Albert Andergassen

Albert Andergassen (* 10. Jänner 1925 in Innsbruck; † 4. Jänner 1965 ebenda) war ein österreichischer Ingenieur, Baumeister und Wohnungsbaumanager. Ein Großvater war Josef Andergassen.

Gedenktafel für Albert Andergassen

Widerstand

Nach dem Anschluss im Jahr 1938 wurde von mehreren Tiroler Jugendführern der ehemals österreichischen Jugendverbände die legitimistische Widerstandsgruppe Freiheit Österreich bzw. Vergißmeinnicht gegründet. Das Ziel war Erfassung aller waffenfähigen jungen Männer für einen geplanten, bewaffneten Widerstand und für die Errichtung einer österreichischen Monarchie unter Otto von Habsburg.

Der Schüler Albert Andergassen war Mitglied dieser Widerstandsgruppe. Es gab regelmäßige Treffen der Gruppe in Privatwohnungen der Mitglieder und bei getarnten Ausflügen.

Ein Teil der Widerstandskämpfer wurde bereits Anfang Oktober 1938 und im Juli 1939 von der Gestapo verhaftet. Trotzdem trafen sich die Mitglieder weiterhin. Als Abzeichen und Erkennungszeichen diente der Gruppe ein Vergissmeinnicht.[1]

Bauprojekte

In der unmittelbaren Nachkriegszeit waren das Flüchtlingselend und der Bedarf nach Wohnraum besonders groß, deshalb engagierte sich der Apostolischen Administrator (der Diözese Brixen) von Innsbruck-Feldkirch, und spätere erste Diözesanbischof der neu gegründeten Diözese Innsbruck, Paulus Rusch für die Verwirklichung von Wohnungsbauprojekten. Rusch setzte sich besonders dafür ein, dass kircheneigene Baugründe als kostengünstige Pachtobjekte Siedlern zur Verfügung gestellt werden konnten. Unter seiner Ägide galt daher die Parole Gottesdienst ist Baudienst.[2][3]

Ruschs kirchenpolitisch sehr offene Perspektive, zeigte sich besonders in dem von ihm maßgeblich geprägten Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe aus dem Jahre 1956, in dem er eine Verbindung zum Sozialismus und deren politischen Vertretern herzustellen versuchte.

Albert Andergassen war Organisator und Beauftragter sämtlicher Bauprojekte des Bischofs, und er war davon überzeugt, dass man für einen Kirchenbau mehr brauche als einen einfachen Baumeister. Daher eröffnete er ein eigenes Planungsbüro und engagierte sich politisch und sozial.[4]

Andergassen war Initiator und Vorstandsmitglied der Gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft Frieden[5] und Leiter der Gemeinnützigen Wohn- und Siedlungsgesellschaft Schönere Zukunft.[6][7]

Es entstanden, unter Andergassens Leitung, die Völser PAX-Siedlung – bei derer Einweihung Bundeskanzler Julius Raab anwesend war – und die Heilig-Jahr-Siedlung.[8]

Unter seiner Bauaufsicht und finanzieller Verantwortung entstanden auch die Pfarrkirche Wilten-West und die Pfarrkirche zum Guten Hirten.[9]

Albert Andergassen war Initiator des Völser-See-Projekts, dessen Vision darin bestand, den Völser See aus der Epoche Kaiser Maximilian I., im Rahmen einer großen Wohnanlage wiederzuerrichten. Aufgrund vieler Gründe konnte das Projekt nicht realisiert werden. Nach Andergassens Tod wurde die Wohnanlage ohne See errichtet. Die heutige Völserseesiedlung unweit des Innsbrucker Flughafens, ist neben dem Olympischen Dorf, eine der am dichtesten bevölkerten Siedlungsgebiete im Ballungsraum der Tiroler Landeshauptstadt.[10][11][12]

UNHCR

Als 1956 der Ungarische Volksaufstand ausbrach und Flüchtlinge in Österreich Schutz suchten, fungierte Andergassen als UNHCR Flüchtlingsbeautragter, er übernahm die Verantwortung zur Schaffung von Flüchtlingsunterkünften. Aufgrund der Unterstützung durch norwegische Spendengelder konnte unter seiner Federführung das ehem. Hotel Wiesenhof in Gnadenwald angekauft, und zu einer ungarischen Schule mit Internat umfunktioniert werden.[13][14]

Engagement

Andergassen kandidierte im Wahlkreis Innsbruck-Stadt für die Österreichische Volkspartei bei den Landtagswahlen 1953[15] und 1961.[16]

Er leitete die Österreichischen Katholischen Arbeiterbewegung als 2. Vorsitzender von 1953 bis 1956,[17] und fungierte vorab – bei ihrer Neubegründung im April 1951 in Attnang-Puchheim – als provisorischer Vorsitzender der Diözese Innsbruck.

Andergassen organisierte Kirchenreisen nach Süddeutschland und in die Schweiz, im Zuge dessen er mit dem Bauorden Pater Werenfried van Straaten und Pater Johannes Leppich Kontakt aufnahm.[18]

Andenken

Trotz seines Idealismus scheiterte Albert Andergassen an beruflichen und persönlichen Problemen, er verstarb kurz vor seinem 40. Geburtstag in Innsbruck.[19]

Seine Leistungen posthum ehrend, wurden ihm ein Platz in Neu-Rum und eine Straße in Völs gewidmet.[20]

Quellen

  • Institut für Zeitgeschichte, München [Hrsg.]. Zarusky, Jürgen / Mehringer, Hartmut [Bearb.]: Widerstand als "Hochverrat" 1933–1945. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht. München: Saur, [o. J.]
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands [Hrsg.]: Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934–1945. Eine Dokumentation. 2 Bde. Wien: 1984. S. 496ff.
  • Andergassen, Albert: Heilig-Jahr-Siedlung und "Tiroler Bausteinplan". In: Caritas der Apostolischen Administratur Innsbruck [Hrsg.]: Wohnbau ist Dombau. Vom Wirken der Caritas im Jahre 1950. Die Heilig Jahr Siedlung. [Innsbruck]: [1950]. S. 11–15
  • Stimmzettel. Tiroler Landtagswahl 1953. Wahlkreis Innsbruck-Stadt. Österreichische Volkspartei (ÖVP). [...] 16. Albert Andergassen. Wohnbaugenossenschaftsbeamter, Innsbruck-Stadt. Stadtarchiv Innsbruck
  • Stimmzettel für die Tiroler Landtagswahl am 22. Oktober 1961. Österreichische Volkspartei (ÖVP). Wahlkreis Innsbruck. [...] 8. Ing. Albert Andergassen. Privatangestellter, Innsbruck. Stadtarchiv Innsbruck
  • Nayer, M.: Ing. Albert Andergassen †. In: Tiroler Tageszeitung. 6.1965 = 9. Jan. 1965. S. 3
  • Todesanzeigen. Ing. Albert Andergassen. In: Tiroler Tageszeitung. 6.1965 = 9. Jan. 1965. S. 17
  • Erinnerungen an Ing. Andergassen. [...] Und wo bleibt der See? In: Tiroler Tageszeitung. 209.1973 = 16. Sept. 1973. S. 3.
  • Ing. Albert-Andergassen-Straße. In: Völser Gemeinde Zeitung. 9.1993 = Sept. 1993. S. 13

Literatur

  • Caritas der Apostolischen Administratur Innsbruck (Hrsg.): Wohnbau ist Dombau. Vom Wirken der Caritas im Jahre 1950. Die Heilig-Jahr-Siedlung. Caritas der Apostolischen Administratur, Innsbruck 1950, DNB 576941018.
  • Norbert Möller: Moderner Kirchenbau im Raum Innsbruck seit 1945 (= Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs. Band 14). Stadtmagistrat, Innsbruck 1983, DNB 210311096.
  • Tiroler Gemeinnützige Wohnungsbau- und SiedlungsgesmbH. (Hrsg.): Festschrift 40 Jahre Bautätigkeit im Dienste unseres Landes. Innsbruck 1989.
  • Klaus Lugger, Claudia Wedekind: Wohnbau sozial: Innsbruck von 1900 bis heute. Haymon Verlag, Innsbruck 1993, ISBN 978-3-85218-135-6.
  • Bernhard Kriegbaum, Helmut Alexander (Hrsg.): Bischof Paulus Rusch. Wächter und Lotse in stürmischer Zeit. Verlag Kirche, Innsbruck 2004, ISBN 3-901450-64-2 (formal falsch).
  • Alexandra Haas: Ungarn in Tirol. Flüchtlingsschicksale 1945–1956. Innsbr. Forsch. zur Zeitgesch. Bd. 25. Innsbruck: Studien, 2008. S. 93ff. ISBN 978-3-7065-4486-3.

Einzelnachweise

  1. Volksgerichtshofsakt Nr. 3340 vom 27. Juli 1940. Anklageschrift Vorbereitung zum Hochverrat. In: Institut für Zeitgeschichte, München [Hrsg.]. Zarusky, Jürgen / Mehringer, Hartmut [Bearb.]: Widerstand als "Hochverrat" 1933-1945. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht. München: Saur, [o. J.]
  2. Caritas der Apostolischen Administratur Innsbruck [Hrsg.]: Wohnbau ist Dombau. Vom Wirken der Caritas im Jahre 1950. Die Heilig Jahr Siedlung.[Innsbruck]: [1950]
  3. Kriegbaum, Helmut Alexander-Bernhard [Hrsg.]: Bischof Paulus Rusch, Wächter und Lotse in stürmischer Zeit. Gedenkschrift. Innsbruck: Kirche, 2004
  4. Moeller, Norbert: Moderner Kirchenbau im Raum Innsbruck seit 1945. Veröff. des Innsbr. Stadtarchivs. Neue Folge. Bd. 14. Innsbruck: Stadtmagistrat, 1983. S. 138f.
  5. Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft Frieden registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung. Abgerufen am 24. März 2018
  6. Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgesellschaft Schönere Zukunft Ges.m.b.H. Abgerufen am 24. März 2018
  7. Nayer, M.: Ing. Albert Andergassen †. In: Tiroler Tageszeitung. 6.1965 = 9. Jan. 1965. S. 3
  8. Andergassen, Albert: Heilig-Jahr-Siedlung und "Tiroler Bausteinplan". In: Caritas der Apostolischen Administratur Innsbruck [Hrsg.]: Wohnbau ist Dombau. Vom Wirken der Caritas im Jahre 1950. Die Heilig Jahr Siedlung. [Innsbruck]: [1950]
  9. Moeller, Norbert. ... S. 138f.
  10. Nayer, M. ... S. 3f.
  11. Erinnerungen an Ing. Andergassen. [...] Und wo bleibt der See? In: Tiroler Tageszeitung. 209.1973 = 16. Sept. 1973. S. 3.
  12. Ing. Albert-Andergassen-Straße. In: Völser Gemeinde Zeitung. 9.1993 = Sept. 1993. S. 13
  13. Nayer, M. ... S. 3f.
  14. Haas, Alexandra: Ungarn in Tirol. Flüchtlingsschicksale 1945-1956. Innsbr. Forsch. zur Zeitgesch. Bd. 25. Innsbruck: Studien, 2008. S. 93ff.
  15. Stimmzettel. Tiroler Landtagswahl 1953. Wahlkreis Innsbruck-Stadt. Österreichische Volkspartei (ÖVP). [...] 16. Albert Andergassen. Wohnbaugenossenschaftsbeamter, Innsbruck-Stadt. Stadtarchiv Innsbruck
  16. Stimmzettel für die Tiroler Landtagswahl am 22. Oktober 1961. Österreichische Volkspartei (ÖVP). Wahlkreis Innsbruck. [...] 8. Ing. Albert Andergassen. Privatangestellter, Innsbruck. Stadtarchiv Innsbruck
  17. Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung Österreich. 4. Übersichtstabelle der Vorsitzenden und wichtiger Wegbegleiter. (Memento des Originals vom 6. März 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kaboe.at Abgerufen am 24. März 2018
  18. Moeller, Norbert. ... S. 138f.
  19. Todesanzeigen.Ing. Albert Andergassen. In: Tiroler Tageszeitung. 6.1965 = 9. Jan. 1965. S. 17
  20. Ing. Albert-Andergassen-Straße. In: Völser Gemeinde Zeitung. 9.1993 = Sept. 1993. S. 13
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