Agenor Gołuchowski der Jüngere

Agenor Maria Adam Graf Gołuchowski (* 25. März 1849 in Lemberg, Galizien; † 28. März 1921 ebenda) war ein adeliger polnisch-österreichischer Politiker und k.u.k. gemeinsamer Außenminister Österreich-Ungarns von 1895 bis 1906. Wegen des gleichen Namens seines Vaters wird er auch Agenor Gołuchowski der Jüngere genannt.

Agenor Gołuchowski der Jüngere
Wappen der Grafen Gołuchowski Graf von Gołuchowo

Leben

Agenor Gołuchowski war der Sohn des Innenministers und langjährigen Statthalters von Galizien Agenor Gołuchowski dem Älteren und jahrelang im diplomatischen Dienst der Doppelmonarchie: 1872 als Attaché in Berlin, 1880 Legationsrat in Paris und 1887 bis 1893 hauptverantwortlicher Gesandter in Bukarest. In Paris heiratete er Anna Murat (1863–1940), Urenkelin von Joachim Murat, mit der er drei Kinder bekam. 1893 zog er sich vorübergehend auf seine Güter im ostgalizischen Janów (heute in Oblast Lwiw) zurück.[1][2]

Ab 1875 war er, als Nachfolger seines Vaters, auch konservatives Mitglied des Herrenhauses, das Oberhaus des österreichischen Reichsrates und ab 1907 Obmann des einflussreichen Polenclubs, der Fraktion der polnischen Abgeordneten im Herrenhaus. Dort spielte er allerdings keine besonders aktive Rolle.[2]

Außenminister

Aufgrund seiner erfolgreichen Tätigkeit wurde er im Mai 1895 zum österreichisch-ungarischen Minister des Äußeren und des kaiserlichen Hauses berufen. Seine Außenpolitik war eine rein konservativ-beharrende, vorsichtig die Verhältnisse abwägende, es mangelte ihr an Initiative und aktiver Konzeption.[3] Als Außenminister verhandelte Gołuchowski während des Türkisch-Griechischen Kriegs um Kreta das österreichisch-russische Abkommen vom April 1897 in Sankt Petersburg über die Beibehaltung des Status quo am Balkan, das eine Dekade der Entspannungspolitik einleitete. Auch über Albanien und Makedonien konnte ein Ausgleich mit Russland gefunden werden.[1]

Die Beziehungen zu Großbritannien und Italien konnte er in seiner Amtszeit ebenfalls verbessern. Mit Italien vereinbarte Gołuchowski 1897 beziehungsweise 1900 den Status quo in der albanischen Frage.[4] Auch in der Frage des serbischen Dynastiewechsels nach der Ermordung von Aleksandar Obrenović 1903 verfolgte er den Kurs des Status quo. Während der Ersten Marokkokrise unterstützte Gołuchowski das verbündete Deutsche Kaiserreich, was ihm die Anerkennung Kaiser Wilhelms als „glänzender Sekundant“ eintrug. Seiner Stellung in Wien, wo er auf Unabhängigkeit vom mächtigen Partner Wert legte, hat das geschadet. Am 11. Oktober 1906 musste er auf Druck Ungarns während des sogenannten Schweinekriegs mit Serbien zurücktreten.[1][2] Anders als sein Nachfolger Alois Lexa von Aehrenthal war er in seiner an Höhepunkten armen Amtszeit Risiken jeder Art abgeneigt.[2]

Erster Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg trat er für die austropolnische Lösung, die Angliederung Kongresspolens an die Habsburgermonarchie, ein. Der deutsche Reichskanzler Bethmann Hollweg bestätigte gegenüber Gołuchowski die Überlassung Russisch-Polens an die Doppelmonarchie und die Bevorzugung der trialistischen Lösung durch Deutschland.[5] Gołuchowski, der gegen die subdualistischen Pläne Außenminister Buriáns und eine Teilung Galiziens (Abspaltung des ukrainischen Ostteils als eigenes Kronland) auftrat, versuchte im September 1915 in Warschau die Polen für einen Staatenbund mit deutsch-ungarisch-polnischer Vorherrschaft zu gewinnen. Er plante sogar Anfang 1916 zur Durchsetzung des Trialismus den ungarischen Ministerpräsidenten István Tisza zu stürzen und durch Andrássy, einen Befürworter des Trialismus, zu ersetzen.[5]

Literatur

  • Friedrich Gottas: Gołuchowski, Agenor d. J. Graf. In: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Band 2. München 1976, S. 67–69
  • Elfriede Hecht: Graf Goluchowski als Außenminister in Bezug auf Rußland und den Balkan. Ungedruckte Dissertation, Wien 1951.
  • Heinz Jankowsky: Graf Agenor Maria Adam Gołuchowski der Jüngere und seine Balkanpolitik. In: Władysław Kucharski (Hrsg.): Polacy w austriackim parlamencie. Die Polen im österreichischen Parlament. Verlag Wydawn. Multico, Lublin 1997, ISBN 83-86660-25-2.
  • Robert A. Kann: Goluchowski, Agenor Graf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 638 (Digitalisat).
  • Eva Wolf: Die Beziehungen Österreich-Ungarns zu Deutschland unter Goluchowski (1895–1906). Ungedruckte Dissertation, Wien 1967.
  • Gołuchowski Agenor Maria Adam Graf. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1959, S. 29 f. (Direktlinks auf S. 29, S. 30).
Commons: Agenor Maria Gołuchowski – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gołuchowski Agenor Maria Adam Graf. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1959, S. 29 f. (Direktlinks auf S. 29, S. 30).
  2. Robert A. Kann: Goluchowski, Agenor Graf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 638 (Digitalisat).
  3. Fritz Fellner, Heidrun Maschl (Hrsg.): Vom Dreibund zum Völkerbund. Studien zur Geschichte der internationalen Beziehungen 1882–1919. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1994, ISBN 3-7028-0333-5, S. 49 und 55.
  4. Fritz Fellner, Heidrun Maschl (Hrsg.): Vom Dreibund zum Völkerbund. Studien zur Geschichte der internationalen Beziehungen 1882–1919. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1994, ISBN 3-7028-0333-5, S. 50.
  5. Heinz Lemke: Allianz und Rivalität. Die Mittelmächte und Polen im ersten Weltkrieg. Verlag Böhlau, Wien/Köln/Graz 1977, ISBN 3-205-00527-9, S. 232f. und 239.
VorgängerAmtNachfolger
Gustav Kálnokyk.u.k. Außenminister
16. Mai 1895 – 24. Okt. 1906
Alois Lexa von Ährenthal
Benjámin von KállayLeiter des Gemeinsamen Finanzministeriums
(interimistisch)
Gouverneur von Bosnien und Herzegowina

14. Juli 1903 – 24. Juli 1903
István Baron Burián von Rajecz
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