Österreichisch-Neapolitanischer Krieg
Der Österreichisch-Neapolitanische Krieg war eine militärische Auseinandersetzung zwischen dem Königreich Neapel und Österreich im Jahre 1815. Er begann am 15. März 1815 mit der Kriegserklärung Neapels an Österreich und endete am 20. Mai 1815 mit einem Sieg der Österreicher und der Unterzeichnung des Vertrags von Casalanza.
Vorgeschichte
Der französische Kaiser Napoleon I. hatte in Europa ein System von Satellitenstaaten geschaffen, zu dem auch das Königreich Neapel gehörte; zunächst hatte hier Napoleons Bruder Joseph Bonaparte regiert. Seit 1808 war Napoleons Schwager, Joachim Murat, König von Neapel. Murat führte eine moderne Staats-, Rechts- und Sozialordnung nach französischem Vorbild ein, allerdings entfremdete er sich zunehmend mit Napoleon, und als sich dessen Niederlage abzeichnete, suchte Murat den Ausgleich mit den Habsburgern. Als allerdings während des Wiener Kongresses Napoleon aus der Verbannung zurückkehrte und die aufgeregten Kongressteilnehmer auch in Murat ein Sicherheitsrisiko sahen, schloss sich Murat ihm wieder an, womit er sich Österreich zum Feind machte. Auch die italienische Bevölkerung war weitgehend habsburgfeindlich eingestellt, da sie von den Habsburgern nur die Restauration der in der napoleonischen Zeit vertriebenen Fürsten beziehungsweise in der Lombardei die direkte Fremdherrschaft durch Österreich zu erwarten hatte. In Neapel hatte die antinapoleonische Koalition die Wiedereinsetzung der Bourbonen vorgesehen.
Verlauf
Joachim Murat erklärte Österreich am 15. März 1815 den Krieg, fünf Tage bevor Napoleon Paris erreichte und die Herrschaft der Hundert Tage begann. Die Österreicher hatten sich jedoch bereits militärisch vorbereitet, da Murat schon Wochen vorher um Erlaubnis angesucht hatte, mit Truppen das habsburgische Territorium durchqueren zu dürfen, vorgeblich um in Südfrankreich gegen Napoleon zu kämpfen. Österreich verweigerte die Durchmarscherlaubnis und verstärkte seine Truppen in der Lombardei. Zu Beginn des Krieges verkündete Murat, über 82.000 Soldaten, 7.000 Pferde und 90 Kanonen zu verfügen.
Murat ließ im Königreich Neapel eine „Armee für Inneres“ zurück, um eine militärische Invasion in seinem Rücken zu verhindern und einen eventuellen Aufstand in seiner Abwesenheit zu unterdrücken, und marschierte dann nach Norden. Die übrige Armee war in sechs Divisionen unterteilt, die getrennt vorrückten. Vier Divisionen bestanden aus jeweils 12.000 bis 15.000 Soldaten, zwei Divisionen waren deutlich schwächer und bestanden nur aus zusammen 10.000 Mann. Murat verlangte ein Durchmarschrecht durch den Kirchenstaat, was ihm von diesem verweigert wurde. Daraufhin marschierten die beiden schwächeren Divisionen am 22. März in den Kirchenstaat ein, was zur Flucht des Papstes nach Genua führte. Murat selbst übernahm die rechte Flanke, richtete sein Hauptquartier in Ancona ein und stieß entlang der adriatischen Küste vor.
Zunächst ging die Offensive der Neapolitaner auf ganzer Linie schnell voran. Am 29. März eroberte Murat Rimini, wo er am 30. März in der „Proklamation von Rimini“ alle Italiener aufrief, für ihn zu kämpfen, und ihnen Unabhängigkeit, nationale Repräsentation und eine Verfassung in Aussicht stellte, die ihnen Freiheits- und Besitzrechte garantierte. Tatsächlich war die Habsburgische Herrschaft bei der norditalienischen Bevölkerung zu dieser Zeit ziemlich unbeliebt, da ein Sieg der Österreicher nur ein Fortbestehen der absoluten Monarchie bedeutet hätte. Dies traf jedoch nicht auf die norditalienischen Adeligen zu, die um ihre Vorrechte fürchteten und darum meist habsburgtreu waren. Bei Aufständen und Sympathiebekundungen für eine italienische Unabhängigkeit bzw. gegen adlige Vorrechte griffen die Österreicher hart durch. Es wurden zahlreiche Militärtribunale abgehalten, viele Leute eingesperrt und aufständische lombardische und venetische Truppen unter Bewachung nach Deutschland geschickt.
Am 30. März mussten sich die Österreicher unter General Bianchi zwischen Savignano und Cesena vor den Neapolitanern zurückziehen, die wiederum am 1. April Faenza und am 2. April bereits Bologna besetzen konnten. General Bianchi zog sich über Modena hinter den Fluss Panaro zurück. Doch auch diese Position musste er nach einem kombinierten Angriff zweier neapolitanischer Divisionen unter Murats und General Carrascosas Kommando räumen und sich schließlich hinter den Kanal von Bentivoglio und in den Brückenkopf von Borgoforte über den Po zurückziehen. Durch diesen Sieg konnten die Neapolitaner unter Carrascosa auch Carpi und Reggio einnehmen, während Murats Division zusammen mit zwei weiteren Divisionen Ferrara und den Poübergang bei Occhiobello erobern wollten.
Ein wichtiges Ziel für Murat war die Großstadt Mailand, wo er auf die Rekrutierung von bis zu 40.000 Soldaten hoffte, die in Napoleons Armee gedient hatten. Deswegen waren die Österreicher vor allem darum bemüht, einen Vorstoß in diese Richtung zu vereiteln, weswegen der österreichische Oberbefehlshaber Freiherr Frimont sein Hauptquartier bei Piacenza aufschlug. Ab Anfang April begann sich auch das Schlachtglück zu wenden. Die Zitadelle von Ferrara konnte von den Neapolitanern nicht erobert werden, und auch zwei Angriffe Murats am 8. und am 9. April zur Eroberung des Poübergangs bei Occhiobello schlugen fehl. Die Österreicher unter General Mohr brachten den Neapolitanern dort durch gut positionierte Verteidigung und Artillerie schwere Verluste von ca. 2.000 Mann bei.
In der Zwischenzeit hatten die beiden Divisionen, die den Kirchenstaat erobert hatten, am 8. April auch Florenz und den größten Teil der Toskana besetzt. Die dortigen österreichisch-florentinischen Truppen unter General Nugent schafften es jedoch, sie bei Pistoia zu stoppen, nachdem sie Verstärkung erhalten hatten. Die Neapolitaner waren nun an allen Fronten gestoppt, an der rechten Flanke durch General Mohr, im Zentrum durch General Frimont und an der linken Flanke durch General Nugent. Der Oberbefehlshaber General Frimont entschied sich nun, in die Offensive zu gehen, da er wusste, dass die Zitadelle von Ferrara nicht sehr lange der Belagerung widerstehen konnte. Außerdem waren nun auch zwei zusätzlich Korps unter General Bianchi und General Neipperg eingetroffen und zum Angriff bereit. Das Korps Bianchi griff über Carpi an und zwang die Neapolitaner zum Rückzug und zur Räumung von Modena und Reggio. Die Truppen von Mohr und Neipperg stießen aus dem Brückenkopf von Occhiobello vor und trieben auch dort die Neapolitaner zurück. Nur der Vorstoß von Frimonts Truppen, am 13. April einen Übergang über den Panaro zu erkämpfen, schlug zunächst fehl. Da Murat durch die anderen österreichischen Vorstöße jedoch eine Einkreisung fürchten musste, zog er sich schließlich auch dort zurück und räumte am 16. April auch Bologna, verfolgt von den Österreichern.
Die beiden neapolitanischen Divisionen an der linken Flanke zogen sich nun zurück, ohne sich einem größeren Gefecht gestellt zu haben. Bereits am 15. April konnten die österreichischen Truppen wieder Florenz einnehmen. General Frimont ließ nun das Korps Bianchi nach Florenz abdrehen, um es von dort Richtung Foligno marschieren zu lassen und so Murat und die Neapolitaner an der rechten Flanke von ihrem Rückzugsweg nach Neapel abzuschneiden, während das Korps Neipperg den Neapolitanern entlang der adriatischen Küste in Richtung Ancona folgte.
Das Korps Bianchi erreichte am 20. April Arezzo, am 23. April Perugia und am 29. April Foligno, womit es ihm gelang, den Rückzugsweg des Gegners nach Neapel zu unterbrechen. Murat entschied sich daraufhin zum Angriff auf das Korps Bianchi. Er ließ eine kleinere Streitmacht unter General Carrascosa zurück, um das Korps Neipperg hinzuhalten, und marschierte auf der Straße Richtung Tolentino, wo es am 2. und 3. Mai zur entscheidenden Schlacht kam. Murat musste die Schlacht nach hohen Verlusten abbrechen, da es ihm nicht gelang, das Korps Bianchi aus seinen Verteidigungsstellungen zu vertreiben. Zudem hatte das Korps Neipperg am 1. Mai in der Schlacht von Scapezzano die Neapolitaner unter Carrascosa besiegt und drohte Murat nun in den Rücken zu fallen.
Die Österreicher rückten nun auf allen Fronten vor und eroberten kurz hintereinander L’Aquila, Benedetto und Spoleto. Das Korps Nugent hatte in der Zwischenzeit am 30. April Rom zurückerobert und marschierte weiter in Richtung Neapel. Bei San Germano kam es dann vom 15. Mai bis zum 17. Mai 1815 zur letzten Schlacht des Krieges, als Murat mit einem letzten Aufgebot von ca. 15.000 Männern sich dem Korps Nugent stellte und besiegt wurde. Murat floh daraufhin als dänischer Seemann verkleidet nach Korsika; der Oberkommandierende der Neapolitaner, General Carrascosa, suchte um Frieden an.
Am 20. Mai wurde der Vertrag von Casalanza unterzeichnet, worin das Königreich beider Sizilien errichtet und Ferdinand I. von den Bourbonen als König eingesetzt wurde. Joachim Murat sammelte auf Korsika ein paar Anhänger und landete im Oktober in Kalabrien, um seine Herrschaft wiederherzustellen. Dabei wurde er jedoch verhaftet und am 13. Oktober 1815 in Pizzo standrechtlich erschossen.
Nachwirkungen
Die Unzufriedenheit der Bevölkerung des Königreiches hielt allerdings an, da Ferdinand im Rahmen der Restauration das absolutistische System wieder einführte. 1820 kam es zu heftigen Unruhen, in deren Folge sich Ferdinand gezwungen sah, eine Verfassung nach dem Vorbild der spanischen Verfassung von Cadiz zu bewilligen und einen Eid auf sie abzulegen. Allerdings setzte er alles daran, diese Zugeständnisse rückgängig zu machen, sodass er 1821 nach Österreich reiste und dort auf dem Kongress von Laibach das Eingreifen der Habsburger durchsetzte; Metternich sah in der Intervention eine rechtmäßige Aktion im Rahmen der „Heiligen Allianz“ zur Niederschlagung liberaler Ideen in Europa, wie sie Frankreich kurz darauf auch gegen die Liberalen in Spanien durchführen sollte. Wie bereits 1815 hatten die Neapolitaner auch diesmal der Übermacht der Österreicher wenig entgegenzusetzen. Die Erhebung brach schnell zusammen, ihre Anführer, meist Offiziere des neapolitanischen Heeres, wurden in Prozessen zu Festungshaft verurteilt oder mussten emigrieren. Das Eingreifen der Österreicher hinterließ in Italien erhebliche Verbitterung, die im Rahmen des Risorgimento erneut zum Ausbruch kam und einen wichtigen Impuls zur italienischen Einigung lieferte.
Quellen
- Edmund Burke: The Annual Register or A View of the History, Politics, and Literature for the Year 1815. J. Dodsley, 1816, Kapitel VII (Digitalisat).
- Robert Batty: An Historical Sketch of the Campaign of 1815. London 1820 (Digitalisat).
- Pietro Colletta: History of the Kingdom of Naples: 1734–1825. Ins Englische übersetzt von Susan Horner. Hamilton, Adams, and Co., 1858.
Weblinks
- Neapolitan War
- The Rimini Proclamation (Memento vom 7. Februar 2009 im Internet Archive)