Adolf Leschnitzer
Adolf Leschnitzer (geboren 3. Februar 1899 in Posen; gestorben 24. Juli 1980 in Centerport, New York) war ein deutsch-amerikanischer Germanist und Pädagoge.
Leben
Adolf Leschnitzer, Sohn des Apothekers Oscar und der Natalie, geb. Fuchs, sein jüngerer Bruder Franz Leschnitzer wurde später in der KPD aktiv. Er besuchte in Posen das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium und das Kaiserin-Auguste-Gymnasium in Charlottenburg.[1] 1917 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Ab 1918 studierte er Germanistik, Geschichte, Philosophie und Pädagogik in Berlin und Heidelberg, wo er 1923 promoviert wurde. Das Lehramtsreferendariat schloss er 1926 mit dem zweiten Staatsexamen ab und wurde in Berlin Lehrer. Er wurde bald zur Ausbildung des Lehrernachwuchses herangezogen und arbeitete seit Ende der 1920er Jahre auf den Gebieten der deutschen Literaturgeschichte und der Methodik des Deutschunterrichts.
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde er von Leo Baeck als Organisator des jüdischen Unterrichtswesens zur Reichsvertretung der Juden in Deutschland geholt, wo er Leiter der Schulabteilung wurde.[2] Es musste der Unterricht in 130 Schulen mit 38.000 Schülern organisiert werden und die drängenden Fragen der Sprache und der Auswanderung in die Lehrpläne aufgenommen werden. Leschnitzer musste in der Frage des Religionsunterrichts zwischen den Liberalen und Orthodoxen vermitteln[3] und vertrat 1936 die Entscheidung für die sephardische (Alltags-)Aussprache des Hebräischen.[3] Leschnitzer gab für die Schulen die Jüdischen Lesehefte heraus, von denen zwischen 1934 und November 1938 29 Nummern erschienen, Leschnitzer selbst verfasste das Heft 10: Das Judentum im Weltbild des Mittelalters.[4]
1939 emigrierten Leschnitzer und seine Frau, die Literaturwissenschaftlerin Maria Bratz, nach England und von dort 1940 in die USA, wo sie eine Sprachschule, das „American Institute of Modern Languages“, gründeten. Leschnitzer war von 1950 bis 1956 Vorsitzender der „New York Society of Teachers of German“. Ab 1943 arbeitete er für die US-Army als Sprachlehrer und als Berater. Er verfasste 1945 das Memorandum An Immediate Program for the Reconstruction of the German School System. Seit 1946 war er Sprachlehrer am City College of New York, wo er 1966 in den Ruhestand ging. Seit 1952 hatte er eine Gastprofessur an der FU Berlin und lehrte dort von 1957 bis 1972 als Honorarprofessor jüdische Geschichte und jüdische Kultur am „Institut für Judaistik“. Leschnitzer schrieb in New York für den Aufbau, von ihm wurden Beiträge in Zeitschriften und Handbüchern veröffentlicht. Er gehörte zu den Gründern des New Yorker Leo Baeck Institute und war dort Mitglied des Aufsichtsrats.
Neben diesen Brotberufen widmete sich Leschnitzer der Erforschung der jüdischen Geschichte, der Problematik der deutsch-jüdischen Beziehung und des Antisemitismus (bis 1945). Sein Buch Saul und David kreist um diese Problemstellungen.
Ehrungen
- Bollingen-Fellow (1951)
- Fulbright-Fellow (1961)
- Bundesverdienstkreuz am Bande (22. Oktober 1956)[5]
- Ehrendoktor der Freien Universität Berlin (1972)[6]
Schriften
- The magic background of modern anti-semitism. An analysis of the German-Jewish relationship. New York : International Universities Press, 1956
- Saul und David. Die Problematik der deutsch-jüdischen Lebensgemeinschaft. Heidelberg : Lambert Schneider, 1954
- Zu Martin Bubers 60. Geburtstag, 8. Februar 1938: ein Rundbrief an die jüdischen Lehrer. Berlin: Reichsvertretung der Juden in Deutschland. Schulabtlg, [1938]
- Das Judentum im Weltbild Europas. Jüdische Lesehefte, 10. Das Judentum im Weltbild des Mittelalters. Berlin: Schocken 1935
- Richtlinien zur Aufstellung von Lehrplänen für jüdische Volksschulen. Berlin: Reichsvertretung d. Dt. Juden, 1934
- Untersuchungen über das "Hohelied in Minneliedern", ein Beitrag zur Historienbibel-Forschung. Inaugural-Dissertation – Universität Heidelberg 1924.
Literatur
- Monika Richarz: Zwischen Berlin und New York. Adolf Leschnitzer, der erste Professor für jüdische Geschichte in der Bundesrepublik, in: Jürgen Matthäus, Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Deutsche – Juden – Völkermord. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart. WBG, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-18481-5, S. 73–86.
- Erich Fromm, Hans Herzfeld, Kurt Grossmann (Hrsg.): Der Friede : Idee und Verwirklichung. Festgabe für Adolf Leschnitzer. Schneider, Heidelberg 1961.
- Heinz Steinitz: Zum Tode von Adolf Leschnitzer, Aufbau, 1. August 1980, S. 4.
- Alfred Jospe: Leschnitzer, Adolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 326 f. (Digitalisat).
- Werner Röder; Herbert A. Strauss, (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Bd.1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. Saur, München 1980, S. 434.
- Joseph Walk: Jüdische Schule und Erziehung im Dritten Reich. Hain, Frankfurt am Main 1991.
Weblinks
Einzelnachweise
- Adolf Leschnitzer Collection 1914–1973, Einführung. Abgerufen am 11. Juni 2023 (englisch).
- Joseph Walk: Jüdische Schule und Erziehung im Dritten Reich, 1991, S. 117f
- Joseph Walk: Jüdische Schule und Erziehung im Dritten Reich, 1991, S. 137f
- Salomon Adler-Rudel: Jüdische Selbsthilfe unter dem Naziregime 1933–1939. Spiegel der Reichsvertretung der Juden in Deutschland. Tübingen 1974, S. 40 und passim
- Bundespräsidialamt
- Alfred Jospe: Leschnitzer, Adolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 326 f. (Digitalisat).