Šuppiluliuma I.
Šuppiluliuma I. war ein hethitischer Großkönig des 14. Jahrhunderts v. Chr.; eine von mehreren möglichen Zeitspannen seiner Regierungszeit ist 1350 bis 1322 v. Chr.[1] In seiner Zeit wurde das Reich der Hethiter – sie selbst nannten es Ḫatti – zur Großmacht. Er war zunächst mit Ḫinti, dann mit Tawananna verheiratet. Der hethitische Name bedeutet „der von Šuppiluliya“. In Ḫattuša standen im „Haus der Reinheit“ die Statuen der Könige Ḫattušili I., Tudḫaliya I. und Šuppiluliuma I., denen Brot als Ahnenopfer dargereicht wurde.
Datierung
Eine gesicherte Datierung der Regierungszeit und -länge hethitischer Könige bzw. Herrscher ist nicht möglich, da hethitische Quellen keine sicheren Belege liefern. Briefe mit anderen Königen und Inschriften geben nur punktuelle Datierungsmöglichkeiten, die sich zusätzlich an die „kurze“ oder „mittlere“ Chronologie anlehnen. Außerdem erwähnt z. B. Muršili II. in seinem 10. Regierungsjahr eine Sonnenfinsternis. In Erwägung gezogen wurden partielle oder totale Sonnenfinsternisse am 8. Januar 1340 v. Chr. oder am 13. März 1335 v. Chr.[2] sowie am 14. Juni 1312 oder am 13. April 1308 v. Chr.[3] In der Forschung wird das Datum 14. Juni 1312 v. Chr. (totale Sonnenfinsternis) bevorzugt,[4] teils auch das Datum 13. April 1308 v. Chr. (partielle Sonnenfinsternis).[5]
Geschichte
Die Anfänge
Šuppiluliuma war ein Sohn des Großkönigs Tudḫaliya II. Während dessen Regierungszeit führte er, nach Angaben seines Sohnes Muršili II., über einen Zeitraum von 20 Jahren erfolgreich Feldzüge u. a. nach Arzawa in West-Kleinasien.
Nach dem Tod seines Vaters gelangte sein Bruder Tudḫaliya III. auf den Thron. Dieser wurde jedoch bald von Šuppiluliuma gestürzt und ermordet. Hierbei kam es zu Konflikten, womöglich sogar zu einem Bürgerkrieg. Šuppiluliuma vergrößerte die hethitische Hauptstadt Ḫattuša um fast das Dreifache. Seine ersten Feldzüge richteten sich gegen das Bergvolk der Kaškäer, das nördlich des hethitischen Gebietes lebte, wodurch die hethitischen Kernländereien geschützt wurden.
Möglicherweise wurde Kizzuwatna von Westen aus angegriffen, wofür kriegerische Auseinandersetzungen im Bereich der Stadt Tuwanuwa als Indiz gelten. Einem offenbar erfolglosen Angriff eines hethitischen Heerführers im Westen folgte ein Vorstoß Šuppiluliumas bis Mira. Unterstützt wurden die Hethiter hierbei von Kukkunni, einem Herrscher von Wiluša.
Nach der Konsolidierung des hethitischen Machtbereichs kam es zu Konflikten mit dem starken Mitannireich unter König Tušratta. Šuppiluliuma schloss einen Vertrag mit dem zwischen Hatti und Mitanni gelegenen Azzi-Ḫajaša. Als Artatama II. gegen Tušratta Thronansprüche erhob, wurde er von Assur und Šuppiluliuma unterstützt. Letzterer unternahm einen Angriff auf Mitannis Vasallen und gelangte bis vor die Hauptstadt Waššukanni. Šuppiluliuma forderte Tušratta zur Schlacht, doch dieser zog sich zurück, so dass Šuppiluliuma den Euphrat im Westen überquerte und Karkemiš belagerte, das er jedoch nicht erobern konnte. Daraufhin unterwarf er im Norden Syriens weitere Vasallenstaaten des Mitannireiches.
Der Vertrag mit Niqmaddu II. von Ugarit
Der Vertrag zwischen Šuppiluliuma I. und dem ugaritischen König Niqmaddu II. wurde wahrscheinlich am Ende des zweiten Syrienfeldzuges des Hethiterkönigs geschlossen. Dieser Vertrag ist aufgrund der anderen genannten Könige ein für die zeitliche Einordnung wichtiges Dokument.
Tafel Vs
„2 Als Itur-Addu, König von Mukiš, Addu-nerari, 3 König von Nuḫašše und Aki-Teššup, König von Nija, 4 von Šuppiluliuma abfielen, 5 sammelten sie ihre Truppen und 6 erpressten Ugarit und 8 zerstörten das Land. 9 Da wandte sich Niqmaddu an 10 an den Großkönig und König von Ḫatti und schrieb: 11 Mein Herr möge mich aus der Hand der Feinde retten. 14 Die Könige erpressen mich". 16 Der Großkönig sandte Prinzen und Große nebst Fußtruppen nach 18 [Der Text bricht hier ab. Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber die Wiederherstellung der Lage in Ugarit und die anschließenden Huldigung vor Šuppiluliuma. Das Anschlussstück zur Tafel Vs folgt]. 1 Und der Großkönig von Hatti 2 sah Niqmaddus Treue. 3 Nun haben beide 4 einen Vertrag 5 geschlossen. 6 Wenn 7 zukünftig 8 Flüchtlinge aus 10 aus anderen Ländern 11 fortgehen und 12 in Ugarit 13 in den Dienst des Königs treten, 15 darf ein anderer König eines anderen Landes 16 sie nicht wegnehmen aus 17 der Verfügung des Niqmaddu und 18 aus der Verfügung seiner Söhne und Enkel, 19 bis in ferne Zeiten.“
Weiterer Verlauf
Nach dem Abschluss des Vertrages mit Niqmaddu II. schuf Šuppiluliuma in Ḫalpa ein Vizekönigtum für seinen Sohn Telipinu. In einem weiteren Feldzug zerstörten die Hethiter Qatna, wobei sie in die Nähe des ägyptischen Einflussbereichs gelangten. Vermutlich als Reaktion hierauf rückten ägyptische Streitwagen gegen Kadesch vor, während Truppen des Mitannireiches die Hethiter aus Murmuriga in Nordsyrien vertrieben. Etwa zur selben Zeit stürzte Artatama Tušratta, welcher verstarb. Sein Sohn Šattiwazza floh zu Šuppiluliuma, der ihn mit seiner Tochter verheiratete. Zur Unterstützung von Šattiwazzas Thronansprüchen zog eine Armee unter Šuppiluliumas Söhnen Zida und Arnuwanda nach Mitanni. Unter dem Befehl zweier Generäle zog eine weitere Armee gegen die Ägypter und setzte die Belagerung Karkemischs fort.
In der Folge kam es zur sogenannten Daḫamunzu-Affäre. Die Gemahlin des verstorbenen Pharaos bat um einen der Söhne Šuppiluliumas, um ihn zu ehelichen. Šuppiluliuma zögerte anfangs und verstärkte die Belagerung Karkemischs, welches daraufhin fiel. Šarri-Kušuḫ, ein Sohn Šuppiluliumas, wurde hier als Vizekönig eingesetzt, ein Großteil der Einwohner deportiert. Nach anfänglichem Zögern und einer erneuten ägyptischen Gesandtschaft im darauf folgenden Jahr schickte Šuppiluliuma seinen Sohn Zannanza nach Ägypten, welcher jedoch unter unklaren Umständen zu Tode kam. Als Reaktion hierauf überfielen die Hethiter ägyptisches Territorium in Syrien. Die hierbei Gefangengenommenen brachten eine Seuche nach Ḫatti, unter der das Land noch unter Muršili II. zu leiden hatte.
Šarri-Kušuḫ führte unterdessen den Krieg gegen Mittani weiter, dessen obermesopotamisches Gebiet erobert wurde. Außerdem setzte man Šattiwazza als König in Mittani ein und schloss mit ihm einen Vertrag.
In späterer Zeit unterwarf Šuppiluliuma die Länder von Azzi-Ḫajaša im Osten Anatoliens und führte Feldzüge gegen die Kaškäer. Ausführlichere Quellen für die späte Regierungszeit Šuppiluliumas fehlen.
Als Stratege und Diplomat etablierte er das sog. hethitische Großreich als zweite Großmacht neben Ägypten.
Šuppiluliuma I. starb schließlich an der eingeschleppten Seuche. Auch sein ältester Sohn und Nachfolger Arnuwanda II. fiel ihr nach kurzer Regentschaft zum Opfer. Dessen Nachfolger wurde Šuppiluliumas jüngerer Sohn, Muršili II., der das Leben seines Vaters in den Annalen des Šuppiluliuma I. festhielt. Telipinus Sohn Talmi-Šarruma und dessen Nachkommen wurden Könige von Ḫalpa und Priester von Kizzuwatna sowie Priester der Götter Teššub, Ḫebat und Šarrumma.
Stammbaum
Der folgende Stammbaum wurde nach Veröffentlichungen von Volkert Haas[7] und Jörg Klinger[8] erstellt.
Tudḫaliya I. | Nikkalmati | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Arnuwanda I. | Ašmunikal | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Tudḫaliya II. | Daduḫepa | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Tudḫaliya III. | Šuppiluliuma I. | 1. Ḫinti | 2. Tawananna | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zida | Telipinu | Piyaššili | Zannanza | Arnuwanda II. | Muršili II. | 1./2. Gaššulawiya | 2./3. Danuḫepa | Frau Šattiwazzas | Šattiwazza | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ḫalpa-šulupi | Muwattalli II. | Mašturi | Maššana-uzzi | 1. Ehefrau | Ḫattušili III. | Puduḫepa | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Muršili III. | Kurunta | Bentešina | Gaššuliyawiya | Nerikkaili | Tudḫaliya IV. | Šauškanu | Ramses II. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Frau Ammistamrus II. | Arnuwanda III. | Šuppiluliuma II. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Anmerkungen
- So z. B. Trevor R. Bryce: The Kingdom of the Hittites. New edition. Oxford University Press, Oxford u. a. 2005, ISBN 0-19-928132-7, Zeittafel S. XV; S. 154 ff.
- Peter J. Huber: The Solar Omen of Muršili II. In: Journal of the American Oriental Society. Band 121, Nr. 4, 2001, ISSN 0003-0279, S. 640–644, JSTOR:606505.
- Volkert Haas: Geschichte der hethitischen Religion (= Handbuch der Orientalistik. Abteilung 1: Der Nahe und der Mittlere Osten. 15). Brill, Leiden u. a. 1994, ISBN 90-04-09799-6, S. 27.
- z. B. Trevor R. Bryce: The Kingdom of the Hittites. New edition. Oxford University Press, Oxford u. a. 2005, ISBN 0-19-928132-7, S. XV Chronologietabelle.
- So Frank Starke: Chronologische Übersicht zur Geschichte des hethitischen Reiches. In: Helga Willinghöfer, Uta Hasekamp (Red.): Die Hethiter und ihr Reich. Das Volk der 1000 Götter. Theiss, Stuttgart 2002, ISBN 3-8062-1676-2, S. 310–315, hier S. 314, (Ausstellungskatalog der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland).
- Vgl. die vollständige Fassung von Einar von Schuler: Vertrag zwischen Šuppiluliuma I. und Niqmaddu II. von Ugarit. In: Otto Kaiser (Hrsg.): Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Band 1: Rechts- und Wirtschaftsurkunden. Historisch-chronologische Texte. Lieferung 2: Staatsverträge. Mohn, Gütersloh 1983 (1985), ISBN 3-579-00061-6, S. 131–132.
- Volkert Haas: Die hethitische Literatur. Texte, Stilistik, Motive. Walter de Gruyter, Berlin u. a. 2006, ISBN 3-11-018877-5, S. 91.
- Jörg Klinger: Die Hethiter. Beck, München 2007.
Literatur
- Horst Klengel: Geschichte des hethitischen Reiches (= Handbuch der Orientalistik. Abteilung 1: Der Nahe und der Mittlere Osten. 34). Brill, Leiden u. a. 1998, ISBN 90-04-10201-9, S. 135 ff. (mit Angabe der relevanten Quellenbelege).
- Jörg Klinger: Die Hethiter (= Beck’sche Reihe. 2425). Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-53625-0, S. 48, 51–60, 65, 87, 95, 97 f., 101, 103, 111, 121.
Weblinks
- Ringförmige Sonnenfinsternis vom 28. Februar 1335 v. Chr. (13. März prolep. jul. Kalender)
- Totale Sonnenfinsternis vom 11. Juni 1312 v. Chr. (24. Juni prolep. jul. Kalender)
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Tudḫaliya II. | Hethitischer Großkönig etwa 1350–1322 v. Chr. | Arnuwanda II. |