Essigsäureanhydrid
Essigsäureanhydrid (Acetanhydrid), auch Ac2O abgekürzt, ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Säureanhydride mit der Summenformel C4H6O3. Sie ist ein Essigsäurederivat, das durch die Kondensation zweier Essigsäuremoleküle entsteht. Dabei verbinden sich die Carboxygruppen zweier Moleküle Essigsäure unter Eliminierung von Wasser.
Strukturformel | ||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||
Name | Essigsäureanhydrid | |||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C4H6O3 | |||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farblose, stechend riechende Flüssigkeit[1] | |||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||
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Eigenschaften | ||||||||||||||||
Molare Masse | 102,09 g·mol−1 | |||||||||||||||
Aggregatzustand |
flüssig | |||||||||||||||
Dichte | ||||||||||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||||||||
Siedepunkt |
140 °C[2] | |||||||||||||||
Dampfdruck | ||||||||||||||||
Löslichkeit |
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Brechungsindex |
1,3901 (20 °C)[3] | |||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||
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MAK | ||||||||||||||||
Thermodynamische Eigenschaften | ||||||||||||||||
ΔHf0 | ||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C |
Geschichte
Essigsäureanhydrid wurde 1853 erstmals von Charles Frédéric Gerhardt dargestellt.[7]
Herstellung
Im Labor
Im Labor kann Essigsäureanhydrid durch Reaktion von Acetylchlorid mit Natriumacetat unter Abspaltung von Natriumchlorid synthetisiert werden:[8]
Statt Natriumacetat kann auch ein anderes Alkalisalz der Essigsäure verwendet werden.[9][8]
Industrielle Herstellung
Die großtechnische Herstellung erfolgt durch Dehydratisierung (Wasserabspaltung) von Essigsäure bei 700 °C in Gegenwart bestimmter Metalloxide, wobei als Zwischenprodukt Keten entsteht[10]:
Bei der Synthese ist eine rasche Abkühlung und Trennung der Produkte notwendig, da andernfalls die Rückreaktion zu Essigsäure ablaufen kann.
Eine andere Möglichkeit bietet die Carbonylierung von Methylacetat nach dem Tennessee-Eastman-Verfahren[11]:
Ein Teil des Produktstroms wird mit Methanol wieder zum Methylacetat umgesetzt und wieder in den Prozess zurückgegeben. Die Synthese des Essigsäureanhydrids erfordert daher nur CO und Methanol. Als Katalysator dienen vor allem Rhodium- und Iridium-Komplexe. Die Umsetzung findet bei erhöhtem CO-Druck und Temperaturen um 200 °C statt.
Daneben wird auch die Oxidation von Acetaldehyd mit Luft in Gegenwart von Kupfer- oder Cobaltacetat eingesetzt.[10]
Eigenschaften
Chemische Eigenschaften
So wie andere Säureanhydride lässt sich auch Essigsäureanhydrid mit Alkoholen zu den entsprechenden Estern und mit Ammoniak bzw. mit Aminen zum entsprechenden Amid umsetzen.
Beim Einbringen in Wasser löst sich die Verbindung zunächst und wird dann durch Hydrolyse zu Essigsäure gespalten. Die Spaltung erfolgt in heißem Wasser wesentlich schneller als in kaltem Wasser und ist basen- bzw. säurekatalysiert. In kaltem Wasser beträgt die Löslichkeit 13,6 %.[12]
Sicherheitstechnische Kenngrößen
Essigsäureanhydrid bildet entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei 49 °C.[2][13] Der Explosionsbereich liegt zwischen 2,0 Vol.‑% (85 g/m³) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 10,2 Vol.‑% (430 g/m³) als obere Explosionsgrenze (OEG).[2][13] Entsprechend der Dampfdruckfunktion ergibt sich ein unterer Explosionspunkt von 46 °C.[2] Der maximale Explosionsdruck beträgt 7 bar.[2] Die Grenzspaltweite wurde mit 1,17 mm bestimmt.[2] Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA.[13] Die Zündtemperatur beträgt 330 °C.[2][13] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T2.
Verwendung
Essigsäureanhydrid ist das kommerziell wichtigste aliphatische Anhydrid. Rund zwei Millionen Tonnen werden pro Jahr produziert.[14]
Es dient überwiegend als Acetylierungsmittel und wird weltweit hauptsächlich zur Herstellung von Celluloseacetat als Ausgangsstoff für textile Fasern, Zigarettenfilter, Lacke, plastische Massen und Folien, sowie zur Herstellung von Kunststoffen und Arzneistoffen wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen verwendet. Große Mengen werden auch für die Herstellung von Tetraacetylethylendiamin verwendet, das ein Bestandteil von Waschmitteln ist.[15]
Dabei wird es hauptsächlich für die Umsetzung mit Alkoholen zu Acetaten verwendet. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Absolutierung von Eisessig.[16] Es ist zudem unabdingbar bei der Herstellung von Heroin, weswegen in vielen Ländern versucht wird, durch die Kontrolle des Zugangs zu Essigsäureanhydrid die Herstellung dieser halbsynthetischen Droge einzudämmen. Im Grundstoffüberwachungsgesetz ist es in der Kategorie 2 aufgelistet, somit sind Herstellung, Ein-, Ausfuhr und Handel ab einer Menge von 100 Liter registrierungspflichtig.[17]
In der Synthesechemie wird Essigsäureanhydrid oft auch zum Aufbau von Schutzgruppen genutzt, das einen Alkohol in einen weniger reaktiven Ester überführt.
Diacetylperoxid, welches als Radikalbildner bei Polymerisationsreaktionen eingesetzt wird, lässt sich aus Essigsäureanhydrid und Natriummetaborat-peroxidhydrat herstellen.[18]
Im Gemisch mit Schwefelsäure (9 Teile Essigsäureanhydrid auf 1 Teil Schwefelsäure) wird es zur Acetolyse verwendet.[19]
Ferner wird Essigsäureanhydrid zur Acetylierung von Holz verwendet, eine Holzmodifikation zur Verbesserung der Eigenschaften (u. a. Feuchtigkeitsresistenz) von Nadelhölzern.[20]
Einzelnachweise
- Eintrag zu Essigsäureanhydrid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 25. Dezember 2014.
- Eintrag zu Essigsäureanhydrid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 29. Juli 2017. (JavaScript erforderlich)
- David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-4.
- Eintrag zu Acetic anhydride im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
- Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 108-24-7 bzw. Essigsäureanhydrid), abgerufen am 2. November 2015.
- W. M. Haynes (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 97. Auflage. (Internet-Version: 2016), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-3.
- Charles Frédéric Gerhardt: Recherches sur les acides organiques anhydres. In: Annales de chimie et de physique. Band 37, 1853, S. 285–342.
- Aug Kekulé: Lehrbuch der organischen Chemie. Enke, 1861, S. 570 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Friedrich Konrad Beilstein, Paul Jacobson: Handbuch der organischen chemie. L. Voss, 1893, S. 462 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Bernd Schmidt, Jolanda Hermanns, Joachim Buddrus: Grundlagen der Organischen Chemie. De Gruyter, 2022, S. 432 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- J. R. Zoeller u. a.: Eastman Chemical Company Acetic Anhydride Process In: Catalysis Today. 13, 1992, S. 73–91, doi:10.1016/0920-5861(92)80188-S.
- Claudia Synowietz (Hrsg.): Taschenbuch für Chemiker und Physiker. Begründet von Jean d’Ans, Ellen Lax. 4. Auflage. Band 2: Organische Verbindungen. Springer, Berlin 1983, ISBN 3-540-12263-X.
- E. Brandes, W. Möller: Sicherheitstechnische Kenngrößen – Band 1: Brennbare Flüssigkeiten und Gase, Wirtschaftsverlag NW – Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven 2003.
- Acetic Anhydride Market Size, Growth & Global Forecast, 2032. In: chemanalyst.com. Abgerufen am 25. Dezember 2023.
- Rudolph Hopp: Grundlagen der Chemischen Technologie. Wiley, 2008, ISBN 978-3-527-62506-2, S. 356 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Thomas Wurm: Chemie für Einsteiger und Durchsteiger. Wiley, 2019, ISBN 978-3-527-82091-7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Matthias Bastigkeit: Rauschgifte. Govi-Verlag, 2003, ISBN 978-3-7741-0979-7, S. 57 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Hans Beyer und Wolfgang Walter: Organische Chemie, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 22. Auflage, 1991, S. 257, ISBN 3-7776-0485-2.
- Kirsten Warcup, Bethany Roberton, Katherine Kral-O’Brien, Jason Harmon: Acetolysis modifications to process small pollen samples swabbed from live bees. In: Journal of Insect Science. Band 23, Nr. 6, 2023, doi:10.1093/jisesa/iead098, PMID 37941465.
- Jorge Prieto, Jürgen Kiene: Holzbeschichtung. Vincentz, 2019, ISBN 978-3-7486-0171-5, S. 31 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).