Églomisé
Églomisé (französisch: Verre églomisé, eglomisiertes Glas, it: agglomizzato), auch Glasradierung, Goldradierung, Hinterglasradierung genannt, ist eine spezielle Variante der Hinterglasmalerei, bei der sowohl hinterlegte Blattgold- oder andere Metallfolien als auch Radiertechniken eingesetzt werden.
Name
Die Bezeichnung, die 1825 von dem französischen Archäologen Carrand geprägt worden sein soll,[1] geht auf den französischen Maler und Kunsthändler Jean-Baptiste Glomy (1711–1786) zurück, der im 18. Jahrhundert diese Technik bei der Hinterglaslegung und Rahmung von Graphiken anwandte, so dass ein Passepartouteffekt entstand.[2]
Techniken
Verschiedene Abläufe im Herstellungsprozess mit unterschiedlichen Effekten sind möglich:
- Die Glasfläche wird zunächst rückseitig mit Metallfolie (meist Blattgold) beklebt. In diese werden mit einer Radiernadel Linien oder Schraffuren gezeichnet oder es werden größere Flächen weggeschabt. Dann wird die ganze so bearbeitete Seite mit schwarzem (oder farbigem) Lack bedeckt, so dass von vorne betrachtet, die Zeichnung auf goldenem Grund erscheint.
- Die umgekehrte Schrittfolge beginnt mit einer meist schwarzen Lackierung der Glasrückseite, aus der Ornamente, Darstellungen oder Beschriftungen herausgekratzt werden, die dann mit glatter oder geknitteter Metallfolie (Blattgold, Silberfolie, Stanniol) hinterlegt oder hinterklebt werden. Hier erscheinen die freigelegten Linien und Flächen metallisch glänzend. Diese Technik wurde im 19. Jahrhundert für Schilder angewendet.
Beide Techniken können auch kombiniert werden, die Arbeitsweise ist dann mehrstufig.
- Zum Eglomisé hat man[3] auch die Objekte gerechnet, bei denen seitenrichtig bemalte Zinnfolie mit der Bildseite fest von hinten auf das Glas geheftet wird und so lange ihren frischen Glanz behält.
Geschichte
Einige seltene und frühe Beispiele sind schon mit Zwischengoldgläsern aus der Spätantike überliefert, wie dem berühmten Familienbild des Museums in Brescia. Im europäischen Mittelalter scheint die Kenntnis ähnlicher Techniken nicht verloren gegangen zu sein, denn Theophilus Presbyter beschreibt sie um 1110.[4] In Italien versieht Niccolò Pisano (1225–1278) die Kanzel im Dom von Siena mit Zierstreifen aus Églomisé,[5] das sonst eher an kleineren liturgischen Geräten appliziert wird.[6] Cennino Cennini beschreibt im 172. Kapitel seines um 1400 verfassten Malereitraktats sehr genau die Technik der Goldradierung in Kombination mit farbiger Hinterglasmalerei.[7] Nur wenige Beispiele dieses empfindlichen Materials sind aus dem Mittelalter erhalten geblieben. Ein äußerst kostbares Beispiel aus dem Spätmittelalter ist die erst 2008 bekannt gewordene, Hans Wertinger zugeschriebene Hostienschale aus Freising.[8] Dieses und die wenigen anderen Stücke der Zeit zeigen eine zunehmend farbige, weniger auf Goldradierung beruhende Hinterglasmalerei,[9] doch ging die Technik im Glaserhandwerk auch im 17. Jahrhundert nicht ganz verloren.[10]
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die antike Technik der Zwischengoldgläser wieder aufgegriffen. Gegen Ende des Jahrhunderts, als der Klassizismus im Kunsthandwerk wieder zurückhaltender mit der Farbe umging, hatte sich auch die bildhafte Ausführung von Glasradierungen in Gold und Schwarz zu einer Mode entwickelt, die sowohl in hochspezialisierten Werkstätten Böhmens, Frankreichs, Italiens und Süddeutschlands[11] als auch von kunstfertigen Dilettanten geübt wurde. Silhouettierte Porträts in Schwarz vor goldenem Grund waren weit verbreitet wie auch miniaturhaft klein radierte Einlagen aus Eglomisé in Schmuckringen. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde das Verfahren gern für großflächige Firmen- und Ladenschilder verwendet, bei denen aus dem hinterlegten Lack Schriftzüge ausgeschabt und mit Metallfolie hinterlegt worden waren. Mit Hilfe von Sprühlack und Klebefolien, die vom Graphiker leichter auszuschneiden sind, wird noch heute ganz ähnlich verfahren, allerdings nur noch selten unter Einsatz der schwieriger zu handhabenden Metall- oder Blattgoldfolien. Der Begriff Eglomisé wird heute jedenfalls nur noch auf Erzeugnisse des Kunsthandwerks angewendet.
Einzelnachweise
- Herders Konversationslexikon, 3. Auflage, Bd. 2, Freiburg 1903, Sp. 1643
- Steinbrucker: Églomisé, S. 749 mit Quellenzitaten.
- Steinbrucker: Églomisé, S. 749
- Mit deutscher Übersetzung bei Ritz, Hinterglasmalerei, S. 54.
- Georg Swarzenski: Das Auftreten des Eglomisé bei Nicolo Pisano, Festschrift Paul Clemen, Düsseldorf 1926, S. 326–28. Ders.: The localization of medieval verre eglomisé in the Walters collection. In: The journal of the Walters Art Gallery, Bd. 3, 1940, S. 55–68.
- Ritz, Hinterglasmalerei, S. 8.
- In deutscher Übersetzung bei Ritz, Hinterglasmalerei, S. 54–55.
- Cloisters, Inv.Nr. 2008.278. Fritz Koreny, "Ein unbekanntes Meisterwerk altdeutscher Glaskunst: Hans Wertingers gläserne Hostienschale von 1498," in: RIHA Journal 0007 (25. August 2010), digital. Eine Abbildung der Schale ist auch in der Online-Datenbank des Metropolitan Museums zugänglich:
- Ritz. Hinterglasmalerei, S. 9.
- z. B. gläserne Behangschilder an bremischen Glaseramtswillkommen, siehe Alfred Löhr: Altes Bremer Silber, Bremen o. J. [1980], S. 36–37 mit Abb.
- Wolfgang Brückner: Hinterglasradierungen und Eglomisébilder in: W. Brückner und Wolfgang Schneider: Hinterglasbilder, Würzburg 1990, S. 30–33.
Literatur
- Charlotte Steinbrucker: Eglomisé, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1956), Sp. 749–750; auch digital in: RDK Labor, Eglomisè [25. Februar 2016]
- W. B. Honey: Verre Eglomisé , in: The Connoisseur XCII, 1933, S. 372–382.
- Georg Swarzenski: The localization of medieval verre eglomisé in the Walters collection, in: The Journal of the Walters Art Gallery, Bd. 3, 1940, S. 55–68.
- F. Zauchi Roppo: Vetri Paleocristiani a figure d'oro, Bologna 1969.
- Gislind M. Ritz: Hinterglasmalerei, München 1972, S. 8–9, 54–60.
- Wolfgang Steiner u. a.: Goldglanz und Silberpracht. München: Deutscher Kunstverlag, 2015. (Zu Amelierung und Églomisé).