ABX Logistics

ABX Logistics (anfangs ABX Transport) war eines der weltweit größten Speditionsunternehmen für Luft- und Seefracht und in Europa eines der zehn größten Straßentransportunternehmen.[1] Der in Brüssel beheimatete Konzern ging 2008 im dänischen Transport- und Logistik­unternehmen DSV A/S auf, wobei unter dem Namen ABX Logistics weiterhin Tochterunternehmen von DSV firmieren.[2]

Unternehmensgeschichte

ABX Logistics wurde im Jahr 1993 unter dem Namen ABX Transport als Tochterunternehmen von der Belgischen Eisenbahn (NMBS/SNCB) gegründet, um Transportleistungen auch abseits der Schiene anbieten zu können.[3]

Expansion durch Akquisitionen

Ab den späten 1990er Jahren vergrößerte sich ABX Logistics unter Federführung des geschäftsführenden Verwalters Etienne Schouppe und von CEO Jean-Louis Dermaux rapide durch den Erwerb von Konkurrenten. Unter anderem wurden 1998 die deutschen Unternehmen Thyssen Haniel Logistik von der Thyssen-Tochter Thyssen Handelsunion AG und Bahntrans (ein Joint Venture der Thyssen Handelsunion AG mit der Deutschen Bahn) mit zusammen 7.500 Mitarbeitern übernommen.[4] 1999 erwarb ABX Logistics 90 % des italienischen Unternehmens Saima Avandero mit 1.400 Mitarbeitern und im Jahr 2000 schloss man die Integration des französischen Dubois-Konzerns mit 3.600 Mitarbeitern ab. Ziel der Akquisitionen war der Aufbau eines europäischen Netzes für Stückgutverkehre.[5]

Steigendes Defizit

Dem Unternehmen mangelte es jedoch seit seiner Gründung an Rentabilität; vor allem verursachten sich in den 1990er Jahren ausweitende Überkapazitäten im europäischen Transportwesen allgemein fallende Preise. Für 2002 wurde laut Presseangaben ein Nettoverlust von 254 Mio. Euro verbucht, für 2003 soll er noch 70 bis 80 Mio. Euro betragen haben – bei einem Umsatz von 2,5 Mrd. Euro.[6] Seitens privatwirtschaftlicher Verbände wurde die Quersubventionierung des Geschäftsbetriebs von ABX Logistics kritisiert und schließlich von der Europäischen Kommission für wettbewerbsverzerrend erklärt.[7][8][9]

Obgleich ABX Logistics hoch defizitär operierte, hielt das Management auf der Suche nach Synergien an der Expansionsstrategie fest. Das Unternehmen steuerte dadurch immer weiter in eine finanzielle Schieflage.[10]

Sanierungsinitiative

2002 wurde ABX Logistics aus der SNCB herausgelöst und in eine eigene Holding ausgegliedert, nachdem die belgische Vizepremier- und Verkehrsministerin Isabelle Durant im Konflikt mit Etienne Schouppe auf eine Veräußerung des Unternehmens drängte.[11][12] Im Zuge dessen musste Schouppe den von ihm 2001 übernommenen Posten des CEO räumen. Zu seinem Nachfolger wurde Laurent Levauxs bestimmt. Mit Hilfe von Verkäufen defizitärer Tochterunternehmen und einer mit der EU-Kommission abgestimmten Kapitalzufuhr in Höhe von 250 Mio. Euro sollte ABX Logistics nun saniert und für einen Verkauf vorbereitet werden.[13] 2003 wurde zum Beispiel der französische Unternehmensbereich für einen Euro an das ehemalige Dubois-Management verkauft und der abgestoßenen Tochtergesellschaft zugleich rund 220 Mio. Euro an Schulden erlassen.[14] 2005 wurde erstmals in der Unternehmensgeschichte ein operativer Gewinn erzielt, aufgrund des negativen Deutschlandgeschäfts verblieb aber weiterhin ein Nettoverlust.[15] Zu diesem Zeitpunkt war ABX Logistics mit rund 368 Mio. Euro verschuldet, innerhalb weniger Monate waren 3.000 von 15.000 Arbeitsplätzen gestrichen worden.[16] Die Verschuldung des Mutterkonzerns SNCB hatte sich innerhalb eines Jahres von 6 Mrd. auf 8,3 Mrd. Euro ausgeweitet.[17]

Für die deutschen Speditionsniederlassungen von ABX Logistics fand sich kein Käufer. Um sich des defizitären Deutschlandgeschäfts zu entledigen, wurde Anfang 2006 für die betreffenden ABX-Standorte eine Kooperation mit dem mittelständischen Speditionsverbund CargoLine vereinbart, der damit zur größten Stückgutkooperation in Deutschland aufstieg.[18] Mehrere ABX-Niederlassungen fusionierten mit CargoLine oder dessen Partnerunternehmen, während die übrigen vom Kooperationsnetzwerk als Joint Venture weitergeführt wurden.[19] Die deutsche Kontraktlogistiksparte wurde an Loxxess veräußert.[20]

Privatisierung

Im August 2006 übernahm das britische Private-Equity-Unternehmen 3i ABX Logistics für 80 Mio. Euro.[21] Hiervon sollten 70 Mio. Euro in ABX Logistics investiert werden, während lediglich 10 Mio. Euro für den Kauf der Unternehmensanteile und erwartete finanzielle Verpflichtungen tatsächlich an SNCB übertragen wurden.[22][23] Im Jahr zuvor wurde der Unternehmenswert gemeinsam von der SNCB Holding und 3i auf „annähernd 300 Mio. Euro“ taxiert.[24] Zum Zeitpunkt der Übernahme war ABX Logistics verschiedener Angaben zufolge noch mit etwa 200 bis 250 Mio. Euro verschuldet – größtenteils gegenüber der SNCB.[25] Dass sich diese im Zuge des Verkaufs zum Abbau des größten Teils der finanziellen Verbindlichkeiten, die letztlich mit Hilfe staatlicher Beihilfe gedeckt wurden, verpflichtete, sorgte für öffentliche Empörung, zumal im Laufe der vorangegangenen zehn Jahre insgesamt bereits rund 1,5 Mrd. Euro an Steuergeldern in ABX Logistics geflossen waren.[26][27][28][29] Zu diesem Zeitpunkt hatte ABX Logistics ca. 10.000 Mitarbeiter und das Unternehmen erwirtschaftete einen Umsatz von rund 2,5 Mrd. Euro.[30] Der belgische Unternehmensbereich wurde separat für 23 Mio. Euro an General Logistics Systems verkauft; GLS stieg damit zum Marktführer im Paketvertrieb in Belgien auf.

2007 erwirtschaftete ABX Logistics mit 17,8 Mio. Euro erstmals in seiner Unternehmensgeschichte einen Nettogewinn.[31] Im Jahr darauf wurde ABX Logistics bei einem Unternehmenswert von 750 Mio. Euro an DSV veräußert.[32][22][33][34] Die noch existierenden deutschen ABX-Filialen wurden infolge der Übernahme aus dem Kooperationsverbund CargoLine herausgelöst.

Zum Zeitpunkt der Fusion erwirtschaftete ABX Logistics einen Umsatz von rund 1,8 Mrd. Euro, war in nahezu 100 Ländern tätig und beschäftigte mehr als 6.500 Mitarbeiter in 35 Ländern.

Verstöße gegen Wettbewerbsrecht

ABX Logistics war in mehrere Verstöße gegen Wettbewerbsrecht involviert. 2012 verurteilte die Europäische Kommission ABX Logistics für Verstöße eines französischen Tochterunternehmens gegen europäisches Wettbewerbsrecht im Zeitraum von 2003 bis 2004 zu einer Geldstrafe in Höhe von 379.000 Euro.[35] Aufgrund von Verstößen gegen italienisches Wettbewerbsrecht im Zeitraum von 2002 bis 2007 durch Saima Avandero wurde 2011 zuerst eine Strafe von 23,6 Mio. Euro ausgesprochen, die im folgenden Jahr auf 19,7 Mio. Euro reduziert wurde.[36] In den USA soll ABX Logistics an illegalen Preisabsprachen mit anderen Logistikunternehmen beteiligt gewesen sein. Gegen eine Zahlung in Höhe von 3,5 Mio. US-Dollar wurde das Verfahren gegen ABX Logistics 2013 eingestellt.[37][38][39] Auch in Österreich war ABX Logistics bis 2007 mit einer Tochtergesellschaft in geringem Umfang in Kartellabsprachen verwickelt.[40]

Einzelnachweise

  1. Robert Z. Lawrence, Jannifer Blanke, Margareta Drzeniek Hanouz, John Moavenzadeh: The Global Enabling Trade Report 2008. Weltwirtschaftsforum, Genf 2008, ISBN 978-92-95044-06-7, S. 401 (weforum.org [PDF]).
  2. 2016 Annual Report. (PDF; 5,0 MB) DSV A/S, 10. Februar 2017, S. 82ff, abgerufen am 31. Oktober 2017 (englisch).
  3. Christoph Dörrenbächer: Corporate Reorganisation in the European Transport and Logistic Sector in the 1990s. LIT Verlag, Münster 2003, ISBN 3-8258-6774-9, S. 26 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Thyssen verkauft Logistik-Sparte. Die Welt, 8. April 1998, abgerufen am 31. Oktober 2017.
  5. Stukgoeddochter NMBS scheep met General Parcel. De Tijd, 27. August 1997, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch).
  6. Verein zur Förderung des Wettbewerbs und lauteren Verhaltens im Speditions-, Logistik- und Transportgewerbe e.V (Hrsg.): Staatliche und halbstaatliche Unternehmen verzerren die Wettbewerbsbedingungen im europäischen Speditions- und Logistikmarkt. LIT Verlag, Köln 2004, S. 9 (psp-consult.de [PDF; 551 kB; abgerufen am 31. Oktober 2017]).
  7. Un concurrent déloyal pour les transporteurs? La Libre Belgique, 2. März 2002, abgerufen am 31. Oktober 2017 (französisch).
  8. Verein zur Förderung des Wettbewerbs und lauteren Verhaltens im Speditions-, Logistik- und Transportgewerbe e.V (Hrsg.): Staatliche und halbstaatliche Unternehmen verzerren die Wettbewerbsbedingungen im europäischen Speditions- und Logistikmarkt. Köln 2004, S. 19 (psp-consult.de [PDF; 551 kB; abgerufen am 31. Oktober 2017]).
  9. Entscheidung der Kommission vom 7. Dezember 2005 über die staatliche Beihilfe, die Belgien zugunsten von ABX Logistics gewährt hat (C 53/2003(ex NN 62/2003)). In: Europäische Union (Hrsg.): Amtsblatt der Europäischen Union. L 383, 28. Dezember 2006, ISSN 1725-2539, S. 21 ff. (eur-lex.europa.eu [abgerufen am 29. Januar 2016]).
  10. Un rêve d'expansion qui tourne au cauchemar. La Libre Belgique, 14. November 2002, abgerufen am 31. Oktober 2017 (französisch).
  11. ABX wird aus SNCB ausgegliedert. DVV Media Group GmbH – Eurailpress, 26. Februar 2002, abgerufen am 29. Januar 2016.
  12. Zeven kandidaat-investeerders voor ABX Logistics. De Tijd, 1. Juli 2002, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch).
  13. ABX Logistics: Belgische Eisenbahnen legen Restrukturierungsplan vor. VerkehrsRundschau, 19. November 2002, abgerufen am 20. November 2017.
  14. Van Belgische collidienst tot internationale logistieke groepX. De Standaard, 24. Juni 2008, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch).
  15. ABX Logistics Worldwide kruipt uit diep dal. De Tijd, 1. Juni 2005, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch).
  16. ABX Logistics Worldwide perçoit le bout du tunnel. La Libre Belgique, 5. Oktober 2004, abgerufen am 31. Oktober 2017 (französisch).
  17. ABX Logistics steht zum Verkauf. VerkehrsRundschau, 7. März 2005, abgerufen am 20. November 2017.
  18. ABX et CargoLine font affaire. Actu-Transport-Logistique.fr, 10. Februar 2006, abgerufen am 20. November 2017 (französisch).
  19. 1993 – A Star Is Born. Meilensteine in der Geschichte der CargoLine. CargoLine GmbH & Co. KG, abgerufen am 20. November 2017: „5 ABX-Niederlassungen finden bei CargoLine eine neue Heimat; weitere ABX-Betriebe werden von CargoLine-Partnern übernommen oder als Joint Venture weitergeführt“
  20. Loxxess neuer eigner von ABX Contract Logistics. VerkehrsRundschau, 2. Februar 2006, abgerufen am 20. November 2017.
  21. RADAR SCREEN. JOC.com, abgerufen am 31. Oktober 2017 (englisch): „Logistics industry buzz is that 3i, a British private equity-venture capital firm, is considering selling off ABX Logistics for approximately 600 million euros ($913 million). That would represent a massive premium over what it paid 18 months ago when it acquired the company from Belgian railways group SNCB Holding for a reported 80 million euros ($121.7 million).“
  22. 3i sells ABX LOGISTICS to DSV after transformation. 3i, 23. Juni 2008, archiviert vom Original am 29. Januar 2016; abgerufen am 29. Januar 2016 (englisch).
  23. 3i reprend officiellement ABX Logistics. La Libre Belgique, 4. August 2006, abgerufen am 31. Oktober 2017 (französisch).
  24. 3i sells ABX LOGISTICS to DSV after transformation. 3i, 23. Juni 2008, archiviert vom Original am 29. Januar 2016; abgerufen am 29. Januar 2016 (englisch): „3i, funds managed by 3i, ABX Management and other shareholders acquired ABX in August 2006 from the Belgian Railways (NMBS/SNCB Holding) after having signed a Memorandum of Understanding with SNCB Holding on 22 March 2005 for an Enterprise Value of approximatively EUR 300 million […]“
  25. 3i betaalt 10 miljoen voor ABX. De Standaard, 14. Juni 2006, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch).
  26. NMBS is probleemkind kwijt. De Tijd, 4. August 2006, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch): „Sinds vandaag behoort ABX niet meer tot het patrimonium van NMBS Holding. En gedelegeerd bestuurder Jannie Haek is daar erg blij mee. Het avontuur heeft de belastingbetaler 1,5 miljard gekost. Paradoxaal genoeg gaat de nieuwe privé-eigenaar er nu geld mee verdienen.“
  27. ABX : ardoise plus salée pour la SNCB. La Libre Belgique, 9. April 2008, abgerufen am 29. Januar 2016 (französisch).
  28. Europa behoedt NMBS voor kater van half miljard euro. De Standaard, 7. Dezember 2005, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch).
  29. Aide d’Etat N 769/2002 – Belgique, Aide au sauvetage en faveur de ABX Logistics (filiales F, D, NL et groupe). (PDF; 233 kB) EU, 21. Januar 2003, abgerufen am 29. Januar 2016 (französisch).
  30. 3i completes ABX LOGISTICS buyout. 3i, 3. August 2006, archiviert vom Original am 29. Januar 2016; abgerufen am 29. Januar 2016 (englisch): „ABX LOGISTICS was formed between 1998 and 2001 by means of a series of acquisitions, and now operates in close to 100 countries worldwide and through own operations in 35 countries. The company currently has a turnover of €2.5bn and a workforce of circa 10,000 people.“
  31. Eerste winst voor ABX. De Standaard, 30. Mai 2008, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch).
  32. Van Belgische collidienst tot internationale logistieke groep. De Standaard, abgerufen am 31. Oktober 2017 (niederländisch).
  33. ABX Logistics (Acquired by DSV 2008 previously acquired by 3i 2006). Supply Chain Leaders Intelligence, abgerufen am 29. Januar 2016 (englisch).
  34. A dream come true. In: moves, DSV's magazine for employees, shareholders and other stakeholders. DSV A/S, August 2008, S. 4ff, abgerufen am 29. Januar 2016 (englisch).
  35. European Commission's final decision following a Statement of Objections. (PDF; 69,6 kB) DSV A/S, 28. März 2012, abgerufen am 1. Februar 2016 (englisch).7
  36. Antitrust Proceedings in Italy. (PDF; 82,6 kB) DSV A/S, 31. März 2012, abgerufen am 1. Februar 2016 (englisch).
  37. Scott Flaherty: ABX To Pay $3.5M To Exit Freight Forwarding Cartel Suit. Law360, 30. Januar 2013, abgerufen am 1. Februar 2016 (englisch).
  38. DSV – ABX LOGISTICS Worldwide NV/SA settles US class action lawsuit. DSV A/S, 31. Januar 2013, archiviert vom Original am 1. Februar 2016; abgerufen am 1. Februar 2016 (englisch).
  39. siehe auch die Internetseite des Freight Forwarders Settlement: https://www.freightforwardcase.com/
  40. BWB/K-150 Geldbußenentscheidung gegen 30 Unternehmen in der Speditionsbranche. Bundeswettbewerbsbehörde, 23. Januar 2015, abgerufen am 1. Februar 2016.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.