Беларуси Зайцев обсуждает убийство Шеремета: Сделаем закладку.., чтобы ни рук, ни ног — Хартия’97 :: Новости Беларуси — Белорусские новости — Новости Белоруссии …
  16. Lukaschenkos blutige Anschlagspläne in Deutschland (Deutsche Welle)
  17. Es muss wie ein Unfall aussehen (taz.de)
  18. Andrew Rettman, EU-Observer: Lukashenko plotted murders in Germany
  19. Zur Personengruppe, vgl. die Durchführungsverordnung (EU) 2021/339 des Rates vom 25. Februar 2021 zur Durchführung von Artikel 8a der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus In: EUR-Lex.
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