Somalia-Kuhantilope

Die Somalia-Kuhantilope (Alcelaphus swaynei), auch Swaynes Kuhantilope oder Korkay genannt, ist eine im zentralen Äthiopien vorkommende Art der Antilopen innerhalb der Kuhantilopen (Alcelaphini). Sie unterscheidet sich von anderen Vertretern der Gattung durch ihr kontrastreicheres Fell sowie ihre kleineren und weiter auseinanderstehenden Hörner. Die Tiere leben in höheren Gebirgslagen um 2000 m und bewohnen Kurzgrassavannen. Sie bilden kleine Herdenverbände, die sich zeitweise auch zu größeren Gruppen zusammenschließen können. Ihre hauptsächliche Nahrung besteht aus Gräsern. Das einst größere Verbreitungsgebiet ist heute stark zusammengeschrumpft. Gegenwärtig sind zwei wildlebende Populationen bekannt. Die Art gilt in ihrem Bestand als gefährdet. Sie wurde im Jahr 1892 wissenschaftlich eingeführt.

Somalia-Kuhantilope

Somalia-Kuhantilope (Alcelaphus swaynei)

Systematik
ohne Rang: Stirnwaffenträger (Pecora)
Familie: Hornträger (Bovidae)
Unterfamilie: Antilopinae
Tribus: Kuhantilopen (Alcelaphini)
Gattung: Eigentliche Kuhantilopen (Alcelaphus)
Art: Somalia-Kuhantilope
Wissenschaftlicher Name
Alcelaphus swaynei
(Sclater, 1892)

Merkmale

Schädel einer Somalia-Kuhantilope

Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 250 cm und einer Schulterhöhe von 124 cm ist diese Antilopenart mittelgroß. Der Schwanz wird etwa 50 cm lang. Wie bei allen Eigentlichen Kuhantilopen ist der Kopf langgestreckt und leicht gebaut. Oberhalb der Vorderbeine erhebt sich ein kleiner Höcker (Widerrist), so dass die Rückenlinie scheinbar abfallend verläuft. Im Gegensatz zu ihren Verwandten aus dem östlichen Afrika zeigt die Somalia-Kuhantilope eine intensivere Fellfärbung. Allgemein ist das Fell dunkel schokoladen- bis rötlichbraun gefärbt, bei einigen Individuen kann es sehr dunkel bis schwärzlich sein, vor allem im Gesicht, am Nacken und an den Seiten. Die Einzelhaare sind braun mit weißen Spitzen. Als markante Merkmale treten dunkle Flecken in Gesichtsmitte und an den Beinen auf, bei sehr dunklen Tieren sind erstere aber kaum bemerkbar. Die Schwanzspitze ist schwarz gefärbt. Beide Geschlechter tragen Hörner, die von vorn betrachtet U- bis V-förmig auseinanderstehen. Die Hörner ähneln in ihrer Form denen der Kongoni-Kuhantilope (Alcelaphus cokii), sie sind aber nicht so winklig abgeknickt, sondern sanfter geschwungen, so dass sie eher einer Leier gleichen. Die Hornspitzen stehen aber deutlich weiter auseinander. Im Vergleich zu den Hörnern anderer Kuhantilopen sind sie relativ kurz und leicht gebaut, ebenso die Knochenzapfen, auf denen die Hörner aufsitzen. In Bezug auf Schädel- und Hornmaße besteht ein starker Geschlechtsdimorphismus.[1][2][3]

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet der Somalia-Kuhantilope (Alcelaphus swaynei) und der weiteren Arten der Eigentlichen-Kuhantilopen (Alcelaphus)

Die Somalia-Kuhantilope bewohnte ursprünglich die gesamte Gegend um den Äthiopischen Graben von Somalia im Norden südwärts bis zum See Zway. Sie verschwand Anfang des 20. Jahrhunderts aus Somaliland auf Grund der Rinderpest. Nun beschränkt sich ihr Vorkommen auf zwei Gebiete innerhalb des Grabenbruchs in Zentral-Äthiopien: das Senkelle Swayne's Hartebeest Sanctuary östlich von Shashemene und der Maze-Nationalpark. Zwei ausgewilderte Populationen aus dem Senkelle-Gebiet, die im Awash-Nationalpark und im Nechisar-Nationalpark angesiedelt wurden, überlebten nicht. Das gesamte Verbreitungsgebiet der Art wird heute mit 259 km² angegeben. Die Somalia-Kuhantilope lebt in Höhen ab 2000 m. Sie bewohnt dort trockene Kurzgrassavannen, die auf brachliegendem Land entstanden sind und von Süßgräsern wie Eleusine, Chloris oder Harpachne sowie Hundszahngräsern dominiert werden. Diese Bevorzugung von Kurzgrassavannen unterscheidet die Somalia-Kuhantilope stark von anderen Kuhantilopen.[4][2][5]

Lebensweise

Wie andere Kuhantilopen auch lebt die Somalia-Kuhantilope in Herden. Diese Herden bestehen aus Weibchen und deren Jungen. Eine Herde umfasst in der Regel weniger als 10 Individuen. Im November finden sich die Herden zusammen und bilden Gruppen von bis zu 180 Tieren. Diese Gruppenverbände splitten sich aber Mitte Dezember, zum Beginn der Geburtsphase, wieder auf. Männliche Tiere bilden teilweise Junggesellengruppen. Zwischen den männlichen Individuen stellen Flanken- und Kopfreiben wichtige soziale Interaktionen dar. Rangkämpfe untereinander wurden bisher nicht beobachtet, sodass die Männchen möglicherweise im Unterschied zu anderen Kuhantilopen nicht territorial leben. Die Hauptaktivitäten fallen auf die Zeit des frühen Morgens zwischen 06:00 und 10:00 Uhr und des späten Nachmittags zwischen 16:00 und 18.00 Uhr. Die Tageshitze verbringt ein Großteil der Tiere im Schatten. Die Nahrungsaufnahme nimmt mit rund sieben Stunden mehr als die Hälfte der aktiven Phase ein, der Rest verteilt sich auf Ruhe mit knapp vier Stunden, Wanderung mit etwas mehr als einer Stunde und sonstige Aktivitäten mit rund einer halben Stunde. Die Somalia-Kuhantilope ist an harte Grasnahrung angepasst (grazing) und bevorzugt kurze, üppige Grasstände. Wenn möglich trinken die Tiere regelmäßig, können aber auch längere Zeit ohne Wasser auskommen. Ein einzelnes Jungtier wird zwischen Dezember und Februar geboren. Die jährliche Fortpflanzungsphase ist dadurch relativ kurz und abweichend von der benachbarten Kongoni-Kuhantilope (Alcelaphus cokii) jahreszeitlich stärker gebunden. Es wird angenommen, dass rund zwei Drittel der Kälber das erste Jahr überlebt. Gelegentlich erkranken Tiere an der Rinderpest wie 1897 beobachtet. Generell sind Kuhantilopen aber weniger anfällig, als es beispielsweise bei den Leierantilopen der Fall ist.[4][2][3]

Systematik

Innere Systematik der Eigentlichen Kuhantilopen nach Flagstad et al. 2001[6]
 Alcelaphus  


 Alcelaphus caama


   

 Alcelaphus lichtensteinii



   



 Alcelaphus cokii


   

 Alcelaphus lelwel



   

 Alcelaphus tora


   

 Alcelaphus swaynei




   

 Alcelaphus major




Vorlage:Klade/Wartung/Style

Die Somalia-Kuhantilope ist eine Art aus der Gattung der Eigentlichen-Kuhantilopen (Alcelaphus). Die Eigentlichen Kuhantilopen sind mittelgroße Vertreter der Antilopen, die sich durch einen schlanken Kopf und lange Beine auszeichnen. Allerdings zeigen sie eine beträchtliche Variationsbreite. Sie sind über weite Teile des östlichen, westlichen und südlichen Afrikas verbreitet und gelten als spezialisierte Grasfresser. Es werden mehr als ein halbes Dutzend Arten der Eigentlichen Kuhantilopen unterschieden. Die Gattung wiederum gehört zur Tribus der Kuhantilopen (Alcelaphini), welche unter anderem auch die Gnus (Connochaetes) und die Leierantilopen (Damaliscus) enthält. Die Tribus bildet wiederum einen Teil der Familie der Hornträger (Bovidae) und innerhalb dieser der umfassenden Unterfamilie der Antilopinae.[2][7][8]

Ursprünglich wurden alle Vertreter der Eigentlichen Kuhantilopen zu einer Art zusammengefasst, der „Kuhantilope“ (Alcelaphus buselpahus) und als Unterarten betrachtet. Molekulargenetische Studien aus dem Jahr 1999 und 2001 ließen innerhalb der Gattung drei Kladen erkennen. Eine beschränkt sich auf das südliche Afrika mit der Lichtenstein-Kuhantilope (Alcelaphus lichtensteinii) und der Südlichen Kuhantilope (Alcelaphus caama), eine weitere umfasst das westliche Afrika und schließt die Westafrika-Kuhantilope (Alcelaphus major) ein. Die dritte Klade wiederum besteht aus den vier ostafrikanischen Vertretern. Die Somalia-Kuhantilope stellt dabei die Schwestergruppe der Tora-Kuhantilope (Alcelaphus tora) dar. Zwischen der westlichen und östlichen Klade kommt es gelegentlich zu Genaustausch, die südafrikanische Gruppe hingegen ist monophyletisch. Allerdings tritt in der östlichen Klade eine „Mischgruppe“ auf, die eventuell auf falsche Zuweisungen zurückgeht. Aus der hohen Vielfalt in der östlichen Gruppe und dem gelegentlichen Austausch mit den westafrikanischen Formen schlussfolgerten die Autoren der Studie, dass die Eigentlichen Kuhantilopen wohl in Ostafrika ihren Ursprung haben. Den Beginn der Diversifikation setzen sie vor rund 500.000 Jahren im Mittelpleistozän an. Als weiteres Ergebnis vermuteten sie, dass die Gattung aus wenigstens zwei Arten besteht, die südliche Gruppe und die westlich/östliche Gruppe.[9][6] Peter Grubb hob daraufhin im Jahr 2005 die beiden südlichen Vertreter in einen eigenen Artstatus.[10] In einer Revision der Hornträger aus dem Jahr 2011 erkannten Colin Peter Groves und Grubb dann auch die anderen Formen als selbständige Arten an.[11] Die Ansicht wird aber nicht vollständig geteilt, andere Autoren sehen die „Kuhantilope“ als einzige bestehende Art an.[3]

Beobachtungen von Kuhantilopen im nordöstlichen Afrika reichen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, so unter anderem berichtet von Ethelbert Lort Phillips im Jahr 1885.[12] Die wissenschaftliche Erstbeschreibung der Somalia-Kuhantilope erfolgte im Jahr 1892 durch Philip Lutley Sclater unter der Bezeichnung Bubalis swaynei. Er verwendete dafür den Kopf mit Haut eines Individuums aus Somaliland, der aus der Sammlung des britischen Armeeangehörigen und Erforschers Harald George Carlos Swayne stammte. Ihm zu Ehren benannte Sclater auch seine neue Art.[13] Swayne selbst veröffentlichte im gleichen Jahr noch einen Bericht über seine Beobachtungen zur Lebensweise der Tiere, von hier stammt auch die Angabe der Typusregion mit Haud, etwa 170 km südlich der Stadt Berbera (100 miles from the coast).[14] Swaynes Beschreibungen flossen zwei Jahre später auch in das von Sclater und Oldfield Thomas veröffentlichte Buch The book of antelopes ein.[15] Die Existenz von Kuhantilopen in der Region war schon vorher bekannt gewesen, meist wurden die Tiere mit anderen Arten gleichgesetzt.[16]

Bedrohung und Schutz

Größte Bedrohung für die Somalia-Kuhantilope ist die Ausdehnung der land- oder weidewirtschaftlich genutzten Flächen sowie die Jagd. Die Art überlebt heute nur noch in zwei Schutzgebieten, dem Senkelle Swayne's Hartebeest Sanctuary und dem Maze-Nationalpark, und hat dadurch einen eng begrenzten Lebensraum. Das Senkelle-Gebiet ist vollständig von Ackerland und Viehweiden umgeben. Die weidenden Hausrinder konkurrieren vor allem während der Wachstumsperiode der Pflanzen mit den Wildtieren um die Nahrung, andererseits sehen die ortsansässigen Bauern ihre Ernte durch die Wildtiere bedroht.[17] Die IUCN stuft aus diesen Gründen die Somalia-Kuhantilope als „gefährdet“ (endangered) ein. Im Jahr 2008 wurde die Anzahl der wildlebenden Tiere auf etwa 800 Individuen eingeschätzt, wobei es in den drei Jahrzehnten davor teils starke Schwankungen in der Bestandsgröße gab. Demnach war um 2005 ein Tiefststand von insgesamt 480 Tiere zu verzeichnen.[18] Vor allem in der Senkelle-Region gab es ein jüngerer Zeit einen Anstieg der Population. Gegenwärtig (2016) gehen Experten von rund 1000 wildlebenden Somalia-Kuhantilopen aus. Zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen gehört der Erhalt der zwei noch existierenden Populationen.[5]

Literatur

  • Colin P. Groves und David M. Leslie Jr.: Family Bovidae (Hollow-horned Ruminants). In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 2: Hooved Mammals. Lynx Edicions, Barcelona 2011, ISBN 978-84-96553-77-4, S. 696
  • J. G. Lewis und R. T. Wilson: The ecology of Swayne's hartebeest. Biological Conservation 15, 1979, S. 1–12

Einzelnachweise

  1. Isabella Capellini und Leonard Morris Gosling: The evolution of fighting structures in hartebeest. Evolutionary Ecology Research 8, 2006, S. 997–1011
  2. Colin P. Groves und David M. Leslie Jr.: Family Bovidae (Hollow-horned Ruminants). In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 2: Hooved Mammals. Lynx Edicions, Barcelona 2011, ISBN 978-84-96553-77-4, S. 696
  3. L. Morris Gosling und Isabella Capellini: Alcelaphus buselaphus Hartebeest. In: Jonathan Kingdon, David Happold, Michael Hoffmann, Thomas Butynski, Meredith Happold und Jan Kalina (Hrsg.): Mammals of Africa Volume VI. Pigs, Hippopotamuses, Chevrotain, Giraffes, Deer and Bovids. Bloomsbury, London, 2013, S. 511–526
  4. J. G. Lewis und R. T. Wilson: The ecology of Swayne's hartebeest. Biological Conservation 15, 1979, S. 1–12
  5. IUCN SSC Antelope Specialist Group: Alcelaphus buselaphus ssp. swaynei. The IUCN Red List of Threatened Species 2017. e.T809A3145291 (); zuletzt abgerufen am 11. Oktober 2017
  6. Øystein Flagstad, Per Ole Syvertsen, Nils Chr. Stenseth und Kjetill S. Jakobsen: Environmental change and rates of evolution: the phylogeographic pattern within the hartebeest complex as related to climatic variation. Proceedings of the Royal Society of London B 268, 2001, S. 667–677. doi:10.1098/rspb.2000.1416
  7. L. Morris Gosling und Jonathan Kingdon: Tribe Alcelaphini Alcelaphines. In: Jonathan Kingdon, David Happold, Michael Hoffmann, Thomas Butynski, Meredith Happold und Jan Kalina (Hrsg.): Mammals of Africa Volume VI. Pigs, Hippopotamuses, Chevrotain, Giraffes, Deer and Bovids. Bloomsbury, London, 2013, S. 488–489
  8. L. Morris Gosling: Genus Alcelaphus Hartebeest. In: Jonathan Kingdon, David Happold, Michael Hoffmann, Thomas Butynski, Meredith Happold und Jan Kalina (Hrsg.): Mammals of Africa Volume VI. Pigs, Hippopotamuses, Chevrotain, Giraffes, Deer and Bovids. Bloomsbury, London, 2013, S. 510–511
  9. Peter Arctander, Carsten Johansen und Marie-Agnès Coutellec-Vreto: Phylogeography of Three Closely Related African Bovids (Tribe Alcelaphini). Molecular Biology and Evolution 16 (12), 1999, S. 1724–1739
  10. Don E. Wilson und DeeAnn M. Reeder: Mammal Species of the World. A taxonomic and geographic Reference. Johns Hopkins University Press, 2005 ()
  11. Colin Groves und Peter Grubb: Ungulate Taxonomy. Johns Hopkins University Press, 2011, S. 1–317 (S. 108–280)
  12. Ethelbert Lort Phillips: Notes on the antelopes from Somaliland. Proceedings of Zoological Society of London 1885, S. 930–932 ()
  13. Philip Lutley Sclater: On a new antelope from Somaliland, and on some other specimens of antelopes from the same country. Proceedings of Zoological Society of London 1892, S. 98–102 ()
  14. Harald George Carlos Swayne: Field notes on the antelopes of Northern Somaliland. Proceedings of Zoological Society of London 1892, S. 300–308 ()
  15. Philip Lutley Sclater und Oldfield Thomas: The Book of Antelopes. Volume I. London, 1894–1900, S. 21–25 ().
  16. Philip Lutley Sclater: On some mammals from Somali-land. Proceedings of Zoological Society of London 1884, S. 538–542 ()
  17. Tewodros Kumssa und Afework Bekele: Human-wildlife conflict in Senkelle Swayne's Hartebeest Sanctuary, Ethiopia. Journal of Experimental Biology and Agricultural Sciences 1, 2013, S. 32–38
  18. Yosef Mamo, Girma Mengesha, Aramede Fetene, Kefyalew Shale und Mezemir Girma: Status of the Swayne's Hartebeest (Alecelpahus buselaphus swaynei) meta-population under land cover changes in Ethiopian protected areas. International Journal of Biodiversity and Conservation 4, 2012, S. 416–426
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