Adelsmarschall

Der Adelsmarschall, auch Gouvernement-Adelsmarschall, war der Vorsitzende und Leiter der Selbstverwaltung in den russischen Gouvernements. Während der russischen Herrschaft im Baltikum gab es zwischen 1785 und 1796 jeweils einen Adelsmarschall in den Ostseegouvernements Livland, Estland und der Insel Ösel. Im 1795 zum Russischen Reich eingegliederten Ostseegouvernement Kurland ersetzte der Adelsmarschall 1796 für ein Jahr den „Landesbevollmächtigten“.[1] Die Aufgaben des Adelsmarschalls ergaben sich aus der russischen Adelsordnung von 1785.

In Deutschland wurde von 1920 bis 1945 der Vorsitzende der Deutschen Adelsgenossenschaft mit Adelsmarschall tituliert, dieser hatte aber keine landespolitische Funktion.[2]

Die Baltischen Ritterschaften

Die Repräsentanten der einzelnen Ritterschaften hießen bis 1785 in Estland Ritterschaftshauptmann, in Livland und auf der Insel Oesel Landmarschall und in Kurland Landesbevollmächtigter. Eine Sonderstellung nahm die Insel Oesel ein, sie gehörte verwaltungsmäßig zum Gouvernement Estland, hatte aber ihre eigene Oeselsche Ritterschaft und wählte gleichwohl einen Adelsmarschall.[3]

Es folgte dann ab 1796 in den Ostseegouvernements eine Neuordnung, mit der Zar Paul I. (1754–1801) die alte Ordnung von 1785 wieder herstellte. Die Repräsentanten der Ritterschaften erhielten ihre ursprünglichen Namen und Aufgabenstellungen zurück.[4]

Öselsche Adelsmarschalle

Ab dem Jahr 1753 bis zur Auflösung wurde die Öselsche Ritterschaft durch einen Adelsmarschall geführt. Die federführende Person zum Umbau der Öselschen Selbstverwaltung war Baron Balthasar von Campenhausen, er war ab 1783 auf Ösel Vizegouverneur Livlands und ebenfalls ab 1783 amtierte Lorenz Gottlieb von der Osten-Sacken (1738–1795)[5] als Adelsmarschall. Am 15. September 1786 erhielt der Adelsmarschall vom Vizegouverneur die Anweisung für den 1. Oktober 1786 einen Landtag auszuschreiben, es sollte ein Adelsmarschall und verschiedene politische Institutionen neu besetzt werden. Am 5. Oktober 1786 wurde von Osten-Sacken in seinem Amt bestätigt.[6]

Estland und Livland

In den Gouvernements Estland und Lettland waren die Adelsmarschalle von 1783 bis 1796 die höchsten Repräsentanten der Estländischen Ritterschaft beim Zivilgouverneur und sie waren Vorsitzende der Gouverneursversammlungen. Livland wurde erst nach 1919 nach Estland und in Lettland aufgegliedert.

Adelsmarschalle in Estland

Adelsmarschalle in Livland

  • 1783–1786 Leonhard Johann von Budberg (1727–1796)[8]
  • 1786–1792 Moritz Friedrich von Gersdorff (1727–1796)[9]
  • 1792–1797 Friedrich Wilhelm von Sivers (1748–1823)
  • 1797 Otto Johann Magnus von Richter (1755–1826)[10]

Russische Adelsmarschalle

In den russischen Gouvernements[11] wurde die herkömmliche Bezeichnung „Adelsmarschall“ für den adligen Repräsentanten unverändert beibehalten. Die Adelsordnung in Russland, mit Ausnahme der baltischen, ehemals polnischen und einen Teil der klein-russischen Länder sah eine einheitliche Gliederung vor. Die Gouvernementsversammlungen wurden alle drei Jahre abgehalten und von Adelsleuten, Gutsbesitzern, Bauern und städtischen Bürgern beschickt. Zu dieser Tagung gehörten auch die Kreisdelegierten. Als Präsident stand dem Selbstverwaltungsorgan ein direkt vom Zaren ernanntes Mitglied vor, dieses war der Adelsmarschall. Die Entscheidungen der Versammlung und Verwaltung wurden mit einer ein Drittel Stimmenmehrheit beschlossen.[12] Einige bekannte russische Adelsmarschalle waren u. a.:

Adelsmarschall der Deutschen Adelsgenossenschaft

Die Führung der, 1874 gegründeten, Deutschen Adelsgenossenschaft lag in den Händen eines auf 10 Jahre gewählten Adelsmarschall, der vom Adelskapitel[13] gewählt wurde. Die Titulierung Adelsmarschall erfolgte erst ab 1925 davor hieß er Vorsitzender. Vorsitzende bzw. Adelsmarschalle von 1874 bis 1956 waren:

Organisation

Der Adelsmarschall ernannte die Mitglieder des Hauptvorstandes, dieser Hauptvorstand war der Stellvertreter des Adelsmarschalls. Der Adelsmarschall rief jährlich das Adelskapitel ein, dieses hatte die Aufgabe den Adelsmarschall zu wählen, die Wahl von Ehrenmitgliedern durchzuführen, den jährlichen Haushaltsplan zu verabschieden, die Entlastung des Schatzmeisters vorzunehmen und schließlich war es das geschäftsführende Organ.[14]

Trivia

Schlaraffia ist eine am 10. Oktober 1859 in Prag gegründete, weltweite deutschsprachige Vereinigung zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor. Sie ist eine Vereinigung von Männern, ihr Leitspruch heißt «In arte voluptas», «In der Kunst liegt das Vergnügen».[15] Sie ist in die Landesverbände Österreich, Deutschland, Schweiz, Nordamerika und Lateinamerika gegliedert. Zu ihren Amts- und Würdenträgern gehört auch ein „Kantzler sowie Wappen- und Adelsmarschall“.[16]

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Baltische Historische Kommission: Baltisches Rechtswörterbuch S. 35
  2. Organisation der Deutschen Adelsgenossenschaft. Auf: Institut Deutsche Adelsforschung - Quellenvermittlung für Wissenschaft, Familienforschung, Ahnenforschung Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 6. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/home.foni.net
  3. „Im Zuge der Einführung der russischen Adelsordnung - die den Rechtsstatus von Amtsinhabern im militärischen und zivilen Staatsdienst regelte- in die Ostseeprovinzen (1785) verlor der immatrikulierte Adel Liv- und Estlands sowie Ösels den Status einer vom russischen Adel separierten Korporation und wurde von der russischen Krone über die für den russischen Adel gültigen Rangtabelle und über seinen Dienst für den Zentralstaat in die russische Herrschafts- und Dienststruktur inkorporiert“. Vergleiche hierzu: Ralph Tuchtenhagen, Zentralstaat und Provinz im frühneuzeitlichen Nordosteuropa, Otto Harrassowitz Verlag, 2008, ISBN 3-447-05522-7, Seite 111
  4. Baltische Historische Kommission: Baltisches Rechtswörterbuch S. 35
  5. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Lorenz Gottlieb von der Osten-Sacken. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  6. Peter Wilhelm von Buxhöwen, Beiträge zur geschichte der provinz Oesell, Ausgabe Neuauflage, Verlag E. Götschel, 1838, Original von Bayerische Staatsbibliothek, Digitalisiert 14. Juli 2011, Seiten 236 ff
  7. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Alexander Philipp von Saltza. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  8. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Leonard Johann von Budberg-Bönninghausen. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  9. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Moritz Friedrich von Gersdorf. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  10. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Otto Johann Magnus von Richter. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  11. Vergleiche: Kategorie:Gouvernement des Russischen Reiches
  12. Russlands ländliche Zustände seit Aufhebung der Leibeigenschaft - Kapitel I. Über die agrarische Organisation Russlands.Lexicus-Verlag
  13. Ein Adelskapitel berät wichtige Fragen des Verbandes, er besteht allgemein aus dem Vorstand, den Vorsitzenden der Familienverbände, den Gebietsbeauftragten und weiteren Beisitzern. Am Beispiel des „Der Sächsische Adel“ Sachsen – Thüringen – Sachsen-Anhalt, Verbandsorgane
  14. Organisation der Deutschen Adelsgenossenschaft. Auf: Institut Deutsche Adelsforschung - Quellenvermittlung für Wissenschaft, Familienforschung, Ahnenforschung Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 6. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/home.foni.net
  15. Verband Allschlaraffia®- Was ist Schlaraffia®
  16. Vergleiche „Schlaraffia Baruthia“: Ambts und Würdenträger 100 Jahrungen Schlaraffia Baruthia (Memento vom 26. Juli 2016 im Internet Archive)
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